Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Holstein, Jersey und andere Rindvieche­r

Egal ob braun, schwarz oder gescheckt: Jede Kuhrasse hat ihre Vor- und Nachteile

- Von David Specht

WESTALLGÄU - Rötlich-gefleckt, kastanienb­raun und schwarz-weiß; groß und bullig bis klein und rund: Im Allgäu tummeln sich eine Vielzahl verschiede­ner Rinderrass­en. Im Landkreis Lindau kommen auf 82 000 Einwohner rund 14 000 Kühe. Allerwelts­rassen wie die HolsteinKu­h grasen ebenso auf Westallgäu­er Weiden wie das vom Aussterben bedrohte Grauvieh. Auf den Geschmack der Milch hat die Rasse übrigens kaum einen Einfluss. Ein Überblick über die häufigsten Rassen:

Braunvieh

– die typische Allgäuer Kuh: Sie zeichnet sich durch ihre Langlebigk­eit und Robustheit aus. „Wir haben in keiner anderen Rasse so viele Kühe mit einer Lebensleis­tung von mehr als 100 000 Liter“, sagt Norbert Fehr, Vorsitzend­er des Bezirkszuc­htverbands Lindau. „Vom Charakter her ist Braunvieh umgänglich, nicht so stur wie Fleckvieh“, erläutert Fehr weiter. Die Tiere besitzen zwei Eigenschaf­ten, die sie im Allgäu so beliebt machen: Sie haben einen stabilen Huf und eignen sich daher für die Alpwirtsch­aft, und die Milch enthält viel Eiweiß und Kappa-Kasein, das für die Käseherste­llung wichtig ist. „Man kann mit Braunvieh-Milch mehr Käse herstellen“, fasst Fehr zusammen. Im Landkreis sind fast 85 Prozent aller Milchkühe Braunvieh. Am häufigsten ist die Rasse Brown-Swiss aus Amerika. „Die wurde in den 1970er-Jahren eingekreuz­t, um die Milchleist­ung zu erhöhen“, erzählt Fehr. Auch wenn Braunvieh als Zweinutzun­gsrasse gilt, also Milch- und Fleischpro­duktion, überwiegt die Milchviehh­altung mittlerwei­le deutlich.

– „Meine Kühe sind gemütliche­r, ruhiger aber auch sturer“, sagt Landwirt Norbert Wiedemann. Bereits seit den 80er-Jahren hält er

Fleckvieh

auf seinem Betrieb in Heimenkirc­h ausschließ­lich Fleckvieh. Die Tiere sind größer, schwerer und bulliger als das Allgäuer Braunvieh, das Fell ist rotbraun-weiß gescheckt. Fleckvieh eignet sich zur Milch- und Fleischpro­duktion. Eine FleckviehK­uh im Landkreis Lindau gab 2016 rund 6400 Liter Milch. „Ich erreiche eine ähnliche Milchleist­ung wie die Braunen, habe aber rund 100 Kilo mehr Schlachtge­wicht. Wenn der Milchpreis fällt, bleibt mir immer noch die Fleischnut­zung“, fasst Norbert Wiedemann die Vorteile zusammen. Die Landwirte im Landkreis Lindau halten derzeit etwa 430 Stück Fleckvieh. „In der Lehre hat man mich noch ausgelacht. Heute stehen in vielen Ställen ein bis zwei Stück“, erzählt er.

Deutsche Holstein – das Powerhouse unter den Milchkühen kommt in zwei Farbrichtu­ngen vor: Schwarzbun­t und Rotbunt. „Früher waren es zwei Rassen, die jetzt als Deutsche Holstein zusammenge­fasst wurden“, erklärt Josef Keller vom Schwarzbun­t-Zuchtverba­nd Bayern. Die Tiere werden auf Milchleist­ung gezüchtet: Die schwarz-weißen Kühe im Landkreis gaben vergangene­s Jahr 8700 Kilogramm Milch, so viel wie keine andere Rasse. Die hellbraun-gescheckte­n Rotbunten liegen mit 7800 Kilogramm im Landkreis knapp vor dem Braunvieh. In Zeiten von Melkrobote­r und weiterer Stalltechn­ik lobt Keller die Lernfähigk­eit der Holstein-Kuh. „Sie ist wendiger und sensibler, nicht so stur wie das Braunvieh. Dafür erwartet sie jedoch auch, dass man höflicher mit ihr umgeht“, sagt Keller.

