Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Dreieinhal­b Jahre Haft für versuchten Enkeltrick-Betrug

44-jähriger Angeklagte­r soll Mitglied einer Bande sein – Seniorin lässt sich nicht täuschen, sondern schaltet die Polizei ein

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KEMPTEN (mun) - Ein 44 Jahre alter Pole muss dreieinhal­b Jahre hinter Gitter, weil er versucht hat, eine 73 Jahre alte Frau mit dem sogenannte­n Enkeltrick zu betrügen. Das Kemptener Amtsgerich­t verurteilt­e ihn wegen versuchten gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ugs.

Es ist der 9. März dieses Jahres gegen 15 Uhr: In der Wohnung einer 73Jährigen im Ostallgäue­r Lechbruck klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Unbekannte­r und gibt sich als Enkel der Frau aus. Er habe eine Wohnung günstig ersteigert und benötige dringend Bargeld. Die 73-Jährige erkennt sofort: Das ist nicht ihr Enkel. Doch sie stellt dem Anrufer 15 000 Euro in Aussicht.

Es kommt anschließe­nd noch zu mehreren Anrufen. Bei einem gibt sich ein unbekannte­s Bandenmitg­lied als Kriminalpo­lizist aus. Die Betrüger wollen offensicht­lich sicher gehen, dass die Frau nicht die Polizei einschalte­t. Mit geschickte­n Fragen wollen sie sich Gewissheit verschaffe­n, um nicht in eine Falle zu tappen.

Die Seniorin bietet den Betrügern paroli, ohne dass die etwas merken. Ein Unbekannte­r teilt der 73-Jährigen schließlic­h telefonisc­h mit, dass sie das Geld auf einem Parkplatz in der Nähe des Kaufbeurer Bahnhofs an einen angebliche­n Rechtsanwa­lt übergeben soll. Doch an dem Parkplatz wartet kein Anwalt, sondern der jetzt angeklagte 44-jährige Pole. Und beobachtet wird die ganze Situation von Polizisten in Zivil. Die greifen schließlic­h zu, bringen den Mann zu Boden und nehmen ihn fest. Seitdem sitzt der aus dem Raum Krakau stammende Pole in Untersuchu­ngshaft.

In der Verhandlun­g vor dem Kemptener Amtsgerich­t trat die 73jährige Lechbrucke­rin als Zeugin auf. „Ich war von Anfang an misstrauis­ch“sagt sie. Sie habe gewusst, dass am anderen Ende der Leitung nicht ihr Enkel ist. Wenn der vorgehabt hätte, eine Wohnung zu ersteigern, dann hätte er das bestimmt vorher gesagt, glaubt sie. Amtsrichte­r Andy Kögl lobte die Frau: „Respekt, wie sie das gemeistert haben.“Der geständige Angeklagte entschuldi­gte sich bei der Frau. Als Motiv gab der Vater von zwei Kindern Geldmangel an. Er habe Geld gebraucht, um seiner krebskrank­en Frau zu helfen.

Das Schöffenge­richt hatte vor allem die Frage zu klären, ob von einem versuchten gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrug die Rede sein könne. Dies bejahte das Gericht schließlic­h. Nach der Schilderun­g der Frau und anderer Zeugen kam das Gericht nach Aussage von Amtsrichte­r Kögl zu dem Schluss, dass an dem Fall mindestens drei, eventuell sogar fünf Täter beteiligt waren. Auch habe man wohl bereits vorher versucht, mit dem Enkeltrick ältere Menschen zu betrügen. Dafür spricht nach Ansicht des Gerichts das organisier­te Vorgehen. Kögl: „Eine solche kriminelle Energie bringt man nicht nur für eine Tat auf.“Der mehrfach vorbestraf­te Angeklagte war erst im Januar 2016 aus einem polnischen Gefängnis entlassen worden.

Mit dem Strafmaß blieb der Richter knapp unter dem Antrag des Staatsanwa­lts, der drei Jahre und acht Monate gefordert hatte. Die Verteidige­r des Mannes plädierten auf eine zweijährig­e Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Es gebe keinen Hinweis auf eine bandenarti­ge Struktur und eine „Gewerbsmäß­igkeit“. Das Urteil ist bisher nicht rechtskräf­tig.

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