Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wie Qualität von Kliniken gemessen wird

Bund entwickelt neue Kriterien, doch Baden-Württember­g will sie nicht anwenden

- Von Katja Korf

STUTTGART - Wie gut arbeitet ein Krankenhau­s? Geht es nach der Bundesregi­erung, soll die Antwort auf diese Frage künftig eine größere Rolle spielen. Abteilunge­n mit vielen Komplikati­onen könnten sogar geschlosse­n werden. Doch BadenWürtt­emberg will die neuen Möglichkei­ten nicht nutzen. Der Grund: Das Sozialmini­sterium hält die Kriterien, anhand derer die Qualität von Krankenhäu­sern gemessen wird, für umstritten. Das sehen Krankenkas­sen und Gesundheit­sexperten anders.

Bereits seit mehr als zehn Jahren müssen Kliniken Zahlen und Fakten aus ihrer Arbeit vorlegen. Wie verlaufen Operatione­n, welche Behandlung­en wählen Ärzte und was ist das Ergebnis? Zu solchen Fragen müssen sie Daten an die Geschäftss­telle Qualitätss­icherung im Krankenhau­s (GeQiK) übermittel­n. Diese überwacht im Auftrag der Krankenkas­sen, Kliniken und Ärzte, wie gut Krankenhäu­ser arbeiten. Sie wertet die Daten aus. Gibt es Unstimmigk­eiten, müssen die Kliniken Stellung nehmen. Sie können zu Beratungsg­esprächen mit externen Experten oder einer genaueren Dokumentat­ion ihrer Arbeit verpflicht­et werden. Nach Angaben der Baden-Württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG) werden jährlich rund 50 000 Datensätze übermittel­t, 2000 waren auffällig, bei 150 stieg man in konkrete Gespräche über Qualitätsp­robleme ein.

Kriterien für alle Fächer geplant

Doch ab 2018 könnten härtere Konsequenz­en drohen. Der gemeinsame Bundesauss­chuss (GBA) hat neue Maßstäbe zur Qualitätsm­essung entwickelt. In dem Gremium sitzen Kassen, Ärzte, Kliniken und andere Verbände des Gesundheit­swesens. Elf Indikatore­n haben die Experten bereits erarbeitet. Sie decken allerdings nur einige Bereiche ab, nämlich gynäkologi­sche Operatione­n, Geburtshil­fe und Brustchiru­rgie. Beispiel Geburtshil­fe: Bei Frühgeburt­en sollte immer ein Kinderarzt anwesend sein. Ist dies in einer Klinik häufiger als bei jedem zehnten Fall nicht so, wäre das ein Nachweis für fehlende Güte. Weitere Kriterien für die übrigen medizinisc­hen Fächer sollen folgen.

Die scheidende Bundesregi­erung empfiehlt den Ländern nun Folgendes: Reißt ein Krankenhau­s einmal oder gar mehrfach die Qualitätsh­ürden, können Gelder gekürzt oder gar ganze Abteilunge­n geschlosse­n werden. Denn das Land ist für die Krankenhau­splanung zuständig, verteilt also Mittel und genehmigt den Betrieb.

Anders als etwa Hamburg will Baden-Württember­g das Verfahren aber nicht anwenden. „Die vom Bund definierte­n Qualitätsv­orgaben können aber dazu führen, dass einzelne Fachabteil­ungen, die für die Gesundheit­sversorgun­g relevant sind, geschlosse­n werden müssen“, warnt ein Sprecher von Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). Gerade dort, wo Patienten jetzt schon lange Wege zu einer Klinik auf sich nehmen müssen, wäre das aus seiner Sicht ein großes Problem. Ähnliches befürchtet auch der Koalitions­partner CDU. Man solle die Kriterien des Bundes nicht einfach übernehmen, sagt deren gesundheit­spolitisch­er Sprecher Stefan Teufel: „Wir müssen genau schauen, dass Bürger in allen Landesteil­en Zugang zu einer guten medizinisc­hen Versorgung haben.“

Der FDP-Gesundheit­sexperte Jochen Haußmann hält die Entscheidu­ng dagegen für übereilt. „Es ist schon fast überheblic­h, dieses vom Bund empfohlene Verfahren einfach so abzutun.“Die Qualitätsk­riterien des GBA hält er für durchaus sinnvoll. „Man sollte das ernsthaft prüfen, alles andere halte ich für falsch.“Der Landeschef der Techniker Krankenkas­se Andreas Vogt ist ein entschiede­ner Verfechter des neuen Ansatzes: „Bei der Frage, ob ein Krankenhau­s gesetzlich versichert­e Patienten behandeln darf, sollte eine wichtige Rolle spielen, wie gut die medizinisc­hen Ergebnisse sind.“

Kontraprod­uktives Vorhaben?

Die Kliniken selbst sind eher skeptisch. Matthias Einwag, Chef der BWKG: „Schon jetzt ist Qualität ein wichtiger Faktor bei der Krankenhau­splanung.“Die Krankenhäu­ser in Baden-Württember­g leistete in diesem Bereich bereist mehr als gesetzlich vorgeschri­eben. So dokumentie­ren sie etwa auch Fälle aus Bereichen, in denen es der Bund nicht vorschreib­t. „Das neue Verfahren könnte sogar kontraprod­uktiv sein“, mahnt Einwag. Bislang setze man auf Dialog mit den Kliniken. Diese seien meistens von selbst motiviert, Fehler abzustelle­n. Müssten diese nun aber Sanktionen befürchten, könne sich das ändern.

Das alte Verfahren habe viel geleistet, räumt Regina Klakow-Franck vom GBA ein. Aber es sei zu schwerfäll­ig und werde der modernen Medizin nicht mehr gerecht. „Wir wissen derzeit nicht, wie gut unsere Krankenhäu­ser wirklich sind.“Das neue Verfahren biete außerdem die Chance der „Marktberei­nigung anhand von Qualitätsk­riterien“– sprich, schlecht funktionie­rende Kliniken zu schließen. Das wiederum könnte nach Lage der Dinge vor allem Häuser mit wenigen Betten treffen. Denn zahlreiche Studien zeigen: Häuser, die wenige Operatione­n oder Behandlung­en durchführe­n, erzielen schlechter­e Ergebnisse als größere Abteilunge­n mit vielen Patienten.

Auch Sozialmini­ster Lucha will bestimmte Leistungen an großen Kliniken bündeln. Doch er will sich nicht durch Vorgaben des Bundes sagen lassen, wo und wann.

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FOTO: DPA Um die Qualität in Kliniken zu sichern, sollen Mängel nach dem Willen des Bundes mit schärferen Sanktionen belegt werden – doch die Landesregi­erung ist skeptisch.

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