Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Theresa May entschuldigt sich für schiefgelaufene Parlamentswahl
Beim Parteitag der konservativen Tories wird das schwierige Thema Brexit in den Reden möglichst ausgeklammert
LONDON - Mit günstigeren Preisen für Strom und Gas sowie Zehntausenden neuen Sozialwohnungen wollen die britischen Konservativen verloren gegangene Popularität zurückgewinnen. In ihrer von mehreren Hustenanfällen sowie einem Komödianten unterbrochenen Rede zum Abschluss des Parteitags in Manchester versprach die erkältete Premierministerin Theresa May am Mittwoch, sie und ihre Minderheitsregierung würden „unsere Pflicht für Großbritannien“tun. „Wir werden uns um die Jobsicherheit der Bürger kümmern, nicht um unsere eigene“, sagte die angeschlagene Regierungschefin in Anspielung auf Außenminister Boris Johnson, der zuletzt mehrfach Mays Autorität infrage gestellt hatte.
Das viertägige Jahrestreffen war überschattet vom Ergebnis der Unterhauswahl im Juni. Der von May vorzeitig anberaumte Urnengang brachte der seit 15 Monaten amtierenden Premierministerin nicht den erhofften Erdrutschsieg, sondern trotz Stimmenzuwachs empfindliche Mandatsverluste. Sie sei für den „zu hölzernen und zu präsidialen Wahlkampf“verantwortlich, räumte May ein: „Das tut mir leid.“
Ihren verzagt wirkenden Delegierten versuchte die Tory-Chefin mit heftigen Angriffen auf Oppositionsführer Jeremy Corbyn Mut zu machen. Dessen geplante Verstaatlichung von Eisenbahn und Energieversorgern sei unbezahlbar. Allerdings blieb der Beifall spärlich. Hingegen hatten die Labour-Delegierten vor Wochenfrist ihren Chef mit minutenlangen Gesängen gefeiert. Labour hatte im Juni zehn Prozent der Stimmen sowie eine Reihe von Mandaten dazugewonnen; in den Umfragen liegt die Oppositionspartei mit 43:39 Prozent vor den Torys.
Mehrfach reicherte die als kühl und unnahbar geltende May ihre gut einstündige Rede mit persönlichen Details an. Um die Torys als Partei der sozialen Aufsteiger zu kennzeichnen, erzählte sie von ihrer Großmutter, die als Dienstmagd gearbeitet habe. „Unter ihren Enkelkindern sind drei Professoren und eine Premierministerin.“Jede Generation setze sich dafür ein, dass es der nächsten besser gehen solle. Diesen Ehrgeiz teile sie voll und ganz, obwohl „Philip und ich nicht mit Kindern gesegnet wurden“, sagte die 61-Jährige, die seit 37 Jahren mit einem Banker verheiratet ist.
Details über die versprochenen sozialen Wohltaten blieb May schuldig. Ihre Regierung werde in diesem Herbst ein neues Gesetz im Parlament einbringen, das die Energiepreise für sozial Schwache deckeln soll. Den sozialen Wohnungsbau haben Regierungen unterschiedlicher Couleur seit drei Jahrzehnten vernachlässigt. May beließ es bei Appellen an die Baubranche. Außerdem will die Regierung ein Programm, das kaufwilligen jungen Leuten zu Hauskrediten verhilft, auf zehn Milliarden Pfund aufstocken.
Über den Brexit sprach Theresa May erst nach 30 Minuten. Sie verwies auf ihre Rede in Florenz, in der sie der EU erstmals finanzielles Entgegenkommen versprochen hatte. Ausdrücklich wandet sich die Premierministerin an die gut drei Millionen EU-Bürger auf der Insel: „Sie sind willkommen. Wir möchten, dass Sie bleiben.“
Die wenigen Sätze über das wichtigste Thema britischer Politik spiegelten die Parteitagsregie wider. Da die Konservativen auch 16 Monate nach dem Referendum noch vollkommen uneins darüber sind, wie und in welchen Etappen der EU-Austritt vollzogen werden soll, wurde das Thema in den Reden der Minister weitgehend ausgeblendet. Hingegen waren alle Brexit-Veranstaltungen am Rande der Zusammenkunft brechend voll.
Dass die erkältete Rednerin durchhielt, nötigte selbst politischen Kontrahenten Respekt ab: Die „tapfere Premierministerin“halte durch, teilte Vincent Cable von den Liberaldemokraten mit, „während ihre Minister unverhohlen gegen sie konspirieren“.