Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
In der Mitte wird es eng
Großes Stühlerücken im Bundestag – Niemand will neben der AfD sitzen
BERLIN - 709 Abgeordnete und damit fast 80 Abgeordnete mehr als bisher stellen die Bundestagsverwaltung vor einige Probleme. Neue Büros, Umzüge und Umbauten sind nötig, es wird gehämmert und geschoben. Die Zahl der Abgeordneten im Plenarsaal ist dabei nicht das Problem. Schließlich passen bei der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten sogar 1260 Mitglieder in den Saal. Doch die größte Frage ist: Wo soll die AfD sitzen?
Die Zeiten der politischen Gesäßgeographie sind vorbei, heißt es überall in Berlin. Als Gesäßgeographie gilt das alte Prinzip, dass von der Regierungsbank aus gesehen die Rechten rechts im Parlament und die Linken ganz links sitzen. Insofern wäre es logisch, die AfD ganz nach rechts zu platzieren, und das schlägt Bundestagspräsident Norbert Lammert auch so vor. Damit nähme die AfD neben der FDP Platz, das gefällt aber den Liberalen nicht. „Wir wollen da sitzen, wo wir politisch stehen, in der Mitte“, sagt der badenwürttembergische Bundestagsabgeordnete Michael Theurer. Am besten so wie im Landtag in Stuttgart. Ganz rechts die AfD, dann die Union, dann die FDP. „Aber wichtiger als der Sitzplatz ist die richtige Politik“, fügt Theurer hinzu. Denn auch er weiß, dass sich die anderen Parteien mit dem Vorschlag der Bundestagsverwaltung durchaus anfreunden können. Die Union findet auch, dass sie in die Mitte gehört. Die FDP hat deshalb schlechte Karten, wenn der VorÄltestenrat des Bundestags am Freitag die Frage der Sitzordnung beraten wird.
Die AfD stellt auch andere gewohnte Ordnungen auf den Kopf. Am 24. Oktober ist die konstituierende Sitzung des neuen Bundestags, spätestens bis dann müssen Lösungen auch für das Bundestagspräsidium gefunden sein. Bislang hatten Union und SPD jeweils zwei Stellvertreter des Bundestagspräsidenten, jetzt soll jede Fraktion nur noch einen erhalten. Das stellt besonders die SPD vor Probleme. Denn die prestigeträchtige Aufgabe soll der bisherige Fraktionschef Thomas Oppermann erhalten. Die bisherige Vizepräsidentin Ulla Schmidt aber will weitermachen. Die SPD fordert deshalb weiterhin zwei Stellvertreterplätze, schließlich sei sie ja auch größer als die kleinen Parteien.
Ein weiterer Streitpunkt sind die Plätze in der ersten Reihe, also jene Plätze, auf denen die Abgeordneten groß im Bild sind, wenn aus dem Bundestag gesendet wird. Künftig soll die Union fünf Plätze haben, die SPD drei, FDP und AfD jeweils zwei und Linke und Grüne nur einen. Also ausgerechnet die beiden kleinen Fraktionen mit der Doppelspitze müssten sich entscheiden, wer jeweils in der ersten Reihe sitzen soll.
All das muss geklärt sein, bis am 24. Oktober der neue Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt und die Wahl des neuen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble stattfinden soll, die als sicher gilt. In freier und geheimer Wahl werden auch die Vizes gewählt. Abgelehnt von vielen wird der Vorschlag der AfD, Albrecht Glaser. Der hatte gesagt, dass der Islam in Deutschland keine Religionsfreiheit genießen solle. Wer Grundrechte in Frage stelle, sei als Vize nicht wählbar, meinten Vertreter der anderen Parteien. „Es ist Aufgabe der AfD, jemanden aufzustellen, der wählbar ist“, fordert die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
Die Bundestagsausschüsse werden erst später bestimmt. Für die weiteren Beratungen gibt es ausreichend Fraktionssäle, acht Säle für die sechs Fraktionen. CDU und SPD werden wohl ihre Flügel auf der Fraktionsebene behalten. Doch so friedlich, wie in der Legislaturperiode von 2009 bis 2013 Grüne und Linke einen Flügel zusammen benutzten, wird es nicht mehr werden. Denn mit der AfD teilen, das will keine der kleineren Parteien.