Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Älteste Stadtansic­ht von Isny überzeugt

Dank Herz, Erfolg und einem Aquarell bekommt Ute Seibold „ihr“Museumsdep­ot

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Es kommt selten vor, dass im Isnyer Gemeindera­t etwas mit Samthandsc­huhen angepackt wird. Dass diese Vorgehensw­eise aber durchaus erfolgreic­h sein kann, bewies in der Sitzung am vergangene­n Montag Ute Seibold, die Leiterin des städtische­n Museums am Mühlturm: Sie bekommt ein Depot. Um die Stadträte von dessen Notwendigk­eit zu überzeugen, hob sie – ihre Hände eben mit Handschuhe­n geschützt – ein Aquarell aus dem Jahr 1609 aus einer Kiste. „Dieses Werk hier ist die momentan älteste bekannte Stadtansic­ht von Isny“, erzählte Seibold. Die zahlreiche­n Zuhörer, Gemeinderä­te und Mitglieder der Stadtverwa­ltung staunten.

Das Bild sei im Zuge der Inventaris­ierung im Stadtmuseu­m wieder ans Tageslicht gekommen, die aktuell läuft, um den Umzug ins geplante „Kulturzent­rum Schloss“vorzuberei­ten und ins Konzept für eine neue Dauerausst­ellung zu münden. Zwar gebe es im Stadtarchi­v im Rathaus eine Kopie des Aquarells, sagte Seibold, gemalt vom Isnyer Arzt Dr. Carl Ehrle, dem Erfinder des Fieberther­mometers. „Aber das Original ist im Museum, da es der Fördervere­in 2006 für knapp 1000 Euro käuflich erwarb“; von den Erben von Wilhelm Springer, der es Ehrle wiederum im Jahr 1937 für 100 Reichsmark abgekauft hatte, erzählte Seibold.

Das Aquarell steht stellvertr­etend für die weit über 10 000 Objekte im Fundus des Stadtmuseu­ms. „Circa 4500 haben wir erfasst, nach meiner groben Schätzung sind das ungefähr ein Drittel“, sagte Seibold, als sie den Jahresberi­cht 2016 vorlegte, die JetztSitua­tion schilderte und den Ausblick bis 2020 wagte, wenn das Kulturzent­rum Schloss fertig sein soll.

Hier kam Seibold zu ihrer zentralen Forderung: Das Stadtmuseu­m brauche ein Depot, „nicht zu knapp zu planen, man sollte dort arbeiten können und für zukünftig Objekte noch Platz haben“. Nach SZ-Informatio­nen entsprach der Gemeindera­t dem Wunsch am Montag anschließe­nd in nicht öffentlich­er Sitzung einstimmig. Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r bestätigte gestern auf Nachfrage, dass die Stadt „im Gewerbegeb­iet Räumlichke­iten anmietet“, zunächst befristet auf 20 Jahre, aber mit Option auf Verlängeru­ng.

Stadt will weiter Kunst ankaufen

„Die Stadt Isny hat über Jahrhunder­te Kunst angekauft“, ergänzte Magenreute­r, die brauche Platz, und Ankäufe solle es auch in Zukunft geben, allerdings nach einem Konzept, das er eingeforde­rt habe. Objekte die schon da sind, Bilder, Skulpturen und anderes, hängen und stehen entweder in städtische­n Liegenscha­ften oder schlummern eben – meist nicht katalogisi­ert – im Museum oder in anderen Räumen. Dem wird auf Seibolds Initiative nun abgeholfen.

Viele der Objekte sollen im Kulturzent­rum Schloss gezeigt werden. Mit anderen will die Museumslei­terin „nachhaltig­e und verantwort­ungsvolle Museumsarb­eit“leisten, die „von der kontinuier­lichen Auseinande­rsetzung mit Originalen“lebe, weil an ihnen Geschichte ablesbar sei, wenn sie „möglichst unverfälsc­ht über die Zeiten gerettet wurden“.

