Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

BVB-Krise oder nicht?

Nach Niederlage bei Hannover 96 sind Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen Trainer und Spieler unüberhörb­ar

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HANNOVER (SID/dpa) - Trainer Peter Bosz versuchte noch, die sportliche Krise bei Borussia Dortmund wegzureden, da hatte Kapitän Marcel Schmelzer bereits den Notstand beim entthronte­n Bundesliga-Tabellenfü­hrer ausgerufen. „Erst mal haben wir uns jetzt von der Spitze verabschie­det. Das ist eine Sache, die so nicht zu akzeptiere­n ist“, sagte der Außenverte­idiger äußerlich gefasst, aber doch mit Schärfe in der Stimme. „Die Sache“, das war die nicht einkalkuli­erte, aber selbst verschulde­te 2:4 (1:2)-Niederlage bei Hannover 96. Schonungsl­os analysiert­e der 29-Jährige den uninspirie­rten Auftritt der Westfalen beim hoch motivierte­n Aufsteiger: „Das war von der Einstellun­g her nicht unser Anspruch. Wir müssen ganz schnell wieder die Form finden, die uns stark gemacht hat.“

Verbale Unterstürz­ung erhielt Schmelzer von Michael Zorc, auch der BVB-Sportdirek­tor war mit dem Auftritt der Dortmunder äußerst unzufriede­n und brachte seine harsche Kritik in zwei Sätzen auf den Punkt: „Das war pomadig, selbstgefä­llig und über weite Strecken Alibifußba­ll. Wenn du so auftritts, gewinnst du kein Spiel in der Bundesliga.“

Zwar forderte auch Bosz schon für den Champions-League-Auftritt am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) gegen APOEL Nikosia mehr Aggressivi­tät, doch das K-Wort umdribbelt­e der niederländ­ische Coach konsequent: „Da war keine Krise, und da ist keine Krise.“Doch die Zahlen sagen etwas anderes aus. In den vergangene­n drei Spielen hat Borussia Dortmund nur ein Remis geholt, einen Vorsprung von fünf Zählern verspielt und liegt nun drei Punkte hinter Tabellenfü­hrer Bayern München. Dabei kassierte der BVB neun Gegentore.

Die Bosz-Aussage ist also eine durchaus diskutable Sichtweise. Auch weil der Aufsteiger den BVBCode mit sehr einfachen Mitteln knackte: Lange Schläge über die hoch stehende Dortmunder Abwehrkett­e stürzten die Gäste von einer Verlegenhe­it in die andere.

Gleich zweimal (40./86.) schloss Ihlas Bebou solche Attacken mit sehenswert­en Toren ab, ein Foulelfmet­er von Jonathas (20.) und ein Freistoß von Felix Klaus (60.) besiegelte­n die zweite Saisonnied­erlage der Westfalen. Die Gegner wissen inzwischen, wo der BVB verwundbar ist. Sie haben den Code geknackt.

Doch auch davon will Bosz nichts wissen: „Ich habe schon vier Fragen bekommen, ob wir zu hoch stehen.“Seine Antwort: „Wenn wir gut stehen und gleich Druck machen, wenn wir den Ball verlieren, dann ist hoch zu stehen kein Problem.“

Ein Problem ist auf jeden Fall, dass Dortmund keinen Plan B besitzt. Trotz der offensicht­lichen Schwierigk­eiten gegen die aggressive­n und konterstar­ken Hannoveran­er gab es keine Umstellung, keine Reaktion von der Seitenlini­e. Während andere Mannschaft­en ihre Taktik während des Spiels wechseln oder zumindest anpassen, wenn es nicht läuft, beharrt Bosz auf seinem extrem offensiv ausgericht­eten 4-3-3.

Aber auch Hannover 96, als Tabellenvi­erter ist der Aufsteiger unbestreit­bar die positive Überraschu­ng der noch jungen Saison, tat sein Übriges. Zumindest offiziell will 96Trainer Andre Breitenrei­ter vom offizielle­n Ziel des Klassenerh­alts aber nicht abrücken: „Wir behalten unsere Bodenhaftu­ng, unsere Zielsetzun­g ändert sich nicht.“

Bei Dortmund müssen sie dagegen langsam reagieren, um ihre Ziele nicht zu gefährden. Bei ähnlicher Taktik und Einstellun­g wie in Hannover droht gegen Nikosia das Aus in der Champions League und am Samstag gegen Bayern die nächste Bundesliga-Pleite. Daher forderte Schmelzer, es gebe vor den richtungsw­eisenden Partien „einiges zu besprechen“.

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FOTO: AFP Ob Krise oder nicht – Marcel Schmelzer will alles nicht mehr sehen.

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