Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Wir bauen konfessionelle Mauern ab“
Theodor Pindl über die ökumenische Aktion „Gemeinsam an einem Tisch“am 8. Oktober
RAVENSBURG - Jahrhundertelang haben sich Katholiken und Protestanten gehasst, bekämpft und gemieden. Heute herrscht zwischen den Konfessionen größtenteils Akzeptanz und Toleranz. Damit die Gemeinschaft weiter gefestigt wird, haben die Kirchen in Ravensburg etwas Einmaliges vor: Am Sonntag, 8. Oktober, laden sie zu der Aktion „Brot und Wein – gemeinsam an einem Tisch“ein und unterzeichnen zusammen eine Erklärung. Jasmin Bühler hat mit Organisator Theodor Pindl darüber gesprochen, warum eine Kooperation zwischen den Kirchen längst überfällig ist, was die Ravensburger Erklärung für die Zukunft bedeutet und wie sich die Bürger daran beteiligen können.
Herr Pindl, was genau hat es mit der Aktion „Brot und Wein – gemeinsam an einem Tisch“auf sich?
In vielen gesellschaftlichen Bereichen verhalten sich Christen vorbildlich – zum Beispiel bei der Flüchtlingsarbeit. Aber Gastfreundschaft muss auch zwischen den Konfessionen konkret gelebt werden und erlebbar sein, wir müssen sie auch untereinander praktizieren. Ein erster Schritt ist, dass wir uns wechselseitig zu Kommunion und Abendmahl einladen. Der gemeinsame Tisch ist hierfür das sichtbare Symbol. Und gerade im Jubiläumsjahr der Reformation ist das ein wichtiger Schritt aufeinander zu.
Der Schritt ist für die Katholiken wohl größer als für die Protestanten, weil sie dem gemeinsamen Abendmahl kritischer gegenüberstehen.
Das bedeutet durchaus eine Öffnung für die katholische Kirche. Es zeigt, dass sie im 21. Jahrhundert angekommen ist. Es geht dabei auch um Glaubwürdigkeit: Denn es ist widersprüchlich, wenn sie beispielsweise Flüchtlingen hilft, aber mit den eigenen Brüdern und Schwestern Brot und Wein nicht teilen will. Und die Kirchen entwickeln sich weiter: Denn wir sind alle – ob evangelisch oder katholisch – auf Reform, auf Veränderung „geeicht“. Nicht Stillstand, sondern Wandel ist unsere Magna Charta.
In Ravensburg hat das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten schon immer recht gut geklappt. Braucht es hier überhaupt noch eine Verbesserung?
Ravensburg hat eine einzigartige Geschichte, die die Konfessionen verbindet. Ein Beispiel hierfür ist die Evangelische Stadtkirche, die bis Anfang des 19. Jahrhunderts von beiden Konfessionen paritätisch genutzt wurde. Mit unserer Aktion knüpfen wir auch an diese Tradition an, wollen aber nicht dabei stehen bleiben, sondern weitergehen.
Und was heißt das?
Das bedeutet, wir müssen den Reichtum und die Vielfalt unserer konfessionellen Traditionen schätzen, uns aber gleichzeitig bewusst sein, dass wir uns deswegen nicht weniger aufeinander zubewegen sollten. Konfessionelle Abschottung führt in spirituelle Armut. Unsere Aktion ist ein Impuls und eine Ermutigung für eine Kirche mit offenen Türen. Wir wollen uns wechselseitig zu Kommunion und Abendmahl einladen und endlich die konfessionellen Mauern abbauen. Denn 500 Jahre Trennung sind genug.
Wie haben die Kirchen auf die Idee zur Aktion reagiert?
Die Idee eines gemeinsamen Tisches wurde in den Ravensburger Kirchen positiv und zum Teil auch begeistert aufgenommen – übrigens nicht nur von Kirchennahen, sondern auch von Kirchenfernen. Bestes Zeichen dafür ist, dass von den 160 Tischen im Vorfeld bereits 140 reserviert wurden. Die starke Resonanz zeigt, dass viele Menschen sich mit dem Anliegen identifizieren. Sie wünschen sich, dass noch mehr zusammenwächst, was zusammengehört.
Wenn schon so viele Tische reserviert sind, können Besucher noch spontan dazustoßen?
Auf jeden Fall. Wir rechnen mit zahlreichen Besuchern und laden jeden Bürger dazu ein vorbeizukommen. Wenn es eng wird, rücken wir zusammen. Das Motto ist schließlich: „Vom Trennen zum Teilen“.
Nach dem gemeinsamen Essen werden die Kirchen eine Erklärung unterschreiben. Was ist ihr Zweck?
Wir wollen nichts im Ungefähren lassen, sondern deutlich machen, dass wir hier vor Ort damit beginnen, einander „offen und herzlich zu Kommunion und Abendmahl einzuladen“, wie es in der Erklärung heißt. Zwar ist die wechselseitige Gastfreundschaft bei Abendmahl und Eucharistie schon vielfach und seit vielen Jahren bewährte Praxis in den Kirchengemeinden – allerdings nicht überall und schon gar nicht offiziell. So gibt es durchaus Pfarreien, in denen der Priester keine Einladung ausspricht oder evangelische Christen gar von der Kommunion ausschließt. Das hängt damit zusammen, dass das katholische Kirchenrecht eine offizielle Einladung immer noch verbietet. Damit muss endlich Schluss sein.
Ob die Ravensburger Erklärung tatsächlich etwas verändert, wird sich erst im Alltag zeigen, oder nicht?
Ja, das stimmt. Es ist eine Herausforderung, die im Alltag Anwendung finden muss. Für bikonfessionelle Familien ist die Erklärung sicherlich ein Hoffnungszeichen, denn nach katholischer Lehre dürfen die evangelischen Familienmitglieder nicht zur Kommunion zugelassen werden. Für Christen – und übrigens auch für Nichtchristen oder solche, die in Distanz zu ihren Kirchen geraten sind – kann die Aktion das Bewusstsein schärfen, worauf es Christen im Kern ankommt: das Leben miteinander und mit allen Menschen teilen.