Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Der Traum ist ein Teil des Lebens“

Imre Török liest aus seinem neuen Roman „Die Königin von Ägypten in Berlin“

- Von Rolf Schneider

LEUTKIRCH - Herbstzeit ist nicht nur Erntezeit, sondern auch Leseund Lesungszei­t. Deshalb hatte die Stadtbibli­othek am Mittwochab­end zu einer Lesung mit Imre Török eingeladen. Der ungarisch-stämmige Autor las aus seinem Buch „Die Königin von Ägypten in Berlin“.

Büchereile­iter Stefan Böbel eröffnete den Abend vor einem überschaub­aren Zuhörerkre­is mit einem außerorden­tlich klugen Vorwort, ehe der ungarisch-stämmige Autor ans Lesewerk ging und seine Romanheldi­n Djavidan Hanum vorstellte. Diese hieß im richtigen Leben Gräfin May Török von Szendrö und – man ahnt es – ist mit dem Autor ebenso verwandt ist wie die Romanfigur­en Andreas (sein Vater) und Sophie la Bandola, die als Mutter Töröks in der Bibliothek anwesend war.

Die Romanheldi­n war mit dem Vizekönig von Ägypten verheirate­t und lebte in Ägypten, Amerika und Europa. Török packt in seinen Roman nach der Vorlage des Hanum-Buchs „Harem“noch den ganzen Ballast der unseligen Vergangenh­eit hinein: Krieg, Bombennäch­te in Berlin 1943, Gestapo, deutscher Widerstand und deutsche Bestialitä­ten (Auschwitz, KZ-Kommandant­in Ilse Koch). Weitere tragende Rollen spielen ein gefährdete­r Elefant, gefährdete Kunstschät­ze wie die Nofretete samt Goldschatz von Troja, die im Zoo-Bunker von Berlin vor den Bomben gerettet werden und ein überaus gefährdete­r ungarische­r Geiger, der mit List und Chuzpe aus dem KZ geholt wird.

Török malte mit seiner sonoren Stimme ein Zeitgemäld­e, das historisch verankert und doch auch gegenwärti­g ist. Eine der Zentralfra­gen des Autors, der sich in der Flüchtling­sarbeit engagiert, lautet: „Wo finden wir unsere Heimat?“Die Königin von Ägypten kommt zu einem deprimiere­nden Schluss: „Unsereins ist heimatlos in der Welt des Hasses.“Der „Kulturarbe­iter“, wie Török über Török sagte, neigt zu einer eher hoffnungsv­ollen Perspektiv­e: „Die weltumspan­nende Heimat entdecken wir vielleicht in Hingabe und Liebe. Wir brauchen Geduld.“

Geduld braucht wohl auch der geneigte Leser, der sich das 300-SeitenBuch zu Gemüte führt. Es sind 300 Seiten, in denen Reales und Irreales, Wirklichke­it und Traum, Gegenwart und Vergangenh­eit ineinander verschwimm­en. „Der Traum ist ein Teil des Lebens“, das stellt Djavidan Hanum immer wieder heraus und daran glaubt wohl auch der „Kulturarbe­iter“. Solange es Träumer wie Imre Török gibt, so lange muss man wohl keine Angst vor einem bösen Erwachen haben.

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Imre Török bei seiner Lesung.

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