Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein bisschen Deftiges muss sein
Johanna Hofbauer überzeugt das Publikum im Tautenhofener Kultur- und Gemeindetreff
LEUTKIRCH - „Was hot sich der liebe Gott bei der Erschaffung der Menschheit denkt? Wahrscheinlich gar nix. Er isch jo a Mann.“Ob der liebe Gott nun wirklich ein Mann ist oder eine Frau oder was auch immer, bleibt stets im Ungewissen. Gewiss ist nur, dass die Autorin und Komödiantin Johanna Hofbauer sich bei der Gestaltung ihres Programms viel gedacht hat – und beileibe nichts Gutes über die Männerwelt und jenen Teil davon, der die Verrentung unbeschadet überstanden hat: „Lieber fünf Elefanten und zwei Kamele im Garten als einen Rentner.“
Die 50-plus-Frau aus dem Ostallgäu hat sich wie Roberto Blanco („Ein bisschen Spaß muss sein“) für ihre Bühnenauftritte ein klar umrissenes Ziel gesetzt: „Ein bisschen Deftiges muss es schon sein.“Dieses Ziel verfolgt sie auch konsequent und schreckt dabei vor Sketch-Bomben wie dem Pfarrer samt Bürgermeister am Nudistenabend im Hallenbad ebenso wenig zurück wie vor Phantasien über Leuchtfarben-Kondome des pubertierenden Nachwuchses. Erotische Assoziationen beim Klassentreffen, wo der Zahn der Zeit („Heit simmer alle alte Schäßa/mit Blasenschwäche, Zahnprothesea“) nicht vor erotischen Anmutungen schützt: „Du geiler Typ, i hob heit Bock, es brodlat unterm Trachtenrock“gehören auch in dieses Genre.
Florett-Komik ist das nicht, eher schon Holzhammer-Humor, aber erstens kommt die Dame ja aus dem Ostallgäu, wo man es mit der Feinsinnigkeit bekanntlich eh nicht so hat, und zweitens hat sie ja das Motto, „ein bisschen deftig.“
Die Leute im vollbesetzten Tautenhofener Kultur- und Gemeindetreff lachen sich krumm und bucklig. Zitherspieler Andreas aus dem nahen Mindelheim liefert eine piekfeine bodenständige musikalische Umrahmung und lässt nur Mitte des Programms etwas rätseln, als er Leonhard Cohens „Halleluja“zittert, was in das krachlederne Programm passt, wie eine Schweigeminute aufs Oktoberfest. Aber es ist das Lieblingslied der Alleinunterhalterin, und die hat bekanntlich alle Freiheiten, die sie ausgiebig nützt und durchaus auch zu treffsicheren, geistreichen Pointen verwendet. Beispielsweise dann, wenn sie Männer ihrer Altersklasse gleichermaßen treffend wie schonungslos zeichnet: „Mehr Hoor in dr Nas als aufm Kopf.“
Dass die Hofbauerin in ihrem Kopf durchaus mehr hat als bloße Blödeleien, das dokumentiert sie mit feinen Auslassungen über die Entwicklungsgeschichte des Telefons, spitzfindigen Skizzen über zeitgeistige Helikopter-Mütter mit ihren zeitgeistig benamten Sprösslingen („Jean-Luc Pascal“) und die Wortkargheit ihrer männlichen Allgäuer Landsleute. Dass einer davon, der mit einem Papagei auf der Schulter einhergeht, angesprochen wird, ob der auch reden könne, und der Papagei entgegnet: „Koi Ahnung!“, ist zwar insofern unwirklich, weil Papageien im Allgäu eher rar gesät sind – aber der Rest könnte ziemlich stimmen.
Eigentlich stimmte so ziemlich alles an diesem pointengespickten Samstagabend. Die Tatsachenbeschreibung der Nachbarin, die keinen Thermomix braucht, weil sie noch die Oma hat, die Kostümierung als Hausfrau mit Kittelschürze, Kopftuch und rosa Crocs und auch die Einschätzung der Frauenwelt als Multitasking-Wunder, das Fernsehen, Telefonieren und dem Mann Kommandos geben können in sich vereint. Dem Publikum brauchte man kein Kommando geben. Es war sichtlich und hörbar begeistert davon, dass Johanna Hofbauer das erste Gebot der Unterhaltungsbranche („Du sollst nicht langweilen“) überzeugend befolgt hatte, und es applaudiert zum Ende lang und anhaltend. Halleluja.