Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Holstein, Jersey und andere Rindviecher
Egal ob braun, schwarz oder gescheckt: Jede Kuhrasse hat ihre Vor- und Nachteile
WESTALLGÄU - Rötlich-gefleckt, kastanienbraun und schwarz-weiß; groß und bullig bis klein und rund: Im Allgäu tummeln sich eine Vielzahl verschiedener Rinderrassen. Im Landkreis Lindau kommen auf 82 000 Einwohner rund 14 000 Kühe. Allerweltsrassen wie die HolsteinKuh grasen ebenso auf Westallgäuer Weiden wie das vom Aussterben bedrohte Grauvieh. Auf den Geschmack der Milch hat die Rasse übrigens kaum einen Einfluss. Ein Überblick über die häufigsten Rassen:
Braunvieh
– die typische Allgäuer Kuh: Sie zeichnet sich durch ihre Langlebigkeit und Robustheit aus. „Wir haben in keiner anderen Rasse so viele Kühe mit einer Lebensleistung von mehr als 100 000 Liter“, sagt Norbert Fehr, Vorsitzender des Bezirkszuchtverbands Lindau. „Vom Charakter her ist Braunvieh umgänglich, nicht so stur wie Fleckvieh“, erläutert Fehr weiter. Die Tiere besitzen zwei Eigenschaften, die sie im Allgäu so beliebt machen: Sie haben einen stabilen Huf und eignen sich daher für die Alpwirtschaft, und die Milch enthält viel Eiweiß und Kappa-Kasein, das für die Käseherstellung wichtig ist. „Man kann mit Braunvieh-Milch mehr Käse herstellen“, fasst Fehr zusammen. Im Landkreis sind fast 85 Prozent aller Milchkühe Braunvieh. Am häufigsten ist die Rasse Brown-Swiss aus Amerika. „Die wurde in den 1970er-Jahren eingekreuzt, um die Milchleistung zu erhöhen“, erzählt Fehr. Auch wenn Braunvieh als Zweinutzungsrasse gilt, also Milch- und Fleischproduktion, überwiegt die Milchviehhaltung mittlerweile deutlich.
– „Meine Kühe sind gemütlicher, ruhiger aber auch sturer“, sagt Landwirt Norbert Wiedemann. Bereits seit den 80er-Jahren hält er
Fleckvieh
auf seinem Betrieb in Heimenkirch ausschließlich Fleckvieh. Die Tiere sind größer, schwerer und bulliger als das Allgäuer Braunvieh, das Fell ist rotbraun-weiß gescheckt. Fleckvieh eignet sich zur Milch- und Fleischproduktion. Eine FleckviehKuh im Landkreis Lindau gab 2016 rund 6400 Liter Milch. „Ich erreiche eine ähnliche Milchleistung wie die Braunen, habe aber rund 100 Kilo mehr Schlachtgewicht. Wenn der Milchpreis fällt, bleibt mir immer noch die Fleischnutzung“, fasst Norbert Wiedemann die Vorteile zusammen. Die Landwirte im Landkreis Lindau halten derzeit etwa 430 Stück Fleckvieh. „In der Lehre hat man mich noch ausgelacht. Heute stehen in vielen Ställen ein bis zwei Stück“, erzählt er.
Deutsche Holstein – das Powerhouse unter den Milchkühen kommt in zwei Farbrichtungen vor: Schwarzbunt und Rotbunt. „Früher waren es zwei Rassen, die jetzt als Deutsche Holstein zusammengefasst wurden“, erklärt Josef Keller vom Schwarzbunt-Zuchtverband Bayern. Die Tiere werden auf Milchleistung gezüchtet: Die schwarz-weißen Kühe im Landkreis gaben vergangenes Jahr 8700 Kilogramm Milch, so viel wie keine andere Rasse. Die hellbraun-gescheckten Rotbunten liegen mit 7800 Kilogramm im Landkreis knapp vor dem Braunvieh. In Zeiten von Melkroboter und weiterer Stalltechnik lobt Keller die Lernfähigkeit der Holstein-Kuh. „Sie ist wendiger und sensibler, nicht so stur wie das Braunvieh. Dafür erwartet sie jedoch auch, dass man höflicher mit ihr umgeht“, sagt Keller.
– „Die Tiere sind meine große Liebe geworden“, schwärmt Josef Ellgass aus Eglofs. Der Betreiber der Hofwirtschaft Löwen hält die kastanienbraunen Pinzgauer in Mutterkuhhaltung. Die Rinder werden also als Schlachttiere aufgezogen – dafür eignen sie sich laut Ellgass vor allem durch ihren ruhigen und zuverlässigen Charakter: „Pinzgauer haben gute Muttereigenschaften, man kann sie auch als Amme für fremde Kälber nehmen. Außerdem haben sie einen stabilen Familienverband.“Pinzgauer sind jedoch keine reine Fleischrasse: Besonders Kreuzungen mit den RedHolstein werden oft als Milchkühe
Pinzgauer
gehalten. Dass die Pinzgauer nach Eglofs kamen, war eigentlich Zufall: Als Ellgass vor Jahren Kälber kaufte, drängte ihm der Verkäufer ein paar übrig gebliebene Rinder auf. Schnell entdeckte Josef Ellgass seine Liebe zu den kastanienbraunen Tieren. Heute leben etwa 60 Pinzgauer auf dem Hof. Dies ist umso erfreulicher, da die Rasse auf der roten Liste der stark gefährdeten Arten steht.
– Die kleinen, rötlichen Kühe sind ausgewachsen nur etwa 1,20 Meter groß. Ursprünglich stammen sie von der Insel Jersey im Ärmelkanal. „Sie wiegen etwa die Hälfte von einem großen Braunen“, sagt Kilian Wucher. Der Landwirt aus Weiler hält neben Braunvieh auch sechs Jersey-Kühe und ein halbes Dutzend Stück Jungvieh. Beim Weidegang ist das geringe Gewicht der Tiere von Vorteil: „Ich habe weniger Trittschäden.“Die durchschnittliche Westallgäuer Jersey-Kuh gab vergangenes Jahr 5400 Kilogramm Milch – deutlich weniger als die gängigen Rassen. „Aber bei Milch pro Körpergewicht liegen sie etwa gleichauf mit den Schwarzbunten“, weiß Kilian Wucher. Mit fast fünf Prozent Fett und vier Prozent Eiweiß weisen die rotbraunen Kühe die höchsten Inhaltsstoffe auf.
Jersey Original Braunvieh
– sie ist die Urrasse des Allgäuer Braunviehs. Nur eine Handvoll Landwirte im Westallgäu halten die kleinen, robusten Kühe noch. Einer davon ist Johannes Johler aus Handwerks in Hergatz. Er hält neben dem Original Allgäuer Braunvieh auch noch Original Schweizer Braunvieh. „Die Kühe haben eine geringere Milchleistung als Brown-Swiss“, erklärt Johler. Als Biolandwirt füttert er jedoch weniger Kraftfutter als konventionelle Betriebe, hier sieht er die Stärke des Original Braunviehs. „Sie holen mehr aus dem Grundfutter heraus“, findet Johler.