Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Glasbläser, Holzfäller, Bergbauern, Künstler

Eine Ausstellun­g übers Kreuzthal ist im Heimatmuse­um in Buchenberg zu sehen

- Von Walter Schmid

EISENBACH-KREUZTHAL/BUCHENBERG - Wer sich für die abgelegene, einzigarti­ge, geschichts­trächtige Region des Kreuzthals interessie­rt, sollte das Heimatmuse­um in Buchenberg besuchen, zu finden an der Eschacher Straße gleich nach der Sommerau. Dort läuft noch bis Ende Oktober eine Sonderauss­tellung über Eisenbach-Kreuzthal, die Ortschaft westlich der Eschach, die dem Rathaus Rohrdorf zugeordnet ist. Die „andere Seite“ist in Buchenberg eingemeind­et – eine Ortschaft, zwei Landkreise, Ravensburg und Oberallgäu, auch zwei Bundesländ­er, Baden-Württember­g und Bayern.

„Die Württember­ger gehen heutzutage im bayrischen Kreuzthal zur Kirche, und ihre Toten finden auch in bayrischer Erde ihre letzte Ruhe“, ist im Museum zu erfahren. Früher sei das anders gewesen, da mussten die Württember­ger zur Kirche nach Rohrdorf und auch ihre Toten über den Herrenberg hinübertra­gen.

Anlass für die Schau ist dem Heimatgesc­hichtliche­n Verein Buchenberg das Jubiläum der „300-jährigen Selbständi­gkeit der Pfarrei Kreuzthal“seit dem Jahr 1717. „Im Rahmen der Gebietsref­orm und weil es die Kreuzthale­r so gewünscht haben, wurde die Pfarrgemei­nde 1971 der Pfarrgemei­nschaft Wiggensbac­hBuchenber­g-Kreuzthal zugeordnet“, erklärt Georg Singer, der Vorsitzend­e des Vereins.

Schlitten, Kutschen, Leichenwag­en Im Erdgeschos­s des einstigen kleinen Bauernhaus­es an der Straße von Buchenberg ins Kreuzthal zeigt Alfred Rist den Besuchern Wohnstube, Schlafstub­e, Küche, Abort und eine Schuhmache­rwerkstatt. Alles im Original so erhalten, wie die Menschen in der voralpinen Region der Adelegg durch Generation­en hindurch gelebt haben. Im ehemaligen Stall und im Stadel befinden sich Gerätschaf­ten aus Landwirtsc­haft und Handwerk, zurückreic­hend bis ins Mittelalte­r, auch Schlitten, Kutschen und sogar ein Leichenwag­en.

Das Obergescho­ss birgt die diesjährig­e Ausstellun­g über das Kreuzthal mit Eisenbach. Neben der Stiege nach oben steht ein großer Weidenkorb mit Glaswaren, die zwischen 1650 und dem Ende des 19. Jahrhunder­ts in insgesamt zehn verschiede­nen Glashütten in vier Tälern gebrannt wurden: im Ulmertal, Eschachtal, Kreuzbacht­al und Kürnachtal; Flaschen, Trinkgläse­r, Medizinglä­ser, Lampenzyli­nder, Uhrengläse­r, Glaskugeln. Sogar die Glasscheib­en für den Glaspalast und die Residenz in München stammten aus den Glashütten der Adelegg, ist im Museum erwähnt.

Der Korb steht auf einem Tragegeste­ll, auf dem Händler und Bergbauern die Glaswaren in die Städte trugen und dort verkauften. Mit einem anderen Tragegeste­ll daneben trugen die Hüttenarbe­iter und Holzfäller, die nebenher auch noch Kleinbauer­n waren, Gras und Heu von den Berghängen in die Stadel zu ihrem bescheiden­en Viehbestan­d, zu Kuh und ein paar Ziegen. Ackerbau, Garten, Schwein, Hühner und eigene Milch waren nebenher nötig, um die meist großen Familien irgendwie zu ernähren.

„Käfig“des eifersücht­igen Försters „Die Glasproduk­tion bescherte der Region durch rund 250 Jahre Sicherheit und relativen Wohlstand“, erklärt Singer. Die letzten Glasmanufa­kturen Schmid und Bartsch in Schmidsfel­den und von der Herrschaft Quadt in Eisenbach hätten in den 1890er-Jahren den Betrieb beendet. Aus den Glasarbeit­ern seien noch ärmere „Vollerwerb­sbauern“geworden. Viele seien weggezogen, um neue Verdienstm­öglichkeit­en und Überlebens­chancen zu suchen. Andere, Einsiedler und Künstler, fanden in den verlassene­n, bescheiden­en Häusern Zuflucht und Heimat.

Eine Vitrine widmet sich dem Maler Erwin Bowien, der 1944 in sein Tagebuch schrieb: „Das Kreuzthal ist in keiner Karte zu finden. Vom Krieg ist hier nichts zu spüren. Es gibt eine Käserei, ein Sägewerk, Schmied, Tischler, zwei Bäcker und eine Herberge. Drüben im Württember­gischen lebt Schwester Clara in einem kleinen Schloss, dem Haus Tanne. Dahinter stehen drei Holzhäuser, alt und schwarz. Im Hintergrun­d ein Tal, in dem der Förster sein Haus gebaut hat. Ein kleiner ’Käfig’, in dem er seine junge Frau eifersücht­ig auf Abstand zum Dorf bewahrt. Durch dieses Eisenbacht­al führt uns der Weg nach Isny. Unser Dorf nennt sich Kreuzthal, da sich vier Täler hier treffen. Drei führen in die Berge, nur eins ins Freie. Auf den Höhen dehnen sich Bergweiden aus, es ist wahrlich der absolute Rückzug aufs Land. Kein Zug, kein Kino, nur ein Gendarm, der sich wie alle anderen abends um sechs zum Schlafen legt.“

Protokolle über Moral und Sitte Auf einem alten Tisch finden sich Protokolle über die „Kirchenzuc­ht“, die über Moral und Sitte vor Ort wachte. Wer sich einen Fehltritt erlaubte, wurde vor den Pfarraussc­huss gerufen und bekam züchtigend­e Auflagen verpasst. In der Ecke stehen zwei Vortragest­angen der Vereinigun­g der Rosenkranz­bruderscha­ft, die bei Festen und Prozession­en mitgeführt wurden. Diese frommen Männer bemühten sich im 18. und 19. Jahrhunder­t um gute Werke, Buße und Nächstenli­ebe. Ein Pfarramtsp­rotokoll von 1827 zeichnet jedoch von dieser Zunft ein realistisc­hes Bild: „Außer dem Einfluss, den die Kommunion und die Beichte auf einen geringen Teil dieser Pfarrkinde­r hat, ist kein anderer Erfolg sichtbar. Hinsichtli­ch Besserung und Heiligkeit zeigen sie nur ganz sparsame Früchte.“

 ?? FOTO: WALTER SCHMID ?? Alfred Rist vor drei Bildern der Glashütten in Eisenbach, unten ein Korb mit Glaswaren. In der Hand hat er einen Vortragest­ab der Rosenkranz­bruderscha­ft aus dem 18./19. Jahrhunder­t.
FOTO: WALTER SCHMID Alfred Rist vor drei Bildern der Glashütten in Eisenbach, unten ein Korb mit Glaswaren. In der Hand hat er einen Vortragest­ab der Rosenkranz­bruderscha­ft aus dem 18./19. Jahrhunder­t.

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