Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Verschleiß beim Überholman­över

Die Stars sind trotz des Sieges gegen Leipzig kritisch – Probleme bereitet die Offensive

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Von oben herab, die Bundesliga-Konkurrenz unter sich. Diesen Blick auf die Tabelle kennen die Bayern, diese Aussicht lieben die Bayern. Erstmals seit 161 Tagen grüßt der Rekordmeis­ter nach dem 2:0 (2:0) gegen RB Leipzig wieder von der Spitze. Von der Position, die laut Selbstvers­tändnis im Mia-san-MiaGrundge­setz verankert ist. Titel Nummer 6 in Folge wird fest anvisiert. Zweifel an einer erneuten Meisterfei­er im Mai auf dem Marienplat­z? Sportlich weggeschos­sen und vom Herbststur­m verweht.

Das bayerische Überholman­över gelang innerhalb von nur drei Spieltagen. Rückblende: Vor vier Wochen schenkte der FC Bayern mit Interimstr­ainer Willy Sagnol durch das 2:2 nach 2:0-Führung bei Hertha BSC zwei Punkte her. Man war frustriert, führungslo­s und hatte fünf Punkte Rückstand auf Spitzenrei­ter Borussia Dortmund. Drei Spiele später ist man – Schwuppdij­upp – Erster mit drei Zählern Vorsprung.

„Ich glaube nicht, dass damit jemand gerechnet hätte“, sagte Jérôme Boateng und sah so aus, als zählte er sich zu den Ungläubige­n. Den Turnaround, „den maximalen Erfolg“, so Kapitän Arjen Robben, haben die Bayern ihrem neuen, alten Trainer Jupp Heynckes zu verdanken. Was der 72-Jährige gemacht hat in den bisher 21 Tagen seiner vierten Amtszeit?

Er hat seinen FC Bayern, „den Verein, den ich in- und auswendig kenne“, revitalisi­ert. Das Training wurde nach der Entlassung von Carlo Ancelotti intensivie­rt, das DolceVita-Leben der Profis beendet.

Disziplin außerhalb des Platzes plus eine stabile Ordnung auf dem Rasen als Schlüssel. Und: Man spricht wieder miteinande­r an der Säbener Straße. Heynckes hat die Spieler stark geredet, in Sitzungen oder face-to-face. Es kann so einfach sein. Schon ist die Bayern-Welt wieder in Ordnung, nach nur drei Wochen. Das Überholman­över des Wochenende­s glückte, weil der BVB in den letzten drei Spielen nur einen Punkt holte, Bayern alle neune. Macht plus acht. „Das ging ja verdammt schnell. Du hast nicht lange gebraucht – und ihr seid ganz vorne“, sagte Leipzigs Coach Ralph Hasenhüttl voller Ehrfurcht und Anerkennun­g zu Heynckes, der neben ihm saß.

Der Jupp-Lauf der Bayern in Zahlen: Noch nie startete ein Trainer der Roten mit drei Liga-Siegen ohne Gegentor. Seine Bilanz insgesamt: Fünf Pflichtspi­ele, fünf Siege, 12:1 Tore – und dieser Gegentreff­er war ein Elfmeter, kassiert im Pokalfight vergangene­n Mittwoch, dem „Gigantenka­mpf über 120 Minuten“(Heynckes), den man im Elfmetersc­hießen gewann. Die Revanche am Samstagabe­nd war durch die frühe Rote Karte wegen Notbremse (durch Videobewei­s) für RB-Kapitän Willy Orban nach 13 Minuten beendet, nach der 2:0-Führung durch die Treffer von James Rodríguez und Robert Lewandowsk­i „hätte man die Zuschauer nach Hause schicken können“, so Hasenhüttl ehrlich. Die Bayern verwaltete­n den Sieg, man „schaukelte es herunter“, wie Sebastian Rudy zugab. Um in Überzahl und angesichts des sicheren Sieges Kräfte zu schonen. Und doch waren die Spieler unzufriede­n mit der zweiten Halbzeit. „Wir hätten eins mehr machen können“, bemängelte Joshua Kimmich. Noch deutlicher wurde Boateng: „Ganz schlecht mit einem Mann mehr! Das müssen wir besprechen, das geht so nicht.“Ein Ergebnis des neu erweckten Ehrgeizes.

Auf den Unmut seiner Spieler angesproch­en, wirkte Heynckes überrascht, dann erfreut wie ein Lehrer, der seine Schüler unterschät­zt hatte. Schließlic­h aber sprach er ganz (groß-)väterlich souverän: „Ich habe ein bisschen mehr Erfahrung als meine Jungs. Für mich war es wichtig, wieder zu Null zu spielen, deshalb müssen wir zufrieden sein. Wir haben am Dienstag schon wieder ein Spiel.“In der Champions League bei Celtic Glasgow (20.45 Uhr, Sky live).

Fraglich ist der Einsatz von Außenstürm­er Kingsley Coman, der gegen Leipzig fehlte, aber am Sonntag trainierte. Mehr Sorgen machen sich die Bayern um ihren einzigen Mittelstür­mer Robert Lewandowsk­i, der wegen Oberschenk­elprobleme­n noch vor Ende der ersten Halbzeit ausgewechs­elt werden musste. Nur eine Vorsichtsm­aßnahme? Am Sonntag konnte Lewandowsk­i nicht trainieren. Ein Ausfall würde Bayern hart treffen, schließlic­h fehlt ja auch Thomas Müller verletzt.

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FOTO: IMAGO Robert Lewandowsk­i hat Schmerzen im linken Oberschenk­el, da sorgt sich Trainer Jupp Heynckes.

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