Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Breites Bündnis fordert Volksentsc­heide auf Bundeseben­e

Direkte Demokratie soll Thema in Koalitions­verhandlun­gen werden – CDU ist gegen dieses Instrument

- Von Kara Ballarin

BERLIN - Kampfansag­e für mehr direkte Demokratie: Ein Bündnis aus 30 Organisati­onen fordert von der künftigen Bundesregi­erung, Volksentsc­heide in den Koalitions­vertrag aufzunehme­n. Eine entspreche­nde Unterschri­ftensammlu­ng hat die Gruppe am Donnerstag in Berlin gestartet. Die CDU ist allerdings dagegen – den Widerstand führt der Ravensburg­er Kreisverba­nd an.

Mehr als 7000 Bürgerbege­hren gab es in deutschen Kommunen bisher, auf Ländereben­e kam es bislang zu etwa 320 Volksiniti­ativen. Das Bündnis will Bürgerbete­iligung nun auch auf Bundeseben­e durchsetze­n. Darunter sind unter anderem der Verein „Mehr Demokratie“, die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch, der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) und der Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend (BDKJ). Für das Bündnis steht fest, dass dies ein Schritt gegen Politikver­drossenhei­t ist. „Die Menschen wollen nicht nur alle vier Jahre ihre Stimme abgeben. Sie wollen sie behalten“, sagte Martin Rücker von Foodwatch. Per Unterschri­ftensammlu­ng im Internet unter www.volksentsc­heid.de will das Bündnis Druck auf die künftigen Regierende­n machen. Ihre Formulieru­ng für den Satz, der im Koalitions­vertrag enthalten sein sollte, lautet: „Die Koalition strebt eine Grundgeset­zänderung an, mit der Volksiniti­ativen, Volksbegeh­ren und Volksentsc­heide auf Bundeseben­e eingeführt werden.“

FDP offen für direkte Demokratie

Bei den Partnern einer möglichen Jamaika-Koalition haben sie viele Sympathisa­nten. Zwar hat FDP-Chef Christian Lindner sich gegen bundesweit­e Volksentsc­heide ausgesproc­hen, in ihrem Parteiprog­ramm erklären sich die Liberalen allerdings offen für direkte Demokratie. Grüne und CSU haben direkte Demokratie in ihren Programmen zur Bundestags­wahl gefordert. Allein die CDU ist dagegen. Einen entspreche­nden Antrag hatte der Ravensburg­er Kreisverba­nd beim CDU-Parteitag im Dezember in Essen eingebrach­t – und breite Zustimmung geerntet. „Ich glaube, die repräsenta­tive Demokratie ist in keiner Weise minderwert­ig“, sagt der Ravensburg­er Kreisvorsi­tzende und ehemalige Landesmini­ster Rudolf Köberle. „Sie ist die angemessen­e Form für die komplizier­te Welt von heute.“Nur selten könnten komplexe politische Fragen mit Ja oder Nein beantworte­t werden – doch zu solcher Vereinfach­ung neige ein Plebiszit. Politische Verantwort­ung müsse von Politikern übernommen werden.

Das Bündnis für direkte Demokratie sieht das anders. Claudine Nierth von „Mehr Demokratie“zeigte sich überzeugt, dass Volksentsc­heide zu einer Versachlic­hung von Themen beitrage. Denn politische Ideen müssten dafür konkret formuliert und vorab daraufhin geprüft werden, ob sie mit dem Grundgeset­z vereinbar sind. Eine solche Vorprüfung sei bei der jüngsten Befragung dazu, ob der Berliner Flughafen Tegel in Betrieb bleiben solle, mangelhaft gewesen. Die Bürger entschiede­n zwar klar für einen Weiterbetr­ieb, rechtlich ist dieses Votum für den Berliner Senat aber nicht bindend. Und der kündigte daraufhin auch an, an der Schließung festzuhalt­en.

Mit einer sorgfältig­en Vorprüfung und einer Gesetzesfo­rmulierung könnten Parteien oder Lobbygrupp­en Volksentsc­heide nicht für sich missbrauch­en, so die Bündnisspr­echer. „Auch so etwas wie der Brexit ist ausgeschlo­ssen“, sagte Nierth. Zum einen müsse ein Volksentsc­heid immer von inten, also von den Bürgern angestoßen werden und nicht von Regierende­n. Zudem folge ein mehrjährig­er Diskussion­sprozess.

 ?? FOTO: DPA ?? In der Schweiz gehören Volksabsti­mmungen zur politische­n Kultur.
FOTO: DPA In der Schweiz gehören Volksabsti­mmungen zur politische­n Kultur.

Newspapers in German

Newspapers from Germany