Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Entspannungsübungen im Kreml
Frank-Walter Steinmeiers Visite beim russischen Präsidenten Wladimir Putin war der erste Besuch eines Bundespräsidenten nach mehr als sieben Jahren in Moskau. Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck hatte aus politischen und Gründen seiner Biographie einen Besuch vermieden. Kein Wunder, dass Putin auf diese sieben dürren Jahre gleich anspielte. „Ich hoffe, dass Ihr Besuch die Entwicklung der bilateralen Beziehungen vorantreiben und zur Festigung unserer zwischenstaatlichen Beziehungen beitragen wird“, sagte der Kremlchef.
Offizieller Anlass der Reise war die Feier zur Rückübertragung der Kathedrale St. Peter und Paul an die Evangelisch-Lutherische Kirche in Russland und das 500-jährige Reformationsjubiläum. Der russische Staat hatte die Kirche 1938 enteignet und das Gotteshaus in eine Filmwerkstatt verwandelt. Mit von der Partie war auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.
Tatsächlich wollte der Bundespräsident in Moskau jedoch vorfühlen, was Wladimir Putin mit dem Westen, der EU und Deutschland in nächster Zeit im Schilde führt. Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, lautet das Credo des Ex-Außenministers. Russland und Deutschland seien zu wichtig, um in Sprachlosigkeit zu verfallen, warnte Steinmeier schon zuvor im Interview mit der russischen Zeitung „Kommersant“. Das klang ein wenig nach der Agenda des Außenministers, als der er in Russland immer noch wahrgenommen wird.
Andere Staaten grenzten an Berge, Meere, Flüsse, Russland aber grenzt an Gott, zitierte Frank Walter Steinmeier den deutschen Dichter Rainer Maria Rilke in der Moskauer Kathedrale. Rilke hatte Anfang des 20. Jahrhunderts ein innig emphatisches Verhältnis zu Russland, nicht frei von Schwärmerei. Was aber wollte der Bundespräsident mit den Dichterzeilen andeuten? Russlands „grenzenlose“Gottesnähe? Wovor sich die Nachbarn fürchten?
Steinmeier wird geschätzt
In Moskau wird Steinmeier geschätzt. Hätte der Kreml etwas zu sagen gehabt, wäre der Bundespräsident mit militärischen Ehren und allem dazugehörigen Tamtam empfangen worden. Nach wie vor sieht der Kreml in ihm den russlandfreundlichen und fähigen Sozialdemokraten. Nicht zuletzt auch den Ex-Kanzleramtschef Gerhard Schröders, dessen Freund und einen Vertreter der Nachkriegsgeneration, für den die Ostpolitik Willy Brandts eine Zauberformel darstellt. Berlin setzte auf einen protokollarisch niedrigen Arbeitsbesuch.
Der Bundespräsident bewegt sich auf dünnem Eis. Schon der Wunsch, Vertrauen wieder aufzubauen, litt etwas Schlagseite. Wer hatte im Verhältnis zwischen der EU, Berlin und Moskau Vertrauen missbraucht? Dem „Kommersant“sagte Steinmeier, er hätte nicht die Illusion, dass er die Beziehungen verändern könne. Er wolle aber Wege aus der Negativspirale von Konfrontation, Vertrauensverlust und Vorwürfen finden. Seinen guten Willen honorierte Moskau nur selten. Der Kreml schätzt ihn, weil Steinmeier gelegentlich das Verhältnis von Ursache und Wirkung vertauscht. Wie im vergangenen Jahr, als er Nato-Übungen im Osten des Bündnisgebiets als „Säbelrasseln“bezeichnet hatte.