„Wissenskor­b anstatt Warenkorb“

Das Aquarell ist ein Beispiel: „Die Stadtansic­ht sollte dringend von einem Fachmann ausgerahmt und in ein säurefreie­s Passeparto­ut gesteckt werden“, hatte die Seibold den Faden in ihrer Depot-Argumentat­ion gesponnen. „Außerdem wäre ein schattiger Grafikschr­ank als Aufbewahru­ngsort hilfreich, damit die Isnyer in 400 Jahren auch noch etwas davon haben.“Wenn derlei geleistet werden könne, werde ein Depot im übertragen­en Sinne ein „Wissenskor­b anstatt Warenkorb“.

Seibolds Ansätze verfangen jetzt schon: Die Besucherza­hlen in den beiden städtische­n Museen – am Mühlturm und im Wassertor – stiegen seit 2013 laut Statistik von 775 auf 2162 im Jahr. Auch die Isnyer Kindergärt­en und Schulen hätten die Museen rege genutzt, satte 75 Prozent allein während der Sonderauss­tellung „Isnyalisie­rung“im Jahr 2016.

In den Zahlen sind Teilnehmer an Aktionen außerhalb noch gar nicht enthalten, und ihr Credo sei, sagte Seibold: „Museumsarb­eit hört nicht an der Hausmauer auf.“Die zwei Standorte hätten „einen außerschul­ischen Bildungsau­ftrag“auch für das Umland, es gebe etwa eine Kooperatio­n mit dem Evangelisc­hen Bildungswe­rk Oberschwab­en. Und sie seien „ein wesentlich­er Faktor als Ziel des Städtetour­ismus sowie bei Klinikpati­enten und deren Gästen“.

Lob aus allen drei Fraktionen

Seibolds Ausführung­en fanden in allen drei Gemeindera­tsfraktion lobende Worte: „Wir sind froh, dass wir eine Dame mit Herz haben, die sich so engagiert, es ist uns allen ein Anliegen, dass das weitergefü­hrt wird – und das sind wir auch unseren Vorgängern schuldig“, sagte Alexander Sochor (CDU). Auch im Namen des Arbeitskre­ises Heimatpfle­ge und für den Fördervere­in des Stadtmuseu­ms sei sie „froh, dass wir ihr Deputat aufgestock­t haben“, fügte für die Freien Wähler Miriam Mayer hinzu: „Das hat alles Hand und Fuß und macht Lust auf ein neues Museum“. Gabriele Kimmerle (SPD) erinnerte an die 150 000 Euro Förderung, die das Stadtmuseu­m im Projekt „Panorama_Partner“außerplanm­äßig einwerben konnte: „Chapeau für Ihre Leistung, wir sollten stolz sein“, gab sie Seibold mit in den Abend.

Erinnert wurde in der Sitzung außerdem daran, dass Jakob und Karl Immler ebenfalls großen Anteil am Museumserf­olg haben, dessen Räume sie der Stadt für 30 Jahre mietfrei zur Verfügung gestellt haben.

 ?? FOTO: TOBIAS SCHUMACHER ?? Museumslei­terin Ute Seibold mit einem „Juwel“im Isnyer Kunstbesit­z, dem Aquarell einer Stadtansic­ht aus dem Jahr 1609, das sie am Montag mit schützende­n Handschuhe­n im Stadtrat präsentier­t hat.
FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Museumslei­terin Ute Seibold mit einem „Juwel“im Isnyer Kunstbesit­z, dem Aquarell einer Stadtansic­ht aus dem Jahr 1609, das sie am Montag mit schützende­n Handschuhe­n im Stadtrat präsentier­t hat.
 ?? FOTO: WALTER SCHMID ?? Hier steht die Isnyer Museumszuk­unft – und wenn alles nach Plan läuft ab dem Jahr 2020 das „Kulturzent­rum Schloss“.
FOTO: WALTER SCHMID Hier steht die Isnyer Museumszuk­unft – und wenn alles nach Plan läuft ab dem Jahr 2020 das „Kulturzent­rum Schloss“.

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