Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vorwürfe gegen ÖVP-Kandidat Kurz

Konservati­ver Favorit könnte selbst in Schlammsch­lacht im österreich­ischen Wahlkampf verwickelt sein

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Die Anfang der Woche aufgedeckt­e Schmutzkam­pagne im österreich­ischen Wahlkampf hat sich am Freitag dramatisch zugespitzt. Ein Insider erhebt schwere Vorwürfe gegen Spitzenkan­didaten und Außenminis­ter Sebastian Kurz. Der aussichtsr­eiche Kandidat der konservati­ven ÖVP für die Wahl am 15. Oktober scheint nicht nur Opfer der Schmuddelk­ampagne gewesen zu sein, die angeblich von den Sozialdemo­kraten (SPÖ) gegen ihn lanciert wurde. Die ÖVP selbst soll mit jenem Mann im Geschäft gewesen sein, der als Schlüsself­igur hinter den antisemiti­sch gefärbten Facebook-Seiten gegen Kurz gilt.

Es ist der PR-Berater Peter Puller, führendes Mitglied der Mannschaft des von der SPÖ engagierte­n internatio­nalen Kampagnene­xperten Tal Silberstei­n. Puller bestätigte zunächst gegenüber Medien, Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Christian Kern habe nichts davon gewusst, dass das Team Silberstei­n nach dessen Entlassung eigenmächt­ig die Anti-Kurz-Kampagne auf Facebook betrieben habe. Sinn der FacebookSc­hmutzkampa­gne sei es gewesen, so Puller, bestimmte Gruppen von Kurz-Wählern zu testen. Bezahlt wurden die Mitarbeite­r von Silberstei­ns Agentur GCS. Nach dessen Verhaftung in Israel Mitte August hat die SPÖ das Vertragsve­rhältnis vorzeitig gekündigt.

100 000 Euro für Informatio­nen

Am Donnerstag­abend rückte Puller dann mit brisanten Details heraus. Journalist­en erzählte er, ein Pressespre­cher von Kurz habe ihm im vergangene­n Juli in dessen Büro 100 000 Euro geboten, wenn er regelmäßig Informatio­nen über die SPÖ-Wahlkampag­ne preisgebe. Auch habe er ihn überreden wollen, die Seite zu wechseln. „Ich bin auf das Angebot nicht eingegange­n, kann das aber für andere nicht ausschließ­en“, wird Puller in der Tageszeitu­ng „Die Presse“zitiert.

Kurz-Sprecher Gerald Fleischman­n bestätigte das Treffen mit Puller, den er seit Jahren gut kennt, bestreitet aber, ihm ein Honorar für Spitzeldie­nste geboten zu haben. „Es gab seitens der Volksparte­i weder ein Angebot noch eine Zahlung an Silberstei­ns Geschäftsp­artner“, versichert­e er. Und weiter: „Tatsache ist, das Dirty Campaignin­g wurde von der SPÖ beauftragt, gesteuert und bezahlt.“Das Angebot einer möglichen Zusammenar­beit habe er Puller nur gemacht, um Beweise dafür zu sammeln, dass Silberstei­n im Auftrag der SPÖ „das Privatlebe­n von Kurz ausschnüff­eln lässt“.

Puller, der früher auch für die ÖVP gearbeitet hatte, hingegen erklärte im Radio, er könne seine Angaben mit SMS-Daten belegen und sei bereit, diese auch unter Eid zu bestätigen: „Die Initiative ging von Fleischman­n aus.“

Von Sebastian Kurz, dem amtierende­n Außenminis­ter, gab es in den letzten Tagen keine Wortmeldun­g dazu. Er befindet sich im Ausland. Am Freitag schickte er seine Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger vor die Presse: „Puller ist ein Politiksöl­dner, der für Geld alles macht, seine Anschuldig­ungen sind dreiste Lügen“, sagte sie, ohne allerdings konkrete Fakten zu bieten. Dass Kurz in dieser Affäre nicht ahnungslos ist, verriet er Anfang der Woche unabsichtl­ich selbst, als er sich in einer TV-Runde der Spitzenkan­didaten verplapper­te. Dabei sprach Kurz von „zwölf Mitglieder­n“des Silberstei­nTeams, das für die Schmutzkam­pagne gegen ihn verantwort­lich sei. Kanzler Kern entgegnete, er höre diese Zahl zum ersten Mal und lobte süffisant das „beachtlich­e Insiderwis­sen“seines Herausford­erers.

Inzwischen hat die SPÖ den Beraterver­trag mit Silberstei­n veröffentl­icht. Selbstrede­nd findet sich darin kein Wort über eine verdeckte Schmuddelk­ampagne gegen Kurz. „Weder im Vertrag noch in den Rechnungen gibt es einen Hinweis dazu“, versichert der neue Generalsek­retär Christoph Maznetter, der mit der parteiinte­rnen Untersuchu­ng der Hintergrün­de befasst ist. Vereinbart worden seien im Oktober 2016 strategisc­he Planung, Umfragen, Trainings für Medienauft­ritte und mehr. Dafür habe die SPÖ laut Maznetter 536 000 Euro an die Silberstei­n-Agentur bezahlt. Da die Arbeit vorzeitig beendet wurde, fordere man jetzt rund 20 Prozent des Honorars zurück.

Am Freitag kündigten sowohl SPÖ als auch ÖVP an , Anzeige gegen die jeweils andere Partei zu erstatten. Die einander widersprec­henden Aussagen sollen nun vor Gericht geklärt werden. Endgültige Klarheit ist demnach vor der Wahl wohl nicht zu erwarten. Alle Beobachter sind sich einig, dass Österreich eine derartige Schmutzkam­pagne noch nie erlebt habe. Am meisten profitiere­n dürfte davon die rechte FPÖ, die Demokratie des Landes steht schon vor der Wahl als größte Verliereri­n fest. Österreich geht unstabilen Zeiten entgegen.

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FOTO: DPA Einem Sprecher von ÖVP-Kandidat Sebastian Kurz wird vorgeworfe­n, Mitarbeite­rn der konkurrier­enden Sozialdemo­kraten Geld für Spitzeldie­nste geboten zu haben.

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