Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Keine Angst vor dem Untergang
Leipzig will in München mithalten, Bayern glaubt an Dreikampf um den Titel
MÜNCHEN/LEIPZIG (SID/dpa/sz) Jupp Heynckes plauderte rund eine halbe Stunde lang voller Respekt über RB Leipzig und den nächsten Kracher gegen den „Emporkömmling“, bis er sich zum Ende doch noch eine Spitze erlaubte. „Wenn man Spiele verliert, darf man die Schuld nicht immer beim Schiedsrichtergespann suchen, da muss man analysieren: Was habe ich falsch gemacht? Das ist viel produktiver“, sagte der Trainer von Bayern München vor dem Bundesliga-Spitzenspiel heute (18.30 Uhr/Sky) gegen die Sachsen.
Das giftige DFB-Pokal-Spiel, der glückliche Erfolg der Bayern auch dank Schiedsrichter Felix Zwayer (Berlin), hat in Leipzig tiefe Wunden hinterlassen. Er sei „heiß“auf die Revanche, sagte Trainer Ralph Hasenhüttl am Freitag, und gespannt darauf zu sehen, „wie weit wir wirklich sind, ob wir über 90 Minuten in der Allianz Arena mithalten können“. Am Mittwoch, und das habe ihn „geärgert“, habe Zwayer mit dem Platzverweis gegen Leipzigs Abräumer Naby Keita die Kräfteverhältnisse ab der 54. Minute zugunsten der Bayern verschoben.
Am Samstag steht der Berliner Daniel Siebert als 23. Mann auf dem Platz, Hasenhüttl wünscht sich von ihm „mehr Fingerspitzengefühl“. Dann sei im vierten Treffen mit dem FC Bayern endlich der Favoritensturz drin. „Wer in Dortmund gewinnen kann, muss auch in München keine Angst haben unterzugehen“, sagte Hasenhüttl. Seine Mannschaft sollte dort wieder im „Vollkampfmodus“sein, sie werde „mit derselben Forschheit“auftreten wie zu Hause „und der schwerstmögliche Gegner für Bayern München sein“.
„Wir sind alle Menschen“
Hasenhüttl, der sich gut gelaunt zeigte, versuchte das Thema Schiedsrichter aber auch herunterzuspielen. Der Ärger nach dem Aus (4:5 i.E.) sei „relativ schnell verflogen“gewesen, behauptete er, und überhaupt: „Wir sind alle Menschen und machen nicht alles richtig.“Auch RB könne „ein paar Dinge besser machen“als am Mittwoch.
Timo Werner etwa, der mit einem schwachen Schüsschen den entscheidenden Elfmeter vergab. „Timo brennt“, sagte Hasenhüttl, der den Nationalspieler wohl in die Startelf holen wird. Oder Keita. „Er ist im Moment ein bisschen stigmatisiert“, sagte Hasenhüttl nach drei Platzverweisen gegen den Mittelfeldmann binnen sechs Wochen, „es würde mich freuen, wenn er in München über 90 Minuten zeigen kann, was er drauf hat“. Stefan Ilsanker wird dagegen weiter fehlen, Bruma ist fraglich.
Wie Hasenhüttl fiebert auch Heynckes dem Spiel entgegen. Er erwarte zu Beginn einer „sehr wichtigen, außerordentlich schwierigen Woche“(Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge) mit Spielen bei Celtic Glasgow und Borussia Dortmund ein „genauso enges Spiel“wie im Pokal, sagte er. Für beide Mannschaften sei es nach dem giftigen Duell von Leipzig „nicht so einfach, wieder zur Normalität zu finden“. Bei den Bayern meldete sich Angreifer Kingsley Coman trotz einer schmerzenden Knieprellung fit. Und Javi Martínez könnte nach seiner Schulterblessur wieder von Anfang an auflaufen. Zudem kehrt der Kolumbianer James Rodríguez nach Rückenproblemen als weitere Offensiv-Alternative in den Kader zurück.
Der Respekt vor dem „Newcomer“ (Heynckes) ist in München noch gewachsen, RB hat sich dem Rekordmeister seit dem ersten Treffen im Dezember 2016 (0:3) über das 4:5 im LigaRückspiel und nun im Pokal beständig genähert. In der Tabelle haben die Bayern, die punktgleich mit Spitzenreiter Dortmund Zweiter sind, nur einen Punkt Vorsprung.
Rummenigge erwartet einen Dreikampf um den Titel, wie er im BayernMagazin schrieb. Alle drei Topteams hätten „das Potenzial, langfristig dort oben zu stehen. Es wird sicher eine spannende und emotionale Meisterschaft diese Saison.“Auch Heynckes meinte, in diesem Jahr werde „alles enger, offener“, alle drei Teams spielten „prima Fußball“.
Nur Hasenhüttl wollte da nicht mitgehen. Leipzig als möglicher Meister? „Ach, das ist noch weit ...“, sagte er. Ein Sieg gegen die Bayern würde ihm erst mal reichen. Ralf Rangnick sicher auch. Nach seinem Platzsturm in der Pause des Pokalkrimis muss Leipzigs Sportdirektor eine schriftliche Stellungnahme abgeben. Anschließend entscheidet der DFB-Kontrollausschuss, wie das Verfahren gegen Rangnick weitergeht.