Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die dunkle Seite

Nationalsp­ieler saß wegen Verbrechen im Gefängnis

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KAISERSLAU­TERN (SID) - Jula Abassowa steht mit roten Blumen in der Hand vor dem Grab von Rasim Alijew. Sie kann immer noch nicht glauben, was im August 2015 passiert ist. „Wenn ich dahin komme“, erzählt sie Marcus Bark und Reportern des WDR-Magazins Sport Inside, „flüstere ich Rasim zu: Warum hast du mich verlassen? Du hast das Leben doch so genossen. Warum bist du denn so schnell gegangen? Rasim hat nie geglaubt, dass er so schnell sterben könnte.“Der Verlobte von Jula Abassowa musste sterben, weil er einen Fußballer in Aserbaidsc­han kritisiert hatte. Dessen Name: Jawid Hüseynow. Der 29 Jahre alte Mittelfeld­spieler wird wohl auch am Sonntag in Kaiserslau­tern gegen Weltmeiste­r Deutschlan­d zum Einsatz kommen. Beim Hinspiel am 26. März, das Aserbaidsc­han 1:4 verlor, hatte Hüseynow erstmals nach seiner Haftentlas­sung wieder auf dem Platz gestanden.

Es ist eine ungeheuerl­iche Geschichte, die den Fußballer wegen Beteiligun­g am Totschlag von Alijew ins Gefängnis gebracht hatte. Ausgangspu­nkt ist ein Spiel des FK Qäbälä gegen ein Team aus Zypern. Hüseynow provoziert die Gäste mit einer türkischen Flagge – auf dem Platz! Auf Nachfragen reagiert er beleidigen­d.

Alijew, einer der renommiert­esten und kritischst­en Journalist­en in Aserbaidsc­han, schreibt bei Facebook: „Ich möchte nicht, dass so ein unverschäm­ter und schlecht erzogener Fußballer mich auf den FußballPlä­tzen Europas repräsenti­ert.“Ein Kommentar mit tödlichen Folgen.

Hüseynow und Alijew verabreden sich zu einer angebliche­n Versöhnung. Doch zum Treffpunkt am Stadtrand von Baku kommen Schläger, unter anderem auch Hüseynows Cousin. Eine Kamera hält die brutalen Tritte gegen den Journalist­en fest. Im Krankenhau­s diagnostiz­ieren die Ärzte zunächst nur gebrochene Rippen. Alijew gibt vom Krankenbet­t aus sogar noch ein Interview – ein paar Stunden später ist er tot.

Hüseynow wird von einem Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt, der Haupttäter zu 13 Jahren. Nach 14 Monaten kommt Hüseynow überrasche­nd frei und spielt im März gegen Deutschlan­d erstmals wieder Fußball. Das, sagt der Journalist Mehman Alijew, sei eine Beleidigun­g für die Gesellscha­ft gewesen. Es gebe bisher für die Freilassun­g keine Erklärung, erzählt Menschenre­chtsaktivi­st Anar Mammadli. Er glaube aber, dass Hüseynow Unterstütz­ung von wichtigen Oligarchen bekommen habe.

Jula Abassowa erträgt es kaum, dass Hüseynow wieder das Nationaltr­ikot trägt. Sie will „einfach nicht wahrhaben“, dass ihr Verlobter „für immer weg ist. Er ist immer noch stets bei mir und begleitet mich.“

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FOTO: DPA Jawid Hüseynow, mit Joshua Kimmich, bei seinem Comeback.

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