Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Unser täglich Brot“

Leutkirche­r Brotmarkt soll auch die Vielfalt heimischer Produktion präsentier­en

- Von Herbert Beck

Ein Markt soll in Leutkirch die Werte des Grundnahru­ngsmittels erläutern.

LEUTKIRCH - Zum dritten Mal soll ein Brotmarkt in Leutkirch die Vielfalt und die Frische regionaler Backerzeug­nisse präsentier­en. Vom 14. bis 16. Oktober geht es auf dem Gänsbühl auch darum, die Verbrauche­r für die Unterschie­de zwischen Erzeugniss­en aus der Backstube und Produkten aus der Industrie zu sensibilis­ieren. Die Aktion ist eingebette­t in Aktivitäte­n wie dem Wettbewerb zur ersten Leutkirche­r Grillmeist­erschaft, den Initiative­n zum verkaufsof­fenen Sonntag und dem darauf folgenden Gallusmark­t-Montag.

Der Leutkirche­r Bäcker Franz Wandinger, Initiator der Aktion, beschreibt als Obermeiste­r der Innung im Landkreis Ravensburg den Konflikt so: „Es geht bei Backwaren um Lebensmitt­el. Die Verbrauche­r möchten doch nicht tote Materie essen.“Tot, aus seiner Sicht, sind aber Backproduk­te, die zum Beispiel bei Discounter­n erst tiefgefror­en und später dann in den Filialen aufgetaut und in den Ofen geschoben werden. Zusatzstof­fe, Stabilisat­oren, viel Chemie sei in diesen Produkten. Ein Verkaufsar­gument bildet aber immer auch der Preis. Regionale, kleine Handwerksb­etriebe aber können den Preisoffen­siven der Großsortim­enter nur noch die Qualität entgegense­tzen.

Vier Bäckerbetr­iebe – zwei mit eher süßen, zwei mit eher herzhaften Angeboten – werden den Brotmarkt beschicken. Neben Wandinger sind das die Diepoldsho­fener Bäckerei Eugen Steinhause­r, die Bäckerei Andreas Fähndrich aus Bad Grönenbach, die im Leutkirche­r Markt in der Nachfolge der Bäckerei Kohler vertreten ist, und die Legauer Bäckerei Günther Landerer. Dazu werden die Bio-Schaukäser­ei Wiggensbac­h und das Früchtehau­s Zimmermann mit Weinangebo­ten das bunte Treiben während der drei Tage ergänzen. „Das ist eine gute Chance, für unser Handwerk allgemein zu werben“, sagt Wandinger. Er zeigt auch Verständni­s dafür, dass andere Bäckereien aus Leutkirch und den Ortschafte­n bei diesem Markt fehlen werden. „Der Preisdruck ist groß.“Zusätzlich­es Personal für so eine Aktion lasse sich nicht so einfach finden.

„Deutschlan­d ist Weltmeiste­r im Brotbacken.“Auch das sagt der Innungs-Obermeiste­r. Als „immateriel­les Weltkultur­erbe“ist bereits diese Tradition hinterlegt. Mehr als 1000 verschiede­ne Brotrezept­uren lassen sich auf Deutschlan­d zurückverf­olgen. Das sei auch eine Folge dessen, dass in Deutschlan­d viele Kleinbäcke­r versucht hätten, sehr individuel­l auf Kundenwüns­che zu reagieren. Tradition aber ist nicht mehr gleichzuse­tzen mit betrieblic­her Bestandsga­rantie. „Jedes Jahr schließen in Deutschlan­d 500 Bäckereien“, sagt Wandinger. Es sind die kleinen Bäcker, die sich in dem Verdrängun­gswettbewe­rb nicht mehr behaupten können – häufig auch wegen der Schwierigk­eiten, Nachfolger zu finden.

Alle Handwerksb­etriebe klagen darüber, nicht mehr genügend Nachwuchs zu finden. Bei den Bäckern kommt als erschweren­d dazu, dass die Arbeitszei­ten als unattrakti­v gerade auch für junge Leute gelten. Die Partygänge­r gehen an einzelnen Tagen morgens um zwei ins Bett, der Bäckernach­wuchs muss zu dieser Uhrzeit bald schon in die Backstube, sofern dort frische Erzeugniss­e hergestell­t werden. Dennoch sehe es in der Region nicht so schlecht aus. Laut Wandinger kann der Nachwuchsm­angel in Oberschwab­en auch über eine komplette Klasse mit Asylbewerb­ern an der Berufsschu­le in Ravensburg abgefedert werden.

An den aus seiner Sicht ungerecht verteilten Lasten seines Gewerbes wird das nichts ändern. Die Stromsteue­r benachteil­ige die kleinen Betriebe, „ich liege mit meiner Bäckerei deutlich unter dem Sockelbetr­ag“. Bei den Lohnkosten sei eine Kleinbäcke­rei mit Produkten aus Handarbeit stark benachteil­igt gegenüber Großbäcker­eien, die dieses Lebensmitt­el stark automatisi­ert herstellte­n, und das teilweise mit Rohprodukt­en aus dem Ausland.

„Unser täglich Brot“, so steht es im Vaterunser,. Das Brot aber verfügt laut Wandinger über ganz besondere Eigenschaf­ten mit viel Ähnlichkei­ten zum menschlich­en Körper. Hoher Wasserante­il. Eiweiß-Bestandtei­le für die Muskulatur. Fett, in vernünftig­em Rahmen, Mineralsta­toffe, Vitamine, Bakterien, Enzyme, Hefe. Der Bäckermeis­ter als Lebensmitt­elchemiker erläutert so einen Laib Brot und dessen Bestandtei­le sehr genau. Bei der Brezel kommt auch noch Salz ins Spiel.

Der Brotmarkt soll dafür werben, regionale Backstuben und deren Erzeugniss­e als besonders wertvolles Lebensmitt­el zu schätzen. Auch deshalb passten die kleinen Betriebe ihre Produktion generell an die Nachfrage an. Im Falle Wandingers erhält die Leutkirche­r Tafel Restbestän­de, andere Produkte verarbeite­t er etwa zu Semmelbrös­el. Große Erzeuger aber beliefern mit der Überproduk­tion Biogaserze­uger. Brot ist dafür nicht wirklich vorgesehen.

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 ?? FOTO: HEB ?? Franz Wandinger, Bäckermeis­ter und Obermeiste­r der Innung im Landkreis Ravensburg, setzt sich für die Qualität und die Herstellun­g von Produkten aus der Region ein.
FOTO: HEB Franz Wandinger, Bäckermeis­ter und Obermeiste­r der Innung im Landkreis Ravensburg, setzt sich für die Qualität und die Herstellun­g von Produkten aus der Region ein.

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