Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein Volk von Jägern und Sammlern
Die Lust an der Selbstversorgung aus dem Wald ist ungebrochen
Das Volk der Dichter und Denker sind die Deutschen womöglich nicht mehr so sehr. Aber Jäger und Sammler sind sie allemal noch. Nicht nur die Zahl der Jägerinnen und Jäger steigt beständig. Auch die Pirsch auf Beeren und Pilze ist auf dem Weg zur Volksbewegung.
Wo immer mehr Menschen Spaß haben, braucht es natürlich Verordnungen und Gesetze. Österreicher, Schweizer und Italiener haben vorgemacht, wie so etwas geht: mit einer Schonzeit für die Pilze wie in einigen schweizerischen Kantonen, mit Sammelbeschränkungen auf ein oder höchstens zwei Kilogramm wie bei den Nachbarn in Österreich. In Südtirol wird die Sache über den Geldbeutel geregelt: Auswärtige zahlen pro Sammeltag acht Euro in die Kasse ihrer Urlaubsgemeinde und dürfen dafür nicht mehr als ein Kilo der begehrten Schwammerl ins Körbchen packen. Für Italiener, die im Feinkosthandel Steinpilzpreise bis zu 100 Euro pro Kilo kennen, immer noch ein Schnäppchen.
Im deutschen Süden ist die Sache vergleichsweise locker geregelt. Toleriert wird das Sammeln von Pilzen und Beeren zum Eigenbedarf. Wer ein Geschäft aus der Passion machen will, braucht eine Extragenehmigung dafür. Und Waldbesitzer dürfen sich zur Wehr setzen, wenn ihnen das Treiben der Schwammerl-Brigaden zu bunt wird.
Teurer wird’s, wenn es blutig hergeht. Zum Jagen braucht es nicht nur die bestandene Jägerprüfung und den Jagdschein, sondern – vor allem – ein Revier, das in begehrten Lagen schon mal 30 Euro pro Jahr und Hektar kostet. Gemessen an solchen Kosten, zu denen sich obendrein der Wildschadenersatz summiert, muten die üblichen Wildbretpreise meist unverschämt günstig an: Wer sein Reh direkt beim Jäger kauft, zahlt für den Braten nur selten mehr als für Massenware im Supermarkt.
An der Stelle noch ein Wort zum Thema Caesium im Wildbret nach dem Atom-Unfall von Tschernobyl 1986: In Bayern und Baden-Württemberg kommt kein Wildschwein auf den Markt, das nicht akribisch auf Strahlungsrückstände (und natürlich Trichinen) untersucht wurde. Und kein Jäger hat Interesse, auf diesem Feld zu mogeln: Mit gut 200 Euro bekommt er für die verstrahlte Sau meist mehr Schadenersatz nach der „Ausgleichsrichtlinie zu § 38 Abs. 2“des Atomgesetzes als das Tier im Handel bringen würde. Und bei den Waldpilzen gilt, dass der gelegentliche Genuss kein Problem ist, sehr wohl jedoch der unmäßige Verzehr.
Welche Wildtiere am häufigsten gejagt werden, sehen Sie in unserer interaktiven Grafik unter www.schwäbische.de/wildtiere