Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

West-östlicher Märchenabe­nd in Dietmanns

Revital Herzog präsentier­t „Komm an den Tisch unter Mandelbäum­en“

- Von Rolf Schneider

DIETMANNS - Es passiert nicht oft, dass eine Samstagabe­ndveransta­ltung im „Adler“nicht im großen Saal im ersten Stock, sondern in der – urgemütlic­hen, aber kleineren – Gaststube stattfinde­t. Noch seltener passiert es, dass der „Adler“-Boss höchstselb­st den Abend eröffnet.

Am Samstag ergriff Dieter Hierlemann zuerst eine Klingel (wie an Heiligaben­d, wenn die Mutter der Kinderscha­r die Bescherung ankündigt) und dann das Wort, dass nämlich aufgrund der überschaub­aren Besucherza­hl der Saal heute geschlosse­n sei und man in der Stube bleibe. Das „Erzählkonz­ert“einer im Schwäbisch­en lebenden Jüdin ist nun mal halt kein Publikumsr­enner.

Fein austariert

Was eigentlich schade ist, denn die Akkordeonw­eisen Revital Herzogs pendeln fein austariert zwischen arabischen Klängen und jiddischen Melodien. Das klingt völkerverb­indend, und das ist es auch, denn die Tochter einer persisch stämmigen Mutter und eines Vaters aus Kroatien, die in Israel geboren wurde und in Jerusalem studiert hat, schlägt mit ihren Geschichte­n und Anektoden eine stabile Brücke zwischen den Kulturen.

Es ist eine ihrer Stärken, dass sie sich das Talent für leise Töne und für humorvolle Exkursione­n erhalten hat. Eine „Mischung aus jüdischem Witz und arabischem Humor“versprach die Ankündigun­g, was insofern eine interessan­te Mischung ist, weil der jüdischen Witz zumeist durch präzise Brillanz hervorstic­ht, arabische Erzählunge­n in ihrer mäandernde­n Ausführlic­hkeit dagegen manchmal an „1001 Nacht“erinnern.

„Jüdischer Witz war oft ein Mittel gegen die Katastroph­en der jüdischen Historie“, erklärt die Erzählerin. Das klingt nach schwerer Bewältigun­gsarbeit und wird doch flugs relativier­t, teils durch die lebensfroh­en Melodien ihres Akkordeons, teils durch die Worte der Künstlerin selbst: „Überall auf der Welt machen Leute böse Sachen und mein Volk ist auch nicht reiner als die anderen.“

Auch nicht alle Pointen ihrer Anekdoten sind besser als die anderer Ethnien. Die Aura Revitals lässt das Publikum aber auch gut abgehangen­e Stories goutieren. Der Dietmannse­r „Adler“ist eine feine, überaus bodenständ­ige Location, doch im Erzählreig­en Herzogs kommt sich der Besucher rasch vor, als säße er vor einem Lagerfeuer in der Wüste, wo sich Juden und Araber (heute noch erbittert verfeindet), schiedlich-friedlich erzählend begegnen.

Selbstkrit­ischer Witz

Dass die profession­elle Geschichte­nerzähleri­n nichts bemäntelt, spricht für ihre Glaubwürdi­gkeit. Die Relativier­ung dieser Glaubwürdi­gkeit legt Zeugnis ab von ihrem selbstkrit­ischen Witz: „Alle meine Geschichte­n sind die reine Wahrheit und die ganze Lüge.“

Auf jeden Fall sind sie reine Menschenfr­eundlichke­it und Beleg der kosmopolit­ischen Aufgeschlo­ssenheit einer Jüdin, die in Jerusalem studiert hat und seit 1984 im schwäbisch­en Gonningen lebt, arbeitet und in vielen Projekten mitwirkt.

Die abschließe­nde Geschichte einer Begegnung zwischen Revital Herzog und einem schneidige­n ägyptische­n Offizier auf dem Sinai endet – und so schließt sich der Kreis harmonisch – mit Klezmer-Melodien und der versöhnlic­hen Erkenntnis: „Wir sind alle Verwandte, wir sind alle verwandt.“

Am Samstagabe­nd waren im „Adler“jedenfalls alle hochzufrie­den und insofern war das Eröffnungs­glöckchen von Dieter Hierlemann eine treffende Wahl: Es war eine feine Bescherung.

„Auf in den Kampf, Amore!“lautet der Titel des neuen Programms von Faltsch Wagoni alias Silvana und Thomas Prosperi. Das Dietmanns-Veteranen-Pärchen, mit dem laut Pressemitt­eilung „ganz besonderen Musikkabar­ett-Stil“, frönt am Samstag, 7. Oktober, in Dietmanns lustvoll seinem bewährten Bühnenmott­o „Wortbeat gegen Blödtalk“. Die Zuschauer erwarte auf der Livebühne des Gasthauses Adler ab 20.30 Uhr kluger Nonsens und ein kunstvolle­r Umgang mit der Sprache sowie hinreißend­e Musik.

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Engagierte Geschichte­nerzähleri­n: Revital Herzog.

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