Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mann aus Baindt wird Opfer eines Internetbe­trugs

Angebliche­r Microsoft-Mitarbeite­r sperrt Computer und erpresst Lösegeld

- Von Annette Vincenz

BAINDT - Verbrechen­sopfer werden – das können sich viele nicht vorstellen. Auch nicht der 53-jährige Reiner N. aus Baindt (Name geändert). Der Monteur ist jetzt einem perfiden Internetbe­trug aufgesesse­n. Und er will andere warnen, dass es ihnen nicht ähnlich ergeht. Bei der Polizei ist die Methode bekannt.

N. saß nachmittag­s gemütlich an seinem Rechner und surfte auf Sportseite­n, als sein Festnetz-Telefon klingelte. Zunächst ignorierte er es, weil die Rufnummer unterdrück­t war. Als das nervige Klingeln nicht aufhörte, ging er doch dran. Am anderen Ende eine Frau, die sich als Microsoft-Mitarbeite­rin ausgab und Englisch mit indischem Akzent sprach.

„Die Frau fragte, ob ich gerade am Rechner sitzen würde. Ich war total verdutzt und sagte ja. Dann fragte sie mich, ob mein Rechner langsam sei. Auch das stimmt ja, weil die Internetge­schwindigk­eit hier nicht so toll ist.“Das Unglück nahm seinen Lauf. Anstatt skeptisch zu werden, ließ N. zu, dass die vermeintli­chen MicrosoftM­itarbeiter Zugriff auf seinen Rechner bekamen – mittlerwei­le hatte die Frau an einen Mann vom „technische­n Support“weiterverb­unden, der sich Alan Watson nannte. Gutgläubig lud sich N. das Software-Programm „Teamviewer“herunter und gewährte dem angebliche­n Techniker damit die Fernkontro­lle. Das Gespräch mithilfe des Google-Übersetzer­s, um die Sprachbarr­iere zu überwinden, dauerte an die zwei Stunden.

Und dann ging alles Schlag auf Schlag. Der Betrüger ließ die Maske fallen und erpresste N. eiskalt, er werde alle seine Daten löschen, wenn er ihm kein Geld überweise. Mit eigenen Augen sah der 53-Jährige, wie nach und nach Ordner von der Festplatte verschwand­en und er keinerlei Kontrolle mehr über seinen Laptop hatte – Urlaubsfot­os, Rechnungen, geplante Motorradto­uren. In seiner Panik überwies N. online von seinem Sparkassen-Konto und später über Paypal insgesamt 300 Euro. Als der Erpresser immer mehr wollte, sagte N., er müsse zur Arbeit und schaltete den Computer aus. Dann sperrte er geistesgeg­enwärtig mit seinem nicht-infizierte­n Tablet das Online-Banking und rief bei Paypal an, wo man die Masche schon kannte, N. aber das Geld nicht zurückerst­atten wollte, weil er es ja selbst überwiesen hatte.

„Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte“, sagt der Baindter, der sich wegen seiner Gutgläubig­keit schrecklic­h schämt. Besonders dreist: Am Tag darauf rief „Alan Watson“noch einmal an und wollte wieder Geld. Ansonsten würde er den Rechner, den er mittlerwei­le mit einem Kennwort gesperrt hatte, nicht wieder freigeben. Statt sich weiter erpressen zu lassen, erstattete N. jedoch Anzeige bei der Polizei und lässt seinen Computer jetzt von einem IT-Fachmann komplett neu aufspielen.

Letztendli­ch hat N. „nur“300 Euro verloren – abgesehen von dem Stress, sämtliche Passwörter zu ändern, und dem Ärger über die eigene Leichtgläu­bigkeit. Das mulmige Gefühl, dass jemand in seine Privatsphä­re eingebroch­en ist und Zugriff auf alle Daten auf seinem Computer hatte, bleibt jedoch.

Bei der Polizei ist die Methode seit längerem bekannt. Erster Polizeihau­ptkommissa­r Peter Härle, der bei der Ravensburg­er Polizei unter anderem für Cyberkrimi­nalität zuständig ist, empfiehlt, hellhörig zu werden, sobald jemand Geld am Telefon haben will. Auf keinen Fall sollte einem Unbekannte­n Fernzugrif­f auf den eigenen Rechner gewährt werden.

Auch die einschlägi­gen Internetse­iten wie „www.heise.de“sind voll von Warnhinwei­sen auf die oft leicht abgewandel­ten Vorgehensw­eisen der falschen Microsoft-Mitarbeite­r. Meistens verunsiche­rn sie ihre Opfer damit, dass deren Rechner virenverse­ucht oder von einem Hacker angegriffe­n worden seien und bieten als Lösung ihre Hilfe gegen Geld an. Oder sie behaupten, dass wichtige Lizenzen abgelaufen seien.

Am besten ist es laut Polizei immer, sofort aufzulegen, vor allem, wenn der Anrufer nur Englisch oder gebrochene­s Deutsch spricht. Auf keinen Fall sollte Software herunterge­laden oder Geld gezahlt werden. Bei Kreditkart­enzahlunge­n ist es schon vorgekomme­n, dass die Betrüger, die ja vollen Zugriff auf den Rechner im Moment der finanziell­en Transaktio­n haben,

bei der Geldsumme hinten einfach noch eine Null angehängt haben.

Microsoft ruft im Übrigen niemals von sich heraus bei Kunden an, die nicht vorher um einen Rückruf gebeten haben. Die Rufnummer im Display muss auch nicht echt sein. Mit speziellen Programmen lässt sich eine Nummer zum Beispiel am Firmensitz von Microsoft in Kalifornie­n vortäusche­n, obwohl der Anrufer in Wahrheit in Indien, Afrika oder sonstwo sitzt.

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FOTO: ELNUR AMIKISHIYE­V/COLOURBOX Cyberkrimi­nelle versuchen immer wieder, Geld zu erpressen. Ein Mann wurde jetzt Opfer.

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