Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Lokaler Dialog anstatt großer Politik
Deutsch-türkische Teestunde beleuchtet Alltagsfragen – Vorstandswechsel im Moscheeverein
LEUTKIRCH - „Es war reichlich Besuch da“, sagt zu Beginn der deutschtürkischen Teestunde in der Moschee in der Ottmannshofer Straße Ali Kaplan, der seit wenigen Monaten an der Spitze des Trägervereins der Einrichtung steht. Er meint damit den „Tag der offenen Moschee“, der am 3. Oktober auch in Leutkirch wieder angeboten worden ist. Am Abend danach ist der Kreis der Gäste überschaubar, dafür werden konkret Details des Zusammenlebens der verschiedenen Kulturen in der Stadt erörtert. Auch der Begriff Heimat kommt dabei auf.
Zu Beginn stellt Georg Zimmer, Ehrenvorsitzender der Leutkircher Heimatpflege und seit Jahren zusammen mit dem Förderverein Galluskapelle umtriebiger Initiator dieses schon traditionellen Gedankenaustauschs, eine Frage in den Raum: „Was machen wir hier?“Er gibt auch eine Antwort: „Hier soll nicht über die große Politik, hier soll über den örtlichen Dialog beraten werden.“Zimmer hebt so auf Alltagsfragen ab und erleichtert damit auch den Gastgebern deren Rolle. Erdogan? GülenBewegung? Ali Kaplan kommt so um zu sehr bohrende Nachfragen herum, wie der Leutkircher Verein einzuordnen ist in einer auf politisch höchster Ebene zuletzt sehr emotional geführten Debatte um Freiheiten, um die Sicherheit der in Deutschland lebenden Türken.
Wenig Argwohn
Zumindest Kaplan und sein Vorgänger Nezakettin Seyfi, der ihn jetzt als Stellvertreter unterstützt, wollen keinen übertrieben vorgebrachten Argwohn gegenüber den in Leutkirch lebenden türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ausgemacht haben. Auch innerhalb der Gemeinde überwiege der Zusammenhalt. Andere Informanten dagegen wollen sehr wohl Zerwürfnisse in der türkischen Gemeinde erkannt haben.
Dieser Abend führt auch Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche und die neue Integrationsbeauftragte der Stadt Leutkirch, Petra Angele, am großen Besprechungstisch in der Küche in der Moschee zusammen. Zimmer verweist darauf, dass der türkischen Gemeinde in Leutkirch nicht nur Sympathie entgegengebracht worden sei, als sie vor Ort Fuß zu fassen versuchte. Den ersten Gebetsraum richtete sie auch schon in der Ottmannshofer Straße, unweit des heutigen Gebäudes ein. Am 5. Mai 1986 war damals aber auch in einem Artikel der „Schwäbischen Zeitung“zu lesen, dass Fensterscheiben eingeworfen worden seien. Nezakettin Seyfi nickt nur, schon damals gehörte er dem Vorstand des Vereins an.
Insofern hat sich viel Positives getan seit diesen Spannungen im Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen. Was ist Heimat? Zimmer wirbt für eine Integrationspolitik, vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbetreuung aktueller denn je, „ererbte Kulturen nicht zu negieren, es geht nicht um Gleichmacherei.“Religionen müssten Toleranz pflegen und vorleben. Ein Beispiel dafür sei, dass auf der Kapelle auf dem Winterberg auch schon Vertreter der drei abrahamischen Religionen, Christen, Juden, Moslems, zusammengefunden hätten. Noch immer gilt die erste deutsch-türkische Kulturwoche aus dem Oktober 2008 als Beleg dafür, dass Leutkirch nicht das schlechteste Pflaster dafür ist, in der vermeintlich kleinen Welt des Allgäus auch große Konflikte gemeinsam zu diskutieren.
Dieses Miteinander lässt an diesem Abend kulinarische Aspekte nicht aus. Leyla Kaplan erläutert die Rezeptur der Süßspeise „Asure“, die aus mindestens sieben Zutaten besteht und nach der islamischen Zeitrechnung am 10. Tag des Monats Dai zubereitet und an mindestens sieben Nachbarn und Freunde verteilt werde. Daraus abzulesen sei auch der Gedanke des Helfens und der Solidarität mit jenen, denen es nicht so gut geht.
Harter Themenwechsel
Vom Essen zum Sterben. Die Themen dieser Runde werden nicht nach einer sorgfältig vorbereiteten Tagesordnung abgerufen. Schon vor Jahresfrist ist in dem Gremium die Bestattungskultur als Herausforderung für die Zukunft angesprochen worden. Passiert sei in Leutkirch seither noch nicht sehr viel. Bestatter Stefan Gredler weiß darum, dass auf dem Waldfriedhof ein Areal ausgewiesen sei, das zufällig auch nach Osten ausgerichtet sei. Das könne eine Chance für muslimische Familien sein, ihre Toten auch in Leutkircher Boden angemessen zu bestatten. „Wir müssen auch für diese einen Ort der Trauer schaffen“, sagt Georg Zimmer. Die Nachfolgegenerationen türkischer Einwanderer hätten nicht mehr einen so starken Bezug zum Herkunftsort ihrer Vorfahren. Für die Vertreter der christlichen Kirchen ist diese Argumentation kein Problem. Ali Kaplan wird an diesem Abend ermutigt, dieses hochsensible Thema in der Kommunalpolitik vorzubringen – zumindest in der Verwaltung.
Aktuell, auch das ist am Mittwochabend von Ali Kaplan bestätigt worden, fehlt aber dem Leutkircher Moschee-Verein noch ein Imam. Der bisherige Vorbeter ist demnach nach Herrenberg versetzt worden. Ein Nachfolger werde aber bald bestimmt sein und in Leutkirch eintreffen. „Aber wir wissen nicht, ob er alleine kommt, ob mit Frau oder mit Kindern.“
Pastoralreferent Benjamin Sigg von der katholischen Kirche St. Martin meint dazu in launigem Ton: „Das könnte bei uns nicht passieren.“