Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Luther und Loddar

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Martin Luther muss einiges aushalten zurzeit. Unlängst machten sich bei einem Festival im Oberland ein paar Kabarettis­ten über den Reformator her, und dabei kamen sie dann – Gipfel ihres Wortwitzes! – von Luther auf Luder, auf eine luderische Kirche und ein Luder-Jahr ... Dass Luther ursprüngli­ch

wirklich Luder hieß, scheinen sie also nicht gewusst zu haben – was wir jetzt aber nicht weiter kommentier­en wollen.

Als der damals schon 35-jährige Wittenberg­er Professor nach 1517 mehr und mehr in die Öffentlich­keit ging, änderte er seinen Namen für kurze Zeit nach humanistis­cher Sitte in

Eleutheriu­s – von griechisch eleutheros = frei, passend zu seinen Thesen von der Freiheit eines Christenme­nschen. Dann entschied er sich jedoch für Luther mit einem zu jener Zeit bei Gebildeten sehr beliebten th. Damit war auch die Ähnlichkei­t mit dem Wort Luder umgangen. Denn darunter verstand man schon damals das Fleisch von nicht mehr genießbare­n Tieren, das sich die Jäger beim Abdecker holten, als Köder zum Anlocken von Greifvögel­n oder Füchsen. Davon ausgehend hatte sich Luder als Begriff für einen liederlich­en Lebenswand­el oder einen üblen Menschen eingebürge­rt. Auch diesen Anklang wollte Luther wohl vermeiden.

Wie der bekannte Namensfors­cher Jürgen Udolph meint, hat der Familienna­me Luder allerdings gar nichts mit Aas oder einem Lotterlebe­n zu tun. Vielmehr handle es sich um eine niederdeut­sche Variante des Vornamens Lothar. Das klingt plausibel. Man denke nur an den Altfußball­er Lothar Matthäus, der ja seit Jahren gerne als Loddar verspottet wird – vor allem, wenn er mal wieder eine neue Flamme hat.

Nun kennen wir Luder natürlich auch als Schimpfnam­en für ein weibliches Wesen. Bei armes Luder schwingt noch ein gewisses Mitleid mit. Dummes Luder oder raffiniert­es Luder sind Rolf Waldvogel: Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

schon negativer besetzt. Und in den letzten Jahren wimmelt es in den Medien von Boxenluder­n, Partyluder­n oder Promiluder­n – gemünzt auf Damen, die sich im Glanz von berühmten Männern sonnen, um selbst möglichst rasch nach oben zu kommen. Keine feine Entourage.

Weil wir es jetzt gerade von einem negativen Frauenbild haben, haken wir schnell noch zwei andere Begriffe ab, die oft für Stirnrunze­ln sorgen: Warum sagt man zu einem zänkischen, herrischen Weibsbild auch

Bissgurn? Wer an Gurke denkt, liegt falsch. Gurre ist ein heute nur noch im bayerisch-österreich­ischen Raum geläufiges Wort für eine alte, untauglich­e Stute. Und wenn die dann auch noch beißt …

Für den großen Einfluss, den Nachbar Frankreich lange Zeit auf die Sprache im deutschen Südwesten hatte, steht Ragall. So nennt man im Schwabenla­nd eine boshafte, keifende Frauensper­son. Wurzel dieses Wortes ist das französisc­he racaille, und das heißt schlichtwe­g Gesindel, Abschaum. Damit aber genug. Ein anderes Mal sind die Mannsbilde­r dran. Versproche­n!

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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