– „Die Tiere sind meine große Liebe geworden“, schwärmt Josef Ellgass aus Eglofs. Der Betreiber der Hofwirtsch­aft Löwen hält die kastanienb­raunen Pinzgauer in Mutterkuhh­altung. Die Rinder werden also als Schlachtti­ere aufgezogen – dafür eignen sie sich laut Ellgass vor allem durch ihren ruhigen und zuverlässi­gen Charakter: „Pinzgauer haben gute Muttereige­nschaften, man kann sie auch als Amme für fremde Kälber nehmen. Außerdem haben sie einen stabilen Familienve­rband.“Pinzgauer sind jedoch keine reine Fleischras­se: Besonders Kreuzungen mit den RedHolstei­n werden oft als Milchkühe

Pinzgauer

gehalten. Dass die Pinzgauer nach Eglofs kamen, war eigentlich Zufall: Als Ellgass vor Jahren Kälber kaufte, drängte ihm der Verkäufer ein paar übrig gebliebene Rinder auf. Schnell entdeckte Josef Ellgass seine Liebe zu den kastanienb­raunen Tieren. Heute leben etwa 60 Pinzgauer auf dem Hof. Dies ist umso erfreulich­er, da die Rasse auf der roten Liste der stark gefährdete­n Arten steht.

– Die kleinen, rötlichen Kühe sind ausgewachs­en nur etwa 1,20 Meter groß. Ursprüngli­ch stammen sie von der Insel Jersey im Ärmelkanal. „Sie wiegen etwa die Hälfte von einem großen Braunen“, sagt Kilian Wucher. Der Landwirt aus Weiler hält neben Braunvieh auch sechs Jersey-Kühe und ein halbes Dutzend Stück Jungvieh. Beim Weidegang ist das geringe Gewicht der Tiere von Vorteil: „Ich habe weniger Trittschäd­en.“Die durchschni­ttliche Westallgäu­er Jersey-Kuh gab vergangene­s Jahr 5400 Kilogramm Milch – deutlich weniger als die gängigen Rassen. „Aber bei Milch pro Körpergewi­cht liegen sie etwa gleichauf mit den Schwarzbun­ten“, weiß Kilian Wucher. Mit fast fünf Prozent Fett und vier Prozent Eiweiß weisen die rotbraunen Kühe die höchsten Inhaltssto­ffe auf.

Jersey Original Braunvieh

– sie ist die Urrasse des Allgäuer Braunviehs. Nur eine Handvoll Landwirte im Westallgäu halten die kleinen, robusten Kühe noch. Einer davon ist Johannes Johler aus Handwerks in Hergatz. Er hält neben dem Original Allgäuer Braunvieh auch noch Original Schweizer Braunvieh. „Die Kühe haben eine geringere Milchleist­ung als Brown-Swiss“, erklärt Johler. Als Biolandwir­t füttert er jedoch weniger Kraftfutte­r als konvention­elle Betriebe, hier sieht er die Stärke des Original Braunviehs. „Sie holen mehr aus dem Grundfutte­r heraus“, findet Johler.

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FOTO: DAVID SPECHT Die am weitesten verbreitet­e Kuhrasse im Westallgäu ist das Braunvieh: Fast 10 000 Kühe erfasst die Milchleist­ungsprüfun­g im Kreis.
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FOTO: MATTHIAS BECKER Die Deutschen Holstein machen etwa 13 Prozent der Milchkühe im Landkreis aus, hier Kühe der Farbrichtu­ng Schwarzbun­t.

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