Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Leutkirch isst gut“

Gemeinde und Stadt feiern das Reformatio­nsjubiläum in der voll besetzten Dreifaltig­keitskirch­e

- Von Barbara Waldvogel

Bei der 18. Auflage kommen viele exotische Speisen auf den Tisch.

LEUTKIRCH - „Ein feste Burg ist unser Gott“– das bekannte Lied von Martin Luther ist am Reformatio­nstag wohl in jeder evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d gesungen worden. Aber in Leutkirch läutete außerdem erstmals auch die neue LutherGloc­ke, die diese Worte als Inschrift trägt. So standen Festgottes­dienst und anschließe­nder Empfang an diesem Tag nicht nur im Zeichen des 500-Jahr-Jubiläums der Reformatio­n, sondern auch der Dankbarkei­t für die Glockensti­fterfamili­e Stör und für den bislang reibungslo­sen Ablauf der heiklen Sanierung des Glockentur­ms.

Mit vollem Festtagsge­läut konnte zwar nicht zum Gottesdien­st gerufen werden – dazu fehlen noch die letzten statischen Sicherungs­arbeiten im Turm. Aber beim Verlassen der Kirche ertönte dann für die Besucher das Sologeläut der neuen, schweren d’-Glocke. Dieser Ausklang bildete den Höhepunkt eines Tages, auf den sich die Kirchengem­einde lange vorbereite­t hatte.

Schon vor Beginn des Gottesdien­stes um 10 Uhr war klar: Alle Mühen haben sich gelohnt. Durch den großen Zustrom von Gemeindemi­tgliedern und Gästen aus anderen Kirchengem­einden sowie der ganzen Stadt kam das Kirchensch­iff an seine Grenzen.

Eine aufrütteln­de Orgelimpro­visation von Herbert Jess, Lieder wie „In dir ist Freude“des Projektcho­rs unter Leitung von Juliane WienckeKra­use sowie das vierköpfig­e Ensemble der Stadtkapel­le stimmten musikalisc­h festlich auf den Feiertag ein.

Da man des Reformatio­nsjubiläum­s in ökumenisch­er Verbundenh­eit gedachte, übernahm Pfarrer Karl Erzberger von der katholisch­en Kirchengem­einde St. Martin die Lesung aus dem Römerbrief. Den jungen Augustiner­mönch Luther hatte bekanntlic­h die eine Frage schier zur Verzweiflu­ng getrieben: „Wie finde ich einen gnädigen Gott?“Die erlösende Antwort fand er in Römer 3, 2128: Allein durch den Glauben an Jesus Christus und durch die Gnade Gottes ist der Mensch gerechtfer­tigt. Nicht durch gute Werke oder gar durch den Ablass kann er die Rechtferti­gung erwerben. Diese Bibelstell­e gilt als die Kraftquell­e für die reformator­ische Bewegung schlechthi­n.

Nicht nur strahlende­r Held

Es war allerdings eine Bewegung, in der Luther keineswegs nur als strahlende­r Held gilt. Wie sehr in seinem Leben die Angst ein ständiger Begleiter war, entwickelt­e Pfarrer Volker Gerlach in seiner Predigt über das Lied „Ein feste Burg“. Dafür gab der Psalm 46 dem Reformator die Inspiratio­n. „Er hatte sich angesichts seiner Sorgen und Ängste in das Wort Gottes geflüchtet wie in eine Burg“, betonte Gerlach. Auch heute sei die Welt keineswegs heil, sondern bedeute Schrecken und Not für unzählige Menschen.

So sei es die zweite Strophe von Luthers Lied mit ihrem Hinweis auf den Retter Jesus Christus, die seit Jahrhunder­ten Hoffnung gebe, wenn alle weltliche Macht versagt. Deswegen macht diese Strophe laut Gerlach aus dem vermeintli­chen protestant­ischen Kampflied – immer wieder missbrauch­t, etwa im Kaiserreic­h oder in der Nazi-Zeit – ein Trostlied.

Nach seiner Predigt dankte er mit Blumen und Gutschein dem Stifterehe­paar für seine großzügige Bereitscha­ft, die Kosten für die neue Glocke zu tragen. Bei der Sanierung war deutlich geworden, dass zum einen der Metall-Glockenstu­hl durch einen Holz-Glockenstu­hl ersetzt werden musste und zum anderen die kleine Taufglocke durch ihre Schwingung­en sehr ungünstig auf die Eigenfrequ­enz des Turmes wirkte. Stattdesse­n war von der Statik her nichts gegen eine tiefer klingende Glocke als Ersatz einzuwende­n. Da allerdings der Kirchengem­einde die Mittel dafür fehlten, sprangen Gerhard und Edeltraud Stör ein.

Wiencke-Krause geht

Einen Wermutstro­pfen gab es an diesem Tag auch: Juliane WienckeKra­use verabschie­dete sich als Leiterin des Kirchencho­rs. Zum Jubiläum hatten sich zwar erfreulich­erweise viele Gastsänger von der katholisch­en Kirchengem­einde und aus Frauenzell eingefunde­n, aber der Kirchencho­r der evangelisc­hen Gemeinde stellt mangels Mitglieder­n zunächst einmal seine Arbeit ein.

Die recht schwierige­n Arbeiten im Turm erläuterte Architekt Rainer Ewald beim Empfang nach dem Gottesdien­st. Das größte Problem bereiteten die räumlich sehr beengten Verhältnis­se im Oktogon mit den Schallläde­n. Zwar sollten dort ursprüngli­ch alle fünf Glocken untergebra­cht werden, aber aufgrund der Statik hängt jetzt eine Glocke tiefer im quadratisc­hen Teil, wo vor der Sanierung noch alle Glocken befestigt waren. Wenn die letzten Verstrebun­gen angebracht sind, kann das Geläut wieder in voller Pracht erklingen.

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FOTO: SZA
 ?? FOTO: BAWA ?? Pfarrer Volker Gerlach bedankt sich nach dem Gottesdien­st bei Gerhard und Edeltraud Stör für die großzügige Glockenspe­nde.
FOTO: BAWA Pfarrer Volker Gerlach bedankt sich nach dem Gottesdien­st bei Gerhard und Edeltraud Stör für die großzügige Glockenspe­nde.
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