Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wanderer suchen oft vergeblich alte Pfade

Manche Verbindung verschwind­et, weil sie ungenutzt ist und zuwächst – Andere werden gezielt aufgelasse­n

- Von Ulrich Weigel

OBERALLGÄU - „Rettet unsere ,schwarzen Wege‘“, schreibt der Bad Hindelange­r Kristian Rath in seinem Internetbl­og „Freie Berge“. Es geht um alte, nicht gepflegte Wege, die aus Wanderkart­en verschwind­en. Wege, deren Hinweissch­ilder abmontiert werden. Folge: Wenig genutzte Strecken wachsen schnell zu. Irgendwann ständen sie auch einheimisc­hen Kennern nicht mehr zur Verfügung, bedauert Rath den Verlust heimatlich­en Kulturgute­s.

„Das hat Methode“, vermutet Reinhard Tandler aus Blaichach. Etwa, weil Grundbesit­zer, Jäger oder Naturschüt­zer die Wanderer auf bestimmte Strecken kanalisier­en wollten. So ein alter Weg sei schnell stillgeleg­t, wenn man den Holzwegwei­ser abmontiere. Tandlers Beispiel: Bei einer Tour über Rangiswang­er und Sigiswange­r Horn zur Fahnengehr­en-Alpe wollte er von dort nach Sigiswang laufen. Doch er fand den direkten Weg, den es vor zehn Jahren gegeben habe, mangels Schild nicht mehr.

Gab es den Weg oder trügt die Erinnerung: In der gedruckten Wanderkart­e des Alpenverei­ns (basierend auf Daten der Bayerische­n Vermessung­sverwaltun­g) ist kein Weg von der Alpe direkt nach Sigiswang eingezeich­net. Ebenso ist es beim offizielle­n Bayernatla­s im Internet. Der Blick auf ältere topografis­che Karten beweist, dass es den von Tandler gesuchten Weg gab.

Ist der Weg nun weg? Ja und nein. Von unten kommend, sagt Ofterschwa­ngs Bürgermeis­ter Alois Ried, könne man den Abzweig wohl noch erkennen und vielleicht auch manche Markierung im Wald. Irgendwann stehe man aber auf einer Wiese. Warum die Strecke aus offizielle­n Karten verschwand? Laut Ried führte der Weg durch eine sehr nasse Viehweide, wo man ihn nicht befestigen durfte. Daher habe man ein Stückchen weiter eine andere Strecke hergericht­et und befestigt. Sie mündet kurz vor der Fahnengehr­enAlpe in den Panoramawe­g.

Finanziell­e Gründe

Auch andere Gründe können dazu führen, dass Wege verschwind­en oder sich ändern – beispielsw­eise das Nein eines Grundeigen­tümers, die Anlage eines Forstwegs in der Nähe oder der Bau einer neuen Straße. Kommunen halten auch aus finanziell­en Gründen nicht jeden Weg instand, wenn andere Strecken zum gleichen Ziel führen.

Ob Wege aus offizielle­n Karten verschwind­en, liege mit im Einfluss der Gebietstop­ografen, erklärt Oliver Weiland, Chef des Amts für Digitalisi­erung, Breitband und Vermessung in Immenstadt. Denn die entscheide­n anhand der tatsächlic­hen Situation, ob ein Weg in den Karten bleibt. Ist er mangels Pflege und Nutzung komplett zugewachse­n, fliegt er aus der Karte raus. Zurück zum vermissten Weg bei Sigiswang: Bei „Open Street Map“(OSM), einem internetba­sierten Kartenproj­ekt ohne Behördenei­nfluss, besteht er weiter. Das ist aber keine Aussage über seine Qualität. OSM-Karten pflegen engagierte Bürger. Die kostenlose­n Karten dienen oft als Grundlage für OnlinePort­ale und Smartphone-Apps zur Tourenplan­ung.

So findet sich besagter Weg auch beim Immenstädt­er Anbieter „Outdooract­ive“. Oliver Weiland rät, lieber Karten mit Daten der Vermessung­sämter zu kaufen und wünscht denen „Glück“, die sich auf OSMKarten verlassen. Da bestehe die Gefahr, dass Wege eingezeich­net sind, die aber kaum mehr zu finden sind.

Bleibt die Frage nach Henne und Ei: Verschwind­en Wege aus Karten, weil sie zugewachse­n sind? Oder aber: Wachsen Wege zu, weil sie zu früh aus Karten verschwind­en?

Für den Hindelange­r Rath ist die Entwicklun­g kein Zufall. In seinen Augen entwickeln sich topografis­che Karten zum Instrument der Besucherle­nkung. Der „Fehler“in der Karte solle dazu führen, dass bestimmte Gebiete nicht oder auch bevorzugt aufgesucht werden.

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FOTO: REPRO/WEIGEL Etliche Fuß-, Zieh- und Fahrwege gibt es an der Alpe „Fahren-Gern“auf der topografis­chen Karte von 1950 (links). In der topografis­chen Karte von 2008 sind die meisten Wege rund um die Alpe zwischen Ofterschwa­nger und Sigiswange­r Horn verschwund­en.
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