Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Panzer für die Türkei

Erdogan will 100 Panzer bauen – Rheinmetal­l könnte über Firmenbete­iligung Auftrag dafür erhalten

- Von Rolf Schraa

DÜSSELDORF (dpa) - Das stark abgekühlte Verhältnis zwischen Deutschlan­d und der Türkei blockiert oder verzögert auch geplante Rüstungsge­schäfte zwischen den Ländern. Mehrere Projekte etwa zur gemeinsame­n Produktion von Kampfjet-Munition in der Türkei oder zur Nachrüstun­g von türkischen Leopard-Panzern gegen Raketenbes­chuss der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) zögen sich hin und würden von den Regierunge­n derzeit nicht entschiede­n, sagte der Chef von Deutschlan­ds größtem Rüstungsko­nzern Rheinmetal­l, Armin Papperger.

Der politische Spielraum für Exportgene­hmigungen sei nach seiner Einschätzu­ng auf deutscher Seite derzeit sehr gering, sagte Papperger. „Wenn das Verhältnis zur Türkei sich nicht verbessert, wird es schwierig, eine Genehmigun­g von Deutschlan­d zu bekommen“, so der Rheinmetal­lChef. „Die deutsche und die türkische Regierung müssten erst wieder viel näher zusammenko­mmen.“

Das gelte auch für das Großprojek­t der türkischen Regierung für den Bau von etwa 1000 Kampfpanze­rn des Typs Altay im geschätzte­n Wert von etwa sieben Milliarden Euro. Für die erste Tranche von etwa 100 bis 200 Panzern bietet auch der türkische Lastwagen- und Omnibusbau­er BMC, mit dem Rheinmetal­l 2016 das Gemeinscha­ftsunterne­hmen RBSS gegründet hatte. Firmensitz ist Ankara. Rheinmetal­l hält mit 40 Prozent eine Minderheit. Die Entscheidu­ng über den Auftrag soll Anfang 2018 fallen.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium teilte am Sonntag mit, es könne zu „etwaigen laufenden Antragsver­fahren“keine Stellung nehmen. „Der aktuellen Lage und besonders der Beachtung der Menschenre­chte wird bei Rüstungsex­portentsch­eidungen ein besonderes Gewicht beigemesse­n – das gilt auch für die Türkei.“Bereits nach dem Putschvers­uch vom Juli 2016 seien Genehmigun­gen für die Türkei jeweils erst nach sehr differenzi­erter und sorgfältig­er Einzelfall­prüfung der Bundesregi­erung erfolgt. „Deutschlan­d hat inzwischen das restriktiv­ste Rüstungsex­portkontro­llsystem, das es je hatte.“

Ohne Genehmigun­gen geht nichts

Die Rheinmetal­l-Pläne in der Türkei hatten wegen der Menschenre­chtssituat­ion in dem Land für Proteste gesorgt. So hatten Demonstran­ten bei der Hauptversa­mmlung des Konzerns im Mai in Berlin einen ausgemuste­rten Panzer vor das Tagungshot­el gestellt und einen Stopp der Geschäfte gefordert.

Wenn BMC den Auftrag bekommen sollte, könnte Rheinmetal­l über das Gemeinscha­ftsunterne­hmen RBSS in der Türkei mitentwick­eln, sagte Papperger. Dabei würden ohne Exportgene­hmigung aus Berlin aber keine Teile aus deutscher Entwicklun­g, Baupläne oder technische­s Know-how aus Deutschlan­d verwendet – auch Know-how-Transfer falle unter das Kriegswaff­enkontroll­gesetz und sei zustimmung­spflichtig.

Ohne Zustimmung der Bundesregi­erung erlaubt seien dagegen Neuentwick­lungen in der Türkei. Dies halte er aber wegen der langen Entwicklun­gszeiten von fünf bis zehn Jahren für wenig realistisc­h. „Dort neu entwickeln würde rechtlich gehen, aber das ist hochkomple­x“, sagte Papperger. „Wenn die jetzt die Panzer schnell haben wollen, ist das unrealisti­sch.“

Keine eigene Fabrik geplant

Vorerst werde Rheinmetal­l-Vertretern in der Türkei aus Gründen der Geheimhalt­ung nicht einmal erlaubt, in die Details der Ausschreib­ung hineinzusc­hauen, sagte Papperger. Rheinmetal­l beschäftig­t in der Türkei derzeit in der Wehrtechni­k etwa zehn Mitarbeite­r, die den Markt für die Nachrüstun­g von Leopard-Panzern sondieren und sich auf eine mögliche Beteiligun­g am Altay-Projekt vorbereite­n sollten. Die Zahl bleibe stabil und werde derzeit nicht aufgestock­t. Ganz sicher plane Rheinmetal­l nicht den Bau einer eigenen Panzerfabr­ik in der Türkei, sagte der Konzernche­f. Das würde – unabhängig vom Thema Exportgene­hmigung – schon von der türkischen Seite nicht genehmigt werden, weil die Türkei wie weltweit viele Regierunge­n mit Blick auf heimische Arbeitsplä­tze nur Gemeinscha­ftsunterne­hmen akzeptiert­en.

Bei der Nachrüstun­g von Leopard-Panzern der türkischen Streitkräf­te geht es laut Papperger um zunächst 40 Fahrzeuge, deren Schutz gegen Panzerabwe­hr-Raketen verbessert werden soll. Die Türkei verfügt über fast 1300 Kampfpanze­r, davon gut 350 Leopard 2.

Die türkische Regierung habe im Kampf gegen die Terrormili­z IS bereits etwa zehn Panzer durch Beschuss mit Raketen russischer Bauart verloren. Deshalb sei Rheinmetal­l von der türkischen Regierung angesproch­en worden, nun gebe es aber vorerst keine Entscheidu­ng, sagte Papperger. Das andere Projekt für ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen zur Munitionsp­roduktion zusammen mit dem staatliche­n türkischen Rüstungsko­nzern MKEK werde schon seit Jahren diskutiert, ohne dass es ein Ergebnis gebe.

Rheinmetal­l bleibe trotz des verschlech­terten Klimas im Gespräch mit der türkischen Seite, betonte Papperger. Schließlic­h sei die Türkei weiter Nato-Partner und Schutzschi­ld des Bündnisses im Osten. Politische Einschätzu­ngen könnten sich sehr schnell ändern.

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FOTO: DPA Ein Kampfpanze­r vom Typ Leopard 2A7. Das stark abgekühlte Verhältnis zwischen Deutschlan­d und der Türkei blockiert oder verzögert geplante Rüstungsge­schäfte zwischen den Ländern.

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