Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Keine Angst vorm Rinderwahn
2004 gab es den letzten Fall im Oberallgäu – Verbot von Tierfett im Futter aufgehoben
OBERALLGÄU/KEMPTEN - Was für eine Hysterie brach Ende der 90erJahre aus. Zunächst verunsichern Fernsehbilder: Torkelnde Kühe in Ställen mit weit aufgerissenen Augen, die zu Boden stürzen. Vom Rinderwahnsinn (BSE) befallen, ihr Gehirn durchlöchert. Die ersten „BSEOpfer“werden in Großbritannien ausgemacht, sie sterben an der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit. Auch in Deutschland dürfen daraufhin viele Kinder keine Würstchen mehr essen. Der zweite BSE-Fall bundesweit ist ganz nah, in einem Stall in Sulzberg im Dezember 2000. Tiermehl im Rinderkraftfutter wurde als Verursacher erkannt – und EU-weit verboten. Deutschland ging einen Schritt weiter, verhinderte auch Tierfett im Kraftfutter – vor einigen Monaten wurde diese Anordnung bundesweit aufgehoben. Keimt dadurch erneut eine BSE-Gefahr auf?
Die bayerischen Freien Wähler verweisen auf das „Bundesinstitut für Risikobewertung“. Das halte es zwar für „unwahrscheinlich“, dass Futtermittel mit tierischen Fetten für BSE ursächlich sind. „Aber unwahrscheinlich ist eben nicht unmöglich“, heißt es dazu in einer Pressemitteilung. „Wir fordern erneut ein Verbot der tierischen Fette im Futter, das hohe Schutzniveau muss erhalten bleiben“, sagt der agrarpolitische Sprecher der Freien Wähler, Dr. Leopold Herz aus Wertach, selbst Landwirt.
Alfred Enderle, Präsident des Schwäbischen Bauernverbands (ebenfalls aus Wertach) interpretiert die Aussage des „Bundesinstituts für Risikobewertung“anders: „Es ist kein erhöhtes BSE-Risiko für den Verbraucher zu erwarten.“Risikomaterial wie Gehirn, Augen, Mandeln oder Rückenmark werden immer noch vor der Verarbeitung von Rindern entfernt. Und er ergänzt: „Man muss wissen, dass es das Verfütterungsverbot von tierischen Fetten auf EU-Ebene ja gar nie gegeben hat.“Ein nationales Verbot mache aber wenig Sinn. Im Hinblick auf offene Grenzen müssten sich jedoch Verbraucher und Bauern darauf verlassen können, dass die Herstellungsprozesse zuverlässig behördlich überwacht werden. Aber ist das tatsächlich noch so? Ab 2001 gab es noch BSE-Schnelltests bei allen Rindern über 24 Monate, und jetzt? liegt die Testpflicht bei 96 Monaten. Die Verpflichtung zur systematischen Untersuchung entfällt im April 2015 .
Ausnahmen Notgeschlachtete und Tiere, die Auffälligkeiten zeigen, werden weiterhin untersucht ab einem Alter von 48 Monaten. Verendete oder getötete Rinder werden über die Tierkörperbeseitigungsanstalt ebenfalls ab einem Alter von 48 Monaten auf BSE untersucht.
(Quelle: Landratsamt Oberallgäu) „2015 ist die Verpflichtung der systematischen Untersuchung bei Schlachtrindern entfallen“, informiert das Landratsamt. Seit 2005 habe es im Oberallgäu keine Verdachtsfälle mehr auf BSE gegeben.
Landwirte müssen Erklärung unterschreiben
„Es gibt unangemeldete behördliche Kontrollen in Metzgereien“, sagt dazu Hans-Peter Rauch, Metzgermeister aus Waltenhofen und Präsident der Handwerkskammer Schwaben. Muskelfleisch werde auf Rückstände kontrolliert. Seit der BSE-Krise müsse auch jeder Landwirt eine Erklärung unterschreiben, dass er keine Zusätze verfüttert, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Rauch: „Ich kenne alle Landwirte persönlich, von denen ich Rindfleisch beziehe.“BSE sei heute in den Metzgereien kein Thema mehr. Die Verbraucher fühlten sich wieder auf der sicheren Seite. Der Rindfleischabsatz steige stetig. Heute gebe es aber – vielleicht durch die BSEKrise – ein anderes Einkaufsverhalten? „Vor allem junge Leute erkundigen sich über die Herkunft des Fleischs und fragen auch nach der besten Zubereitungsart.“Der Metzgermeister sei wieder eine Vertrauensperson. Von Hysterie keine Spur.