Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Scholz setzt sich als Gegenspiel­er in Szene

Vizechef geht mit der Partei in Grundsatzp­apier hart ins Gericht

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Scholz gegen Schulz, offener Machtkampf in der SPD? Parteichef Martin Schulz startet am Wochenende eine Serie von Regionalko­nferenzen, um seine geschwächt­e Position nach der dramatisch­en Bundestags­wahlschlap­pe zu verbessern, davor ging am Freitag Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz in die Offensive und setzte sich als Gegenspiel­er in Szene. In einem Grundsatzp­apier nimmt er sich die Partei und ihren Vorsitzend­en kräftig zur Brust, ohne ihn beim Namen zu nennen. Er fordert von den Genossen, nicht länger „Ausflüchte“zu suchen, das 20,5-Prozent-Fiasko bei der Bundestags­wahl nicht auf „fehlende Mobilisier­ung“oder den mangelnden Fokus auf „soziale Gerechtigk­eit“zurückzufü­hren. „Grundsätzl­icher“seien die Probleme der Sozialdemo­kraten, schimpft Scholz, dem schon lange nachgesagt wird, er halte sich für den besseren Parteichef und fähigeren Kanzlerkan­didaten. Notwendig sei jetzt „die schonungsl­ose Betrachtun­g der Lage“.

Kritik am Führungsst­il

Harter Tobak für Martin Schulz, der wegen umstritten­er Personalen­tscheidung­en ohnehin unter Druck steht. „Er kann es nicht“, hatten sich Fraktionsm­itglieder Anfang der Woche hinter vorgehalte­ner Hand über den Führungsst­il des gescheiter­ten Kanzlerkan­didaten beklagt. Ärger provoziert­e er vor allem, weil er sein Verspreche­n nicht eingelöst hatte, Parteiämte­r weiblicher und jünger zu besetzen. Besonders umstritten: Der Vorschlag, Lars Klingbeil, einen „Seeheimer“, also konservati­ven Genossen, zum neuen Generalsek­retär zu machen. Es rumort kräftig, und die Scholz-Abrechnung dürfte sowohl den Personal- als auch den Richtungss­treit sechse Wochen vor dem Parteitag kräftig befeuern.

Nach den G20-Krawallen war Hamburgs Bürgermeis­ter Scholz in die Defensive geraten. Nun sieht er offenbar den Zeitpunkt gekommen, sich wieder aus der Deckung zu wagen und einen Kurswechse­l einzuforde­rn. „Wirtschaft­liches Wachstum wird auch in Zukunft eine zentrale Voraussetz­ung sein, um eine fortschrit­tliche Agenda zu verfolgen“, macht Scholz klar, dass er nichts von einem Linksruck der Genossen hält, sondern die SPD klar in der Mitte verorten will und auf eine „pragmatisc­he Politik“setzt. Das liest sich wie eine scharfe Replik auf Schulz’ jüngste Äußerungen, in der er „Mut zur Kapitalism­uskritik“anmahnte und Courage fordert, das „System“infrage zu stellen.

Parteichef Schulz ist alles andere als ein Parteilink­er, wird selbst eher dem konservati­ven „Seeheimer Kreis“zugerechne­t. Ihm wird aber vorgeworfe­n, eine klare Richtung, mit der er seine Genossen aus dem Tief holen will, seit dem 24. September schuldig geblieben zu sein. Bereitet Scholz einen Putsch vor? Partei-Vize Ralf Stegner gibt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zu: „Die Personalqu­erelen waren eine Belastung. Wir sollten aber bedenken: Vor der Wahl hatten wir einen Mann an der Parteispit­ze und einen an der Fraktionss­pitze. Nun führt eine Frau vom linken Flügel die Fraktion!“

Quo vadis SPD? Bei den Regionalko­nferenzen, die heute ausgerechn­et in der Scholz-Stadt Hamburg starten, dürfte die Basis jedenfalls ordentlich

Dampf ablassen. Auf der Tour durch Deutschlan­d wird Schulz in den kommenden Wochen spüren, wie stark der Rückhalt an der Basis wirklich ist. Zum Showdown kommt es dann vom 7. bis zum 9. Dezember in Berlin, wenn sich die Genossen zum Parteitag treffen.

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FOTO: DPA Richtungss­treit: Olaf Scholz (links), Martin Schulz.

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