Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Rückblick auf spannende Monate
Pfarrer Volker Gerlach blickt vor dem Festakt zur Reformation auf spannende Monate zurück
Gespräch mit dem Pfarrer Volker Gerlach über das Reformationsjahr.
LEUTKIRCH - Das Jahr 2017 ist geprägt worden vom Gedenken an Martin Luther – 500 Jahre nach dem Einstieg in die Reformation mit dem Anschlag seiner Thesen in Wittenberg. So ist es überliefert. Vor dem in dieser Form bislang einmaligen Feiertag am Dienstag, 31. Oktober, möchte der Leutkircher Pfarrer Volker Gerlach aber nicht von einem reinen Luther-Jahr sprechen. „Es war ein Reformationsjahr“, sagt er im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung. Aber ein aus seiner Sicht „inspirierendes Jahr“mit vielen Denkanstößen, sich generell mit aktuellen Glaubensfragen auseinanderzusetzen.
Am Dienstag wird auch die evangelische Kirchengemeinde in Leutkirch diesen Tag mit besonderen Akzenten begehen. Ökumenisch ausgerichtete Programmpunkte werden nicht fehlen. Doch Volker Gerlach, unterstützt von einem aus sechs Personen bestehenden Ausschuss, hat sich dafür entschieden, durchaus auch das Profil der evangelischen Kirchengemeinde herauszustellen. Das soll keine Abschottung sein. Im Gegenteil. So wird am Dienstag im Festgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche auch der katholische Stadtpfarrer Karl Erzberger ganz im Sinne der ökumenischen Gastfreundschaft eine Lesung halten. „Wir können nur voneinander lernen“, sagt Gerlach.
Entspanntes Verhältnis
Gemeinsamkeiten erkennen, nicht zu stark auf das Trennende achten, so beschreibt er die Aufgabe, wie die christlichen Glaubensgemeinschaften vor Ort in Leutkirch miteinander umgehen sollten. Das Verhältnis sei entspannt, die gemeinsamen Wurzeln werden gepflegt. Die Galluskapelle auf dem Winterberg zählt zu den Beispielen dafür.
Gerlach schätzt gleichwohl auch „das evangelische Selbstbewusstsein in Leutkirch“– ohne übertriebenen Hang dazu, sich zu profilieren. Als großer Verfechter großer symbolischer Momente sieht sich Gerlach nicht. Aber auch er freut sich darauf, dass an diesem Reformationsfeiertag aller Voraussicht nach auch die vor knapp zwei Wochen im Turm der Kirche installierte neue Glocke zum ersten Mal ihren Klang über Leutkirch aussenden kann. Trotz eines straffen Zeitplans, die Brutzeit der Vögel im Turm der Kirche war zu beachten, habe dieses Projekt rechtzeitig zu Ende gebracht werden können.
Nur ein Jahr? Mitnichten. Hohen Stellenwert in Gerlachs Rückschau auf dieses Reformationsjahr besitzt eine Tagung des Kirchengemeinderats in Bad Boll schon Anfang 2016. Über die „Freiheit eines Christenmenschen“wurde damals referiert. Theologische Ansätze Luthers wurden durchaus kritisch beleuchtet. Gerlach berichtet, Nachfragen zu einzelnen Standpunkten des Reformators seien auch im Umfeld anderer Veranstaltungen der vergangenen Monate zur Sprache gekommen. Luthers Verhältnis zum Judentum. Seine Einstellung zum Bauernkrieg im Spannungsfeld zwischen Obrigkeitsdenken und dem Einsatz für die Bediensteten. „Hätte Luther sich zu sehr von den Fürsten wegbewegt, hätte er die Reformation gefährdet.“So Gerlachs Sicht der Dinge. Kirche war und lebt nun mal nicht in einer eigenen Welt. Mittendrin sieht der Pfarrer auch die aktuelle Lage. „Wir müssen uns über die eigenen Wurzeln und die Traditionen Gedanken machen und diese hinterfragen.“
So definiert Gerlach seinen Anspruch an eine moderne Kirche, zu der etwa Luthers sperrige Sprache nicht immer passe. Gerlach spricht vom Mut dazu, den Kathechismus in verständlichere Worte zu fassen.
Doch dieses Reformationsjahr wertet er generell als Gewinn auch für die evangelische Kirche vor Ort. Neue Kooperationen hätten sich aufgetan. So seien bei der viel beachteten Briefmarkenausstellung Kreise an die Kirche herangetreten mit ganz neuen Fragen, Wünschen, Anregungen. Dank Luther. Gerlach lobt auch die bei einer Veranstaltung in der Buchhandlung Kappler „amüsante bis schwere Kost“, die dort präsentiert worden sei. Die in Zusammenarbeit mit der VHS möglich gewordene Führung von Rolf Waldvogel zu Stätten des evangelischen Erbes in der Stadt besitzt für ihn einen hohen Stellenwert, getoppt allerdings von dem Theater in der Dreifaltigkeitskirche zum „Festmahl der Katharina von Bora“. Da habe der Einstieg in das Reformationsjahr vor zwölf Monaten begonnen.
„Die Reformation in Leutkirch“: Emil Hösch hat dazu in einer zwölfseitigen Schrift neue Erkenntnisse aus den Archiven zusammengetragen. Zudem wird zunächst in St. Martin eine Ausstellung mit Schautafeln gezeigt, die später dann in die Dreifaltigkeitskirche verlagert werden soll. Dann ist auch ein Festvortrag geplant.