Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Von der kleinen Eiszeit bis zum Terrorismus
Ehemaliger SZ-Redakteur Claus Wolber stellt politische und historische Bücher vor
LEUTKIRCH - Die Tage werden kürzer, die Leseabende länger. Für alle, die sich von ihrer Lektüre nicht nur Unterhaltung, sondern auch politischen oder historischen Erkenntnisgewinn wünschen, hat Claus Wolber seine Empfehlungen parat. Traditionell bespricht er in der Buchhandlung Kappler Neuerscheinungen aus diesen Themenbereichen – seit mittlerweile zwölf Jahren. Am Donnerstagabend fand sich dazu wieder rund ein Dutzend Interessierter ein, „ein richtig schöner harter Kern“, wie Wolber meinte.
Durch 18 Bücher mit politischem und historischem Inhalt hat sich der ehemalige Ressortleiter der Schwäbischen Zeitung in den vergangenen Monaten gearbeitet. Fast 6000 Seiten hat er gelesen und dabei so manche empfehlenswerte Neuerscheinung entdeckt. Philipp Bloms „Die Welt aus den Angeln“etwa, „Eine Geschichte der kleinen Eiszeit von 1570 bis 1700“, wie der Untertitel erklärt. Ein wenig bekanntes Thema und doch von großer Aktualität – im Blick auf die derzeit zu beobachtende Klimaveränderung. „Das Buch ist es wert, ein Bestseller zu werden“, lautet Wolbers Fazit deshalb.
Weit zurück in die Geschichte blickt auch Heinz Duchhardt. Sein Werk „Der Weg in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges“dröselt nach Ansicht Wolbers gut auf, wie sehr dieser „reine Machtinteressenkrieg“durch diffuse Ängste und Schuldzuweisungen befeuert wurde. „Sehr empfehlenswert“, findet der Rezensent. Subjektive Zeitzeugnisse hat Daniel Schönpflug in seinem Buch „Kometenjahre. 1918. Die Welt im Aufbruch“zu einem aufschlussreichen und „fesselnden Stimmungsbild jener Zeit“verarbeitet. Eine „sorgfältige Analyse“sei Robert Gerwarths 478 Seiten starkes Buch „Die Besiegten. Das blutige Ende des Ersten Weltkriegs.“Nichts für empfindliche Gemüter zwar, aber wissenschaftlich, spannend und „überzeugend bis zur letzten Seite“.
Auch Michael Wolffsohn hat ein neues Buch vorgelegt. „Deutschjüdische Glückskinder“nennt der Historiker die Überlebenden des Holocaust. Aus ironischer Distanz geschrieben, eine lockere und lesenswerte Rückschau. Umstritten bis heute ist die Rolle von Papst Pius XII. während der NS-Zeit. Mark Riebling, ein amerikanischer Historiker, arbeitet die Verbindungen des Papstes mit dem deutschen Widerstand heraus. In deren Zentrum: Josef Müller, der sogenannte „Ochsensepp“. Claus Wolber empfiehlt für „Die Spione des Papstes“freilich „die nötige Distanz“.
Kaum grundsätzlich Neues, aber eine „sehr gute Zusammenfassung der Ereignisse“, liefere Miriam Gebhardts Buch „Die Weiße Rose“. Weniger Glaubensfragen als vielmehr das Aufbegehren junger Leute, die die ihnen aufgezwungene Ideologie ablehnen, sieht die Historikerin als Motiv für deren Widerstand. „Die NSDAP. Eine Partei und ihre Mitglieder“hat sich Sven Felix Kellerhoff zum Thema gemacht und dafür bislang unbekanntes Archivmaterial in den USA ausgewertet. Mit erstaunlichen Erkenntnissen: So war etwa jeder 30. Stuttgarter nicht nur Mitglied der Partei, sondern hatte auch einen Posten inne. Und: Von Parteigängern unterwandert war nach dem Krieg nicht nur der Westen, sondern auch die SED.
Noch ein Stück Vergangenheitsbewältigung: „Albert Speer“nennt Magnus Brechtken schlicht seinen 900-Seiten-Wälzer. Eine „wissenschaftlich sauber und korrekt geschilderte“Demontage des Denkmals Speer, sagt Wolber über die „erste Gesamtschau dieser deutschen Karriere“. Schmaler, aber „höchst informativ“, noch dazu leicht zu lesen: „Die Wannseekonferenz“von Peter Longerich. Nicht die „Endlösung“selbst, sondern der Weg dorthin wurde damals beschlossen, so Longerichs These.
„Die Kanzler und ihre Familien“sind Thema von Jochen Arntz und Holger Schmale, während Susanne Gaschke sich die „SPD. Eine Partei zwischen Burnout und Euphorie“vornimmt („wer Aufbauendes über die SPD lesen will, kommt hier auf seine Kosten“). Michael Steinbrecher und Günter Rager stellen in „Meinung, Macht, Manipulation“den Journalismus auf den Prüfstand – wenig aufschlussreich, wie Claus Wolber findet. Ganz im Gegensatz dazu Claus Klebers Streitschrift „Rettet die Wahrheit“: Nur 96 Seiten stark, aber sehr selbstkritisch und von hohem Erkenntnisgewinn.
Natürlich beschäftigt auch die neue Rechte die Autoren politischer Bücher. „Was will die AfD?“fragt etwa Justus Bender und entlarvt darin Widersprüche und Heuchelei, sagt Wolber. „Mit der Rechten reden“nennen Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn ihren „Leitfaden“– „leider weithin schwer verständlich“. Einen „ausgesprochen spannenden Report über 180 Tage Flüchtlingspolitik“hat dagegen Robin Alexander vorgelegt. In „Die Getriebenen“liefere der Berlin-Korrespondent der „Welt“einen überzeugenden Blick aus dem Zentrum der Macht.
Mit der Terrorgefahr in Deutschland und der Angst davor beschäftigt sich schließlich Holger Schmidt. „Wie sicher sind wir?“lautet der Titel des Buches, in dem der Jurist und Terrorismus-Experte Erfolge und Misserfolge bei der Terrorabwehr beleuchtet. Nicht aus dem Rückblick, sondern aus der jeweiligen Situation heraus, Terror von rechts wie von links. „Eines der besten und informativsten Bücher“, lautet Wolbers Fazit.