Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Ein Kinderroman – und eine Geschichte für jedes Alter“
Friedrich Hechelmann stellt am heutigen Samstag im Isnyer Schloss sein erstes Buch aus eigener Feder vor
ISNY - Nicht erst seit den Illustrationen für Michael Endes „Momo“, Cornelia Funkes „Die Geisterritter“und Selma Lagerlöfs „Nils Holgersson“– dessen Text er als Lektor im übrigen auch gestrafft hat – ist der Isnyer Maler Friedrich Hechelmann auch in der Welt der Bücher heimisch. Diese bereichert er nun mit dem ersten Roman aus eigener Feder, der am 21. September erschienen ist: „Manolito – Ein fantastischer Märchenroman“. SZ-Redakteur Tobias Schumacher hat mit dem Ausnahmekünstler gesprochen anlässlich seiner Buchpremiere heute Abend um 19 Uhr im Isnyer Schloss. Dort präsentiert Hechelmann auch die über 30 Originale, mit denen er sein schriftstellerisches Erstlingswerk illustriert hat.
Friedrich Hechelmann, wie kam es zu „Manolito“?
Der Stoff ist eine alte, aber bis heute aktuelle Idee, die viele Jahre in mir gekocht hat. Es ist zwei Jahre her, dass ich angefangen habe, sie aufs Papier zu bringen. Zu Beginn war es schwierig für mich, das Handwerk des Schriftstellers war mir nicht geläufig.
Nun ist Ihr Roman erschienen... Ich steckte in einer Krise nach einer schlimmen Diagnose, ich musste mich wieder finden, das Schreiben hat mir plötzlich neue Tore geöffnet. Als der Anfang geschafft war, konnte ich den Text in einem Fluss hinschreiben. Der Aufbau, die Dramaturgie waren plötzlich klar.
Worum geht es in „Manolito“? Primär ist das Buch ein Kinderroman, aber zugleich eine Geschichte für jedes Alter, vergleichbar mit Werken von Michael Ende oder Otfried Preußler. Ausgangspunkt ist: Die Natur hat in der Gesellschaft keine Lobby. Selbst der Tierschutz ist eine Farce, etwa, dass man Nutztieren keine Gefühle und Schmerzen zugesteht. Nun habe ich dem Erzähler die Stimme der Natur gegeben, ich übe aus ihrer Sicht Kritik und erhebe Klage über diese nur materiell orientierte Gesellschaft.
Und dieser Plot fand einen Verlag? Als startender Autor ist das in der Tat fast unmöglich. Auf dem Sektor des Schreibens habe ich kein Selbstbewusstsein. Ich würde mich nicht als Literat bezeichnen, bin höchstens einer von vielen Erzählern. Das Manuskript hatte ich deshalb einem Literaturagenten gegeben und wollte es unter einem Pseudonym veröffentlichen.
Aber es kam anders...
Der Agent hat’s durchgelesen, fand es super und hat mich gefragt: „Welchen Verlag willst Du?“Am liebsten hätte ich Knesebeck, war meine Antwort. Und dort fand man’s auch großartig. Es ist ja so: Eine Mehrzahl der Verlags-Lektoren muss für eine Geschichte stimmen, erst dann entscheidet der Chef. Das zog sich lange hin. Aber ich hatte nichts zu verlieren und habe mir immer wieder gesagt: Wenn es nichts wird, dann habe ich wenigstens eine wunderschöne Zeit beim Schreiben verbracht. Jetzt feiert der Verlag Knesebeck 2017 seinen dreißigsten Geburtstag mit einem neuen Autor – mit mir – und hat sich die Weltrechte gesichert, für Verfilmungen, Tonaufnahmen usw ....
Wofür Sie auch die Bilder liefern könnten?
Ja, denn erst dann habe ich begonnen, die Bilder fürs Buch zu malen, allein 37 für den ersten Band, dazu Doppelbilder, Vignetten... Und der Verlag hat keine Kosten und Mühen gescheut, sie zu reproduzieren und das Buch hervorragend zu gestalten. Das Malen war richtig feste Arbeit, den ganzen Winter hindurch auf La Palma, den Rest hier, über ein Jahr habe ich für den Text gemalt. Die Leute meinen immer, ich bin auf La Palma im Urlaub, so unter dem Motto: „Ach, hat’s der schön.“Das geht bis in die eigene Verwandtschaft hinein. Dabei weiß ich nicht, wie lange ich nicht mehr im Urlaub war, ohne zu Schreiben oder zu Malen.
Sie sprechen von einem ersten Band...
Vor zwei Jahren habe ich einen zweiten Teil geschrieben, inzwischen sind drei Teile fertig, alles ist jeweils eine andere Geschichte. Der vierte Teil fehlt noch. Und erst dort laufen alle Fäden zusammen.
Können Sie konkreter werden, ohne schon zu viel zu verraten?
Die Vorgeschichte spielt im Mikrokosmos aus dem Insektenblick, einer für uns ungewöhnlichen Perspektive. Protagonist Manolito ist ein kleiner Elf, der in einem Labor gehalten, an dessen Körper experimentiert wurde. Das ging schief, deshalb blieb er klein wie ein Embryo. Am Anfang durchlebt er tolle Abenteuer auf dem Rücken von Insekten – der rote Faden ist die Ausbeutung der Natur durch den Menschen –, bis sie in ein riesiges Weltereignis hineingezogen werden: den Kampf der Natur, den Kampf der Menschheit mit der Klimaveränderung. Die Menschheit vermag ihre Gier nicht zu zügeln, das ständige Wachstum ist mitverantwortlich für die schlimmen Ereignisse auf dem Planeten.
Sie sind politisch höchst aktuell. In der Tat – aber Manolito wurde geschrieben, als es Donald Trump als Präsidenten noch nicht gab. Anstoß war eher, dass etwa die Grünen längst vergessen haben, sich über den Menschen zu empören, wie er mit der Natur umgeht; dass er eine Verantwortung gegenüber der Welt, dem Planeten hat. Er ist Teil dieser Schöpfung und darf sich nicht alleine sehen. Das darzustellen habe ich in meinem Buch versucht.
Was ist schwieriger: das Malen oder das Schreiben?
Die Malerei braucht das Zehnfache an Zeit, wobei beim Schreiben alles geflossen ist, es war wie ein Stau, der aus mir rausgebrochen ist – erstaunlich, wie das Gehirn manchmal funktioniert. Zu Michael Endes „Ophelias Schattentheater“habe ich die Bilder gemalt. Er hat eine Nacht daran geschrieben, ich benötigte für die Bilder fast ein Jahr.
Bei Ihren bisherigen Illustrationen trugen die Bücher andere Namen. Ich habe mich meist in den Dienst anderer Autoren gestellt, zuletzt für den „Sommernachtstraum“. Dann kam die Zwischenphase mit meinen Bronzen und Skulpturen, weshalb 2016 nichts auf dem Buchmarkt erschienen ist. Obwohl die Arbeit an Nils Holgersson, das 2013 auf den Markt kam, mir Riesenspaß gemacht hat. Lagerlöf hat ja ursprünglich ein Heimatkundebuch für schwedische Schulen geschrieben, das ich textlich entstaubt habe, etwa die sozialen Probleme um die Jahrhundertwende, die keinen aktuellen Bezug mehr hatten. Auf La Palma habe ich den vielen Text durchgearbeitet, es war interessant, aber sicher nicht für jeden zumutbar. Lagerlöf schreibt sehr schön, aber ich finde diese neue Ausgabe besser als die ungekürzte Fassung.
Wie kamen Sie überhaupt zum Buch? Es gab ein erstes tolles Buch, „Klein Zaches genannt Zinnober“von E.T.A. Hoffmann. Meine Illustrationen dafür haben die Buchgestaltung in Deutschland nach vorne gebracht. Es ist total durchbebildert, nach wie vor aktuell, auch wenn es schon in den Siebzigerjahren erschienen und inzwischen vergriffen ist. Wenn ich das heute jungen Leuten zeige, staunen sie.
Was war damals so besonders? Die Fünfziger- und Sechzigerjahre waren verstockt, man hat sich vom Naturalismus abgewendet, es gab eine eher dekorative, pietistisch-grauenvolle Buchgestaltung. Verleger Jörg Weidebrecht von Thielemann, der Michael Ende entdeckt hat – was ihn übrigens saniert hat, und das gönne ich ihm –, sagte zu mir über „Klein Zaches“: „Herr Hechelmann, jetzt ist eine andere Zeit angebrochen, das ist ein neuer Weg in der Buchgestaltung.“
Hochtrabende Worte?
Nun – meine Bücher sind in alle Weltsprachen übersetzt. Nils Holgersson erschien dieser Tage auf Russisch. Wir haben Japanisch, Chinesisch, Portugiesisch, Spanisch, Englisch, Französisch, werden gelesen in allen Erdteilen. August Everding hat mal in New York an der MET inszeniert und ist in Pausen immer in Buchhandlungen gegangen, um sich zu entspannen. Dort entdeckte er meine Bücher, er hat es mir später hocherfreut und begeistert erzählt.
Wegen der Buchpremiere und Ausstellungseröffnung mit den „Manolito“-Illustrationen bleibt die Kunsthalle im Schloss am heutigen Samstag, 23. September, tagsüber geschlossen und öffnet erst um 18.30 Uhr.