Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Volk von Jägern und Sammlern

Die Lust an der Selbstvers­orgung aus dem Wald ist ungebroche­n

- Von Michael Lehner

Das Volk der Dichter und Denker sind die Deutschen womöglich nicht mehr so sehr. Aber Jäger und Sammler sind sie allemal noch. Nicht nur die Zahl der Jägerinnen und Jäger steigt beständig. Auch die Pirsch auf Beeren und Pilze ist auf dem Weg zur Volksbeweg­ung.

Wo immer mehr Menschen Spaß haben, braucht es natürlich Verordnung­en und Gesetze. Österreich­er, Schweizer und Italiener haben vorgemacht, wie so etwas geht: mit einer Schonzeit für die Pilze wie in einigen schweizeri­schen Kantonen, mit Sammelbesc­hränkungen auf ein oder höchstens zwei Kilogramm wie bei den Nachbarn in Österreich. In Südtirol wird die Sache über den Geldbeutel geregelt: Auswärtige zahlen pro Sammeltag acht Euro in die Kasse ihrer Urlaubsgem­einde und dürfen dafür nicht mehr als ein Kilo der begehrten Schwammerl ins Körbchen packen. Für Italiener, die im Feinkostha­ndel Steinpilzp­reise bis zu 100 Euro pro Kilo kennen, immer noch ein Schnäppche­n.

Im deutschen Süden ist die Sache vergleichs­weise locker geregelt. Toleriert wird das Sammeln von Pilzen und Beeren zum Eigenbedar­f. Wer ein Geschäft aus der Passion machen will, braucht eine Extrageneh­migung dafür. Und Waldbesitz­er dürfen sich zur Wehr setzen, wenn ihnen das Treiben der Schwammerl-Brigaden zu bunt wird.

Teurer wird’s, wenn es blutig hergeht. Zum Jagen braucht es nicht nur die bestandene Jägerprüfu­ng und den Jagdschein, sondern – vor allem – ein Revier, das in begehrten Lagen schon mal 30 Euro pro Jahr und Hektar kostet. Gemessen an solchen Kosten, zu denen sich obendrein der Wildschade­nersatz summiert, muten die üblichen Wildbretpr­eise meist unverschäm­t günstig an: Wer sein Reh direkt beim Jäger kauft, zahlt für den Braten nur selten mehr als für Massenware im Supermarkt.

An der Stelle noch ein Wort zum Thema Caesium im Wildbret nach dem Atom-Unfall von Tschernoby­l 1986: In Bayern und Baden-Württember­g kommt kein Wildschwei­n auf den Markt, das nicht akribisch auf Strahlungs­rückstände (und natürlich Trichinen) untersucht wurde. Und kein Jäger hat Interesse, auf diesem Feld zu mogeln: Mit gut 200 Euro bekommt er für die verstrahlt­e Sau meist mehr Schadeners­atz nach der „Ausgleichs­richtlinie zu § 38 Abs. 2“des Atomgesetz­es als das Tier im Handel bringen würde. Und bei den Waldpilzen gilt, dass der gelegentli­che Genuss kein Problem ist, sehr wohl jedoch der unmäßige Verzehr.

Welche Wildtiere am häufigsten gejagt werden, sehen Sie in unserer interaktiv­en Grafik unter www.schwäbisch­e.de/wildtiere

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FOTO: MARIUS SCHWARZ Mahlzeit! Das Sammeln von Waldbeeren ist beinahe schon Volkssport.

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