Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wahnsinnsfahrt führt vor den Richtertisch
39-Jähriger aus dem Raum Aitrach wird zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt
WANGEN/AITRACH - In einer Schöffensitzung des Amtsgerichts in Wangen hat sich jetzt ein Mann aus dem Raum Aitrach verantworten müssen. Ihm war „vorsätzlicher gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“sowie „vorsätzliche Körperverletzung und Beleidigung“vorgeworfen worden. Das Gericht zeigte sich von den Tatvorwürfen überzeugt und verhängte eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Völlige Arbeitsüberlastung als Betreiber eines landwirtschaftlichen Betriebes, eheliche Konfliktsituationen und Auseinandersetzungen mit dem Vater, ärztlich diagnostizierte Anpassungsstörungen wie eine Alkoholisierung von 2,2 Promille haben dazu geführt, dass im Februar ein 39-jähriger Mann die Kontrolle über sich verlor. In einer „Wahnsinnsfahrt“lenkte er sein Fahrzeug über Wiesen und Felder, brachte eine Verkehrsteilnehmerin in Gefahr und ließ sich anschließend nur widerwillig von der Polizei in eine Psychiatrische Klinik bringen.
Der Angeklagte, der zunächst seine Aussage verweigert, aber Angaben zu seiner Person macht, spricht schleppend, windet sich bei der Beantwortung von Fragen, greift sich mit den Händen ständig ins Gesicht oder bedeckt seine Augen. Im Verlauf der Verhandlung wirft ihm der Richter vor, „jede Menge Baustellen“allenfalls mit Kosmetik zudecken zu wollen. „Betreiben Sie Ursachenbekämpfung“, so der gut gemeinte Rat. Was sich an diesem Wintertag ereignet hat, kommt nach und nach ans Licht. „Mehrere Anrufer setzten uns von dem wild durch die Gegend düsenden Autofahrer in Kenntnis“, sagt der zur Tatzeit diensthabende Polizeibeamte aus. „Als wir das Fahrzeug erreichten, forderten wir den Mann auf, den Motor abzustellen und den Schlüssel abzugeben. Doch das wurde verweigert. Als ich dem Tatverdächtigen das von ihm festgehaltene Schlüsselband entziehen wollte, riss es und ich fiel nach hinten auf den Boden.“Unter Einsatz von Pfefferspray wurde der protestierende Mann zur Blutabnahme und Unterbringung ins ZfP Südwürttemberg gebracht. Auf die Frage, warum man nicht ein „normales Krankenhaus“gewählt habe, antwortet der Zeuge: „Wir hatten von der Ehefrau gehört, dass ihr Mann psychisch auffällig sei.“Und er schildert den vorgefundenen Zustand des Angeklagten mit „aggressiv, aber auch verzweifelt“.
Die Verkehrsteilnehmerin, die nur mit viel Glück einer Kollision mit dem Pkw entkommen war, spricht etwas später den gleichen Verdacht aus. Sie will sogar selbstmordgefährdende Absichten erkannt haben. Sie und ihre mitfahrende Mutter erlitten nach eigenen Angaben einen Schock und viele Tage anhaltende Kopfschmerzen und Schwindelattacken. „Ich habe die Geschichte noch nicht verdaut“, sagt die junge Frau und kann ihre Tränen nicht verbergen.
Der Angeklagte, der darüber belehrt worden ist, bei weiterem Schweigen „mögliche Nachteile bei der Strafzumessung“in Kauf nehmen zu müssen, bespricht sich mit seinem Anwalt. Dann ist er, wenn auch nur zähneknirschend, zur Aussage bereit.
In seiner Urteilsbegründung fasst der Richter zusammen: „Man lebte bereits mehrere Monate getrennt, als die Ehefrau mit den beiden gemeinsamen Kindern dem Hof zusteuert. Hier kommt es über den Verbleib des Fahrzeugs zum Streit. Der Mann setzt sich betrunken ans Steuer und stellt sicher, dass seine Frau das Auto nicht mehr benutzen kann“. Er habe in Kauf genommen, dass Begrenzungspfähle und Wegmarkierungen umgefahren wurden, dass am Fahrzeug der Zeugin ein Blechschaden entstand und die 29-Jährige ebenso verletzt wurde wie der Beamte. Zugute hält man dem Angeklagten, dass dieser sich für sein Verhalten entschuldigte, nicht vorbestraft ist und ein Gutachten ihm „verminderte Schuldfähigkeit“zuerkennt.
Eine „einigermaßen günstige Sozialprognose“führt dazu, die Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen. Auferlegt wird dem 39-jährigen eine psychotherapeutische Behandlung. Die Fahrerlaubnis wird ihm für weitere zwölf Monate entzogen. Auf Antrag der Verteidigung macht das Gericht jedoch eine Ausnahme: Dem Landwirt wird das Führen von Traktoren zugestanden.