Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Stornierung aus Angst vor einem Anschlag
Manche Versicherer nehmen Terror mit ins Paket
TRIER (dpa) - Terrorismus soll Angst schüren. Und ein Terroranschlag im Urlaubsland kann die Reiselust zunichte machen. Jetzt gibt es Versicherungen dagegen.
Die Angst vor Anschlägen war lange Zeit kein Grund, von einer gebuchten Reise kostenlos wieder zurücktreten zu können. Reiserücktrittsversicherungen, die etwa jeder zweite Urlauber abschließt, zahlten bisher zum Beispiel bei Erkrankung, Unfall, Einbruch und Jobverlust die Kosten einer Stornierung – nicht aber, wenn einem Kunden die Reiselust verging, weil am Urlaubsort ein Anschlag passierte. Das hat sich seit den Anschlägen in Paris, Berlin, Nizza und Barcelona geändert.
Mittlerweile kann auch Terrorangst ein versicherter Grund für eine Reisestornierung sein. Aber noch ist diese „Terrorversicherung“kein Standard. Denn innerhalb der Versicherungsbranche ist man sehr unterschiedlicher Ansicht darüber, ob eine solche Police wirklich eine gute Idee ist. „Ich kann mir vorstellen, dass es in Zukunft weitere Reiseversicherer geben wird, die eine ähnliche Leistung anbieten werden“, sagt Florian Kulik, Leiter Vertrieb Reise bei Europ Assistance. Sein Unternehmen führte im April 2016 die Angst vor Terroranschlägen als Grund für einen Reiserücktritt ein. Und zwar so: Wenn sich im Umkreis von 200 Kilometern um die gebuchte Unterkunft innerhalb von 14 Tagen vor Reisebeginn ein Terroranschlag ereignet, zahlt die Versicherung die Stornierung einer Reise.
Versicherer sind uneins
Seit Mai 2017 ist auch die Allianz Global Assistance mit ihrem Elvia Komplettschutz auf diesem Markt präsent. Hier wird eine Stornierung gezahlt, wenn sich im Umkreis von 100 Kilometern vom gebuchten Reiseziel 30 Tage vor Reisebeginn ein Anschlag ereignet. Die Union Reiseversicherung hatte 2016 den Terrorschutz erprobt (Anschlag im Umkreis von 150 Kilometern sieben Tage vor Abreise). Derzeit prüft der Anbieter nach eigener Aussage, ob das Angebot fortgeführt wird oder nicht.
Andere wichtige Akteure auf dem Markt halten zumindest bisher wenig oder nichts von der Versicherung gegen Terrorangst. „Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse aus der Marktbeobachtung gibt es keine weiterführenden Ergebnisse“, erklärt eine Sprecherin der Europäischen Reiseversicherung, die zur Ergo gehört und Marktführer auf dem deutschen und anderen europäischen Märkten ist. Man werde das Thema aber genau im Auge behalten.
Und bei der Hanse Merkur, eigenen Angaben zufolge die zweitgrößte deutsche Reiseversicherung nach der ERV, ist das Interesse an einer Terrorversicherung gering. Einen nicht unerheblichen Teil des Geschäfts mache man online, sagt Chief Sales Officer Johannes Ganser. Und bei einer Umfrage sei von den Online-Anbietern von Reisen sehr klar zurückgekommen, „dass sie in der Buchungsstrecke das Thema Terror absolut nicht haben wollen“. Das Wort könne Online-Kunden abschrecken, weshalb es auch niemals auf Webseiten von Fluggesellschaften auftauche. Ganser ist überzeugt, dass eine Versicherung gegen Terrorangst nur dann Sinn macht, wenn die Definition des Versicherungsfalls großzügig gefasst ist. Das sehe er bisher nicht auf dem Markt.
Keine Erhöhung der Prämie
Sowohl bei Europ Assistance als auch bei der Allianz ist die Aufnahme von Terrorangst als Versicherungsgrund nicht mit einer Prämienerhöhung verbunden gewesen, betont Kulik. Unter jenen Schadensfällen, bei denen es sich nicht um Krankheit oder Unfall als Stornogrund handele, mache die Terrorangst sechs Prozent aus. Nach dem islamistischen Terroranschlag in London oder einer Terrorserie in der Türkei habe man beispielsweise für Stornierungen