Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Leutkirch isst gut“
Gemeinde und Stadt feiern das Reformationsjubiläum in der voll besetzten Dreifaltigkeitskirche
Bei der 18. Auflage kommen viele exotische Speisen auf den Tisch.
LEUTKIRCH - „Ein feste Burg ist unser Gott“– das bekannte Lied von Martin Luther ist am Reformationstag wohl in jeder evangelischen Kirche in Deutschland gesungen worden. Aber in Leutkirch läutete außerdem erstmals auch die neue LutherGlocke, die diese Worte als Inschrift trägt. So standen Festgottesdienst und anschließender Empfang an diesem Tag nicht nur im Zeichen des 500-Jahr-Jubiläums der Reformation, sondern auch der Dankbarkeit für die Glockenstifterfamilie Stör und für den bislang reibungslosen Ablauf der heiklen Sanierung des Glockenturms.
Mit vollem Festtagsgeläut konnte zwar nicht zum Gottesdienst gerufen werden – dazu fehlen noch die letzten statischen Sicherungsarbeiten im Turm. Aber beim Verlassen der Kirche ertönte dann für die Besucher das Sologeläut der neuen, schweren d’-Glocke. Dieser Ausklang bildete den Höhepunkt eines Tages, auf den sich die Kirchengemeinde lange vorbereitet hatte.
Schon vor Beginn des Gottesdienstes um 10 Uhr war klar: Alle Mühen haben sich gelohnt. Durch den großen Zustrom von Gemeindemitgliedern und Gästen aus anderen Kirchengemeinden sowie der ganzen Stadt kam das Kirchenschiff an seine Grenzen.
Eine aufrüttelnde Orgelimprovisation von Herbert Jess, Lieder wie „In dir ist Freude“des Projektchors unter Leitung von Juliane WienckeKrause sowie das vierköpfige Ensemble der Stadtkapelle stimmten musikalisch festlich auf den Feiertag ein.
Da man des Reformationsjubiläums in ökumenischer Verbundenheit gedachte, übernahm Pfarrer Karl Erzberger von der katholischen Kirchengemeinde St. Martin die Lesung aus dem Römerbrief. Den jungen Augustinermönch Luther hatte bekanntlich die eine Frage schier zur Verzweiflung getrieben: „Wie finde ich einen gnädigen Gott?“Die erlösende Antwort fand er in Römer 3, 2128: Allein durch den Glauben an Jesus Christus und durch die Gnade Gottes ist der Mensch gerechtfertigt. Nicht durch gute Werke oder gar durch den Ablass kann er die Rechtfertigung erwerben. Diese Bibelstelle gilt als die Kraftquelle für die reformatorische Bewegung schlechthin.
Nicht nur strahlender Held
Es war allerdings eine Bewegung, in der Luther keineswegs nur als strahlender Held gilt. Wie sehr in seinem Leben die Angst ein ständiger Begleiter war, entwickelte Pfarrer Volker Gerlach in seiner Predigt über das Lied „Ein feste Burg“. Dafür gab der Psalm 46 dem Reformator die Inspiration. „Er hatte sich angesichts seiner Sorgen und Ängste in das Wort Gottes geflüchtet wie in eine Burg“, betonte Gerlach. Auch heute sei die Welt keineswegs heil, sondern bedeute Schrecken und Not für unzählige Menschen.
So sei es die zweite Strophe von Luthers Lied mit ihrem Hinweis auf den Retter Jesus Christus, die seit Jahrhunderten Hoffnung gebe, wenn alle weltliche Macht versagt. Deswegen macht diese Strophe laut Gerlach aus dem vermeintlichen protestantischen Kampflied – immer wieder missbraucht, etwa im Kaiserreich oder in der Nazi-Zeit – ein Trostlied.
Nach seiner Predigt dankte er mit Blumen und Gutschein dem Stifterehepaar für seine großzügige Bereitschaft, die Kosten für die neue Glocke zu tragen. Bei der Sanierung war deutlich geworden, dass zum einen der Metall-Glockenstuhl durch einen Holz-Glockenstuhl ersetzt werden musste und zum anderen die kleine Taufglocke durch ihre Schwingungen sehr ungünstig auf die Eigenfrequenz des Turmes wirkte. Stattdessen war von der Statik her nichts gegen eine tiefer klingende Glocke als Ersatz einzuwenden. Da allerdings der Kirchengemeinde die Mittel dafür fehlten, sprangen Gerhard und Edeltraud Stör ein.
Wiencke-Krause geht
Einen Wermutstropfen gab es an diesem Tag auch: Juliane WienckeKrause verabschiedete sich als Leiterin des Kirchenchors. Zum Jubiläum hatten sich zwar erfreulicherweise viele Gastsänger von der katholischen Kirchengemeinde und aus Frauenzell eingefunden, aber der Kirchenchor der evangelischen Gemeinde stellt mangels Mitgliedern zunächst einmal seine Arbeit ein.
Die recht schwierigen Arbeiten im Turm erläuterte Architekt Rainer Ewald beim Empfang nach dem Gottesdienst. Das größte Problem bereiteten die räumlich sehr beengten Verhältnisse im Oktogon mit den Schallläden. Zwar sollten dort ursprünglich alle fünf Glocken untergebracht werden, aber aufgrund der Statik hängt jetzt eine Glocke tiefer im quadratischen Teil, wo vor der Sanierung noch alle Glocken befestigt waren. Wenn die letzten Verstrebungen angebracht sind, kann das Geläut wieder in voller Pracht erklingen.