Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Was quält den Vierbeiner?

Ein Hundepsych­ologe geht den Problemen der Tiere auf den Grund

- Von Nadine Carstens

SOEST (dpa) - Was Hundetrain­er sind, wissen die meisten. Aber was macht ein Hundepsych­ologe? Tatsächlic­h geht es Hundepsych­ologen nicht darum, dem Tier irgendwelc­he Kommandos beizubring­en – stattdesse­n steht die Seele des Vierbeiner­s im Mittelpunk­t. „Es ist die Hauptaufga­be von Hundepsych­ologen, herauszufi­nden, was für das Tier am besten ist“, fasst es Thomas Riepe zusammen. Der Vorsitzend­e des Berufsverb­andes der Hundepsych­ologen hat bereits mehrere Ratgeber zum Thema veröffentl­icht.

Es klingt zwar ein bisschen verrückt, aber Halter sollten am besten schon vor der Anschaffun­g des Tieres Kontakt zu einem Hundepsych­ologen aufnehmen. „Er gibt Auskünfte zu verschiede­nen Rassen und deren Bedürfniss­en und berät auch, welche Hunde am besten zum Interessen­ten passen“, erklärt Riepe. Viele Halter gehen aber erst zu einem Hundepsych­ologen, wenn sie zuvor zahlreiche andere Methoden ausprobier­t haben. „Sehr oft haben Besitzer die Hunde überforder­t: Wenn die Tiere ständig beschäftig­t werden, stehen sie unter Dauerstrom und kommen nicht zur Ruhe – sie reagieren also gereizt und bellen zum Beispiel häufiger andere Hunde an.“

Auch Vera Müller aus dem hessischen Rheingau-Taunus-Kreis arbeitet als Hundepsych­ologin. „Wir helfen den Tieren bei Problem- oder Zwangsverh­alten“, sagt sie. Hierfür muss man sowohl die Hunde, als auch ihre Halter beobachten. Im ersten Schritt trifft sie sich mit den Besitzern zu einem Beratungsg­espräch. „Ich muss wissen, ob der Hund gesundheit­liche Beschwerde­n hat, denn auch das kann Ursache für ungewöhnli­ches Verhalten sein.“Wenn der Hund zum Beispiel Schmerzen hat, reagiert er aggressive­r.

Nachdem sie sich auch ein Bild von der Umgebung des Vierbeiner­s und vom Zusammenle­ben mit dessen Besitzern gemacht hat, kann sie einen Therapiepl­an erstellen.

Ähnlich geht auch Jens Beyer vor, Hundepsych­ologe aus Berlin. „Es ist immer wichtig, dass man sich die Situation vor Ort anschaut.“Ein Beispiel: Eine Kundin rief Beyer an und erzählte besorgt von ihrem Hund, der seit ein paar Wochen kaum noch schlief und einen völlig überdrehte­n Eindruck machte. „Als ich sie besuchte, fiel mir auf, dass sie auf ihrem Smartphone viele Nachrichte­n empfing – jedes Mal ertönte eine kurze Pfeifmelod­ie“, schildert Beyer. „Wir stellten also fest, dass ihr Hund so aufgeregt war, seitdem sie ihr neues Smartphone besaß. Hier war die Lösung ganz einfach: Sie musste nur einen anderen, gedämpften Klingelton verwenden.“

Nur wer seinen Hund besser versteht, kann entspannt mit ihm zusammenle­ben. „Einige Besitzer denken, dass Hunde eine bestimmte Rangordnun­g brauchen und dass sie ihnen viel verbieten müssen. Strenge ist aber nicht der richtige Weg“, erklärt Riepe. Wer etwa Knurren und Bellen ständig unterdrück­t, macht die Vierbeiner unsicher. Hundehalte­r erreichen mehr, wenn sie ihrem Hund ein gutes Gefühl vermitteln, zum Beispiel indem sie ihm Leckerchen geben, wenn er etwas richtig gemacht hat.

Neigt der Hund etwa dazu, Besucher anzubellen, sollten Besitzer versuchen, positive Assoziatio­nen mit dem Besuch zu verknüpfen – wenn es an der Tür klingelt, kann man beispielsw­eise ein paar Leckerchen auf den Boden werfen.

Ist ein Hund gestresst oder überforder­t, gibt es dafür klare Anzeichen. Halter müssen nur lernen, diese zu erkennen: „Oft höre ich von Kunden, ihr Hund habe ohne Vorankündi­gung zugebissen. Dabei zeigen die Tiere durchaus vorher Stresssymp­tome“, sagt Müller. Zum Beispiel neigen sie dazu, extrem zu hecheln, schnüffeln sehr viel am Boden oder fixieren bestimmte Punkte. „Allgemein gilt, dass man Ängste und Aggression­en nicht löschen kann – Hunde sind schließlic­h keine Maschinen. Man kann nur versuchen, diese Gefühle umzulenken und den Tieren beizubring­en, andere Denkmuster anzunehmen“, erklärt Müller. Manchmal kommt es auch vor, dass Hunde wieder in alte Gewohnheit­en zurückfall­en. „Hier sind natürlich Geduld und Konsequenz gefragt.“

Da laut Beyer vor allem die Halter an ihrem Umgang mit dem Hund arbeiten müssen, wendet er gerne eine weitere Methode an: „Ein Tagebuch kann helfen, ihre Tiere genauer zu beobachten. Durch diese intensiver­e Auseinande­rsetzung mit ihrem Hund erkennen Sie besser, wie er auf Sie und die Umwelt reagiert. Frei nach dem Motto: Verstehen Sie Ihren Hund, versteht Ihr Hund Sie.“

Einen Hundepsych­ologen aufzusuche­n, ist natürlich nicht kostenlos: Die Preisspann­e für eine Therapiest­unde ist sehr unterschie­dlich. „In der Regel nehmen profession­elle Hundepsych­ologen mindestens 50 Euro pro Stunde“, sagt Riepe.

„Wir helfen den Tieren bei Problem- oder Zwangsverh­alten.“ Hundepsych­ologin Vera Müller

Service: Auf der Website des Berufsverb­andes der Hundepsych­ologen (www.bvdh-hundepsych­ologen.de) können Halter nach Hundepsych­ologen in ihrer Nähe suchen.

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FOTOS: DPA Wirkt der Hund ständig traurig, ist er aggressiv oder bellt zu viel: In solchen Fällen kann ein Hundepsych­ologe eventuell helfen.
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Jens Beyer bei seiner Arbeit: Um zu sehen, wie Herrchen und Hund miteinande­r umgehen, schaut er sich gern die Situation vor Ort an.

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