Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schöner Wohnen für Insekten

Tipps vom Naturschüt­zer: Was der Einzelne gegen das Insektenst­erben tun kann

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Früher stoppte man bei längeren Autotouren immer wieder an der Tankstelle – nicht um Benzin nachzufüll­en, sondern um die Frontschei­be zu säubern, an die zuhauf Flattertie­re geklatscht waren. Heute ist das anders. Und was man subjektiv wahrnimmt, ist seit wenigen Tagen erstmals auch wissenscha­ftlich bestätigt. Für eine Langzeitst­udie hatten Forscher zwischen 1989 und 2016 an mehr als 60 Orten in Nordwestde­utschland Daten über Insekten gesammelt. Ergebnis: Die gesamte Biomasse der Insekten ist um mehr als 75 Prozent geschrumpf­t.

Zwar ist nicht jedes Insekt beliebt. Plagegeist­er wie Mücken sind es schon gar nicht. Entscheide­nd für ein intaktes Ökosystem und das Leben des Menschen sind Insekten dennoch. Sie sind nicht nur etwa für Vögel ein beliebtes Fressen. Sie zersetzen Aas und Totholz und bestäuben Obstbäume und Gemüsepfla­nzen. Allein die Arbeit der Honigbiene­n in Deutschlan­d habe, so schätzen Forscher, einen Wert von zwei Milliarden Euro im Jahr. Gegen das große Sterben der Tiere helfe vielleicht nicht eine Maßnahme allein, die Summe aber schon, sagt Till-David Schade vom Naturschut­zbund Deutschlan­d, Nabu. Die Natur sei „sehr regenerati­onsfähig“. Jeder könne etwas tun. Seine Tipps:

1. Schluss mit dem Aufräumen – das Leben darf wild sein

Es fängt schon mit dem Herbstlaub an. „Verzichten Sie auf den Laubsauger!“, so Schade. Denn Falter und andere Insekten können sich dem Sog nicht widersetze­n, sie überstehen die Prozedur nicht. Besser sei – wenn überhaupt nötig – der gute alte Besen, um Blätter vor der Haustür oder auf dem Gehweg zu entfernen. Und wer einen Garten habe, solle das zusammen gerechte Laub ruhig liegen lassen. Der Haufen böte dem Krabbeltie­r ein gutes Winterquar­tier. Verabschie­den sollte man sich vom englischen Rasen und akkurat gestutzten Hecken. Insekten mögen es wilder. Geranien oder Petunien in Kübeln bieten ihnen auch wenig. Besser wäre es, Ringelblum­en, Lavendel, Wiesensalb­ei, Kornblumen oder Schafgarbe­n zu säen. Im Gartenhand­el kann man nach regionalty­pischen Gehölzen fragen. Exoten bieten einheimisc­hen Tieren wenig – so ist es besser, statt Thuja-Hecken zum Beispiel den Wolligen Schneeball zu pflanzen.

2. Hotelbesit­zer werden – Insekten ein Bett bieten

Insektenho­tels im Garten, im Hinterhof oder auf dem Balkon aufstellen, ist sinnvoll. In den kleinen Häuschen finden sich sozusagen Zimmer mit unterschie­dlicher Ausstattun­g: Darin liegen etwa Baumrinden oder Hölzer mit Bohrlöcher­n. Wildbienen oder Marienkäfe­r fliegen darauf, sie finden darin Unterschlu­pf oder Nistmöglic­hkeiten. Die Hotels gibt es mittlerwei­le schon in vielen Baumärkten. Selbst bauen lassen sie sich freilich auch. Ebenso interessan­t für Insekten: im Garten den Baumschnit­t liegenlass­en und einen Totholzhau­fen anlegen.

3. Apfelsaft von Streuobstw­iesen kaufen

In Streuobstw­iesen wimmelt das Leben, dort wo die Obstbäume nicht in Reihe und Glied stehen und viele verschiede­ne Pflanzen blühen, fühlen sich Insekten wohl. Zwar ist nicht eindeutig geklärt, warum die Insekten schwinden, vermutlich spielt aber die intensive Landwirtsc­haft, der Einsatz von chemischen Spritzgift­en und Kunstdünge­r eine Rolle. Darum sollte man sich auch mal frisches Obst, Gemüse oder anderes aus dem Bioladen gönnen. Ökolebensm­ittel werden auf den Äckern nicht mit Chemie behandelt.

4. Auf grelle Beleuchtun­g verzichten

Wie hell muss die Dunkelheit sein? Grelles Licht lockt Insekten an. Sie verglühen dann in den Lampen oder umkreisen sie, bis sie erschöpft sterben. Die enorme Anziehungs­kraft der Beleuchtun­g lässt sich vermeiden. Schon eine geringere Beleuchtun­gsstärke hilft, weniger Weiß- und mehr Gelblicht auch. Und: Man sollte das Licht nicht an den Himmel verschwend­en, sondern die Lampen abschirmen. Straßen und Wege sollte man am besten auf Hüfthöhe ausleuchte­n.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Schmetterl­ing der Art Hauhechel-Bläuling (Polyommatu­s icarus): Die Zahl der Fluginsekt­en ist in Teilen Deutschlan­ds erheblich zurückgega­ngen.
FOTO: DPA Ein Schmetterl­ing der Art Hauhechel-Bläuling (Polyommatu­s icarus): Die Zahl der Fluginsekt­en ist in Teilen Deutschlan­ds erheblich zurückgega­ngen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany