Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Strompreise vor weiterem Anstieg
In den nächsten Tagen werden EEG-Umlage und Netzentgelte für 2018 festgelegt
BERLIN - Selten lagen die Expertenprognosen so weit auseinander: In wenigen Tagen werden die Stromnetzbetreiber bekannt geben, wie hoch die sogenannte EEG-Umlage zur Finanzierung von Ökostrom in Deutschland im kommenden Jahr ausfallen wird. Auch bei den Leitungsgebühren, die auf die Kunden umgelegt werden, sind Veränderungen angekündigt. Neue Hiobsbotschaft für Millionen Verbraucher? Hintergründe zur EEG-Umlage und zu möglichen Mehrbelastungen für Stromkunden.
Was ist die EEG-Umlage?
Die EEG-Umlage ist ein Aufschlag auf den Strompreis. Aus den Einnahmen werden die auf 20 Jahre garantierten Vergütungen für Betreiber von Windrädern, Photovoltaik- und Biogasanlagen finanziert. Das Gesamtvolumen der Vergütungen hatte im vergangenen Jahr rund 24,2 Milliarden Euro betragen. Ein gutes Drittel steuern Privatkunden bei. Aktuell beträgt die EEG-Umlage 6,88 Cent je Kilowattstunde.
Welche anderen Faktoren geben beim Strompreis den Ausschlag?
Rund 55 Prozent der Stromkosten eines Privathaushalts entfallen auf Steuern, Abgaben und Umlagen. Die EEG-Umlage macht dabei mit 22,1 Prozent den größten Anteil aus, die ANZEIGE Stromsteuer schlägt mit 7,1 Prozent zu Buche, die Netzentgelte mit 25,7 Prozent. Zum Vergleich: Produktionsund Vertriebskosten gehen mit knapp 20 Prozent in den Strompreis ein.
Wie wird sich die EEG-Umlage entwickeln?
Der Berliner Think Tank „Agora Energiewende“geht davon aus, dass die Umlage im kommenden Jahr um 0,14 Cent je Kilowattstunde sinken könnte. Daraus würde sich für eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden eine Entlastung um etwa 8,30 Euro pro Jahr ergeben. Erklärung für eine mögliche Senkung wären MilliardenRücklagen auf dem EEG-Konto, für die derzeit sogar Strafzinsen anfallen. Andere, wie der Bund der Energieabnehmer, erwarten einen Anstieg der Umlage – um 0,12 Cent auf sieben Cent je Kilowattstunde. Das würde für eine Durchschnittsfamilie 7,14 Euro mehr bedeuten.
Wie stark schlagen die Netzgebühren zu Buche?
„Die Stromkunden zahlen mittlerweile über 25 Prozent der Stromkosten nur für Netzentgelte“, erklärte Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), gestern im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Dabei könnte dieser Betrag deutlich sinken, wenn man auf den überdimensionierten Netzausbau verzichten, den Anteil von Kohlestrom mindern und die erneuerbaren Energien dort ausbauen würde, wo sie gebraucht werden.“Klar ist jedoch: Die Netzentgelte werden in großen Teilen des Landes deutlich steigen. In den nächsten Jahren müssen zudem Milliardenbeträge für die großen Stromautobahnen, die bis ins kommende Jahrzehnt hinein von Nord nach Süd gebaut werden sollen, auf die Stromkunden umgelegt werden.
Worauf müssen sich die Stromkunden konkret einstellen?
Das ist noch unklar. Bekannt ist bisher nur, was die großen Netzbetreiber im kommenden Jahr für die Stromdurchleitung verlangen wollen. Was die Versorger davon auf ihre Kunden umlegen werden, lässt sich noch nicht sagen. In NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz plant der Netzbetreiber Amprion, die Entgelte offenbar um 45 Prozent zu erhöhen. TransnetBW in Baden-Württemberg will voraussichtlich 13 Prozent mehr verlangen, im Gebiet von Tennet, das sich von Nord- nach Süddeutschland erstreckt, sollen es neun Prozent mehr sein. Im Osten und in Hamburg, wo 50Hertz zuständig ist, werden die Netzentgelte um elf Prozent geringer ausfallen. Hintergrund sind geringere Kosten für steuernde Eingriffe ins Netz, weil nun die „Strombrücke“zwischen Bayern und Thüringen zur Verfügung steht.
Sind die Strompreise in Deutschland höher als in unseren Nachbarländern?
Nur in Dänemark müssen Stromkunden mehr zahlen: 30,68 Cent. Deutschland liegt mit 29,51 Cent je Kilowattstunde deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 20,78 Cent.
Was ist in der Energiepolitik von einer möglichen Jamaika-Koalition zu erwarten?
In Koalitionsverhandlungen könnte die Energiepolitik zum möglichen Knackpunkt werden. Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm stabile Strompreise sowie eine stärker wettbewerbliche Ökostrom-Vermarktung angekündigt. Die FDP will die Stromsteuer senken und die EEGUmlage in ihrer bisheriger Form abschaffen. Die Grünen pochen darauf, den Ausbau erneuerbarer Energien drastisch zu beschleunigen und wollen die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke schnell abschalten. „Die Zeit ist vorbei, dass Strom aus Wind und Sonne die Kosten nach oben treiben“, sagt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Die Kosten der Energiewende müssten gerechter verteilt werden, private Haushalte dürften nicht die Hauptlast tragen: „Deswegen müssen wir über die Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage nachdenken und darüber, ob man diese nicht anderweitig finanzieren kann.“