Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die Biberacher Revoluzzer kehren zurück

Das Theater ohne Namen spielt im November das Stück „Mythos 68“

- Von Gerd Mägerle www.ton-abdera.de tickets.schwäbisch­e.de

- Im nächsten Jahr ist es genau 50 Jahre her, dass die sogenannte­n „wilden 68er“auch in Biberach in Erscheinun­g traten und in der Stadt für Aufruhr sorgten. Mit dem Stück „Mythos 68“lässt die Gruppe Theater ohne Namen unter der Regie von Peter Schmid die Ereignisse wieder aufleben. Premiere ist am Freitag, 10. November, ab 19.30 Uhr im Gasthaus Rössle in Füramoos.

„Es war eine wilde, turbulente Zeit, und ich bin froh, dass ich sie miterleben durfte“, sagte Regisseur Peter Schmid. Er war damals Schüler am Wieland-Gymnasium in Biberach. „Hier war so etwas wie das Zentrum der Revolte in Oberschwab­en.“In der ehemals Freien Reichsstad­t Biberach gebe es eine Tradition der Aufmüpfigk­eit, findet Schmid, „das reicht bis zu Wieland zurück“.

Er erinnert sich an den Wahlkampfa­uftritt des damaligen Bundeskanz­lers Kurt-Georg Kiesinger auf dem Biberacher Marktplatz im April 1968. Dort wurde er von Demonstran­ten empfangen, die auf seine Nazi-Vergangenh­eit Bezug nahmen und seine Rede durch Zwischenru­fe und Gesänge unterbrach­en. „Schaffen Sie die Leute vom Platz“, rief Kiesinger. Was folgte, war ein Tumult.

Unvergesse­n ist für Peter Schmid auch der „Venceremos“-Skandal im Folgejahr. Das Titelblatt der gleichnami­gen alternativ­en Schülerzei­tung aus Biberach zeigte unter dem Schriftzug „Durchstoßt das Sexualtabu“einen aufgericht­eten Penis, was für Aufruhr bis in den Stuttgarte­r Landtag sorgte. Vor dem Biberacher Amtsgerich­t kam es, begleitet von Protesten, zum Prozess, der mit einem Freispruch für die drei angeklagte­n Autoren endete.

Diese und weitere Ereignisse wollen Schmid und seine Schauspiel­er in ihrem Stück „Mythos 68“aufgreifen. „Einerseits war alles sehr politisch, anderersei­ts gehörte dazu auch ein Lebensgefü­hl, das sich besonders in der Musik ausgedrück­t hat“, sagt der Regisseur. Musiker um den Biberacher Gitarriste­n Peter Zoufal sorgen dafür, dass auch dieser Aspekt von '68 im Stück wieder zum Leben erwacht.

Bereits vor zehn Jahren hat das Theater ohne Namen unter dem Titel „68 Plus“ein Stück über diese Zeit der Revolten aufgeführt. „Etwa 50 Prozent davon habe ich für das jetzige Stück übernommen, der Rest ist neu“, sagt Schmid. „Ich finde, dass die Zeit für das Stück heute reifer ist als vor zehn Jahren. Damals wie heute haben wir eine große Koalition, damals gab es den Krieg in Vietnam, heute tobt er in Syrien, damals gab es die Hungersnot in Biafra, heute haben wir sie im Südsudan. Außerdem gibt es auch heute wieder eine Unzufriede­nheit mit der Politik.“Vieles der Handlung hat Schmid selbst miterlebt. Darin lag für ihn auch eine Herausford­erung beim Schreiben: „Ich muss aufpassen, dass ich alles historisch sauber einfange und mich nicht nur von meinen eigenen Emotionen und Eindrücken leiten lasse.“

Aufführung­en sind am 10., 11., 12., 17., 19.,24., 25., und 26. November im Gasthaus Rössle, Füramoos, sowie am 19. und 20. Januar im Stadtteilh­aus Gaisental, Biberach. Karten gibt es bei der SZ Biberach, Marktplatz 35 (Mo-Fr, 9 bis 13 Uhr), im Rathaus, unter

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FOTO: SCHWOERBEL Protest gegen den „Venceremos“-Prozess in der Biberacher Bürgerturm­straße im Januar 1970.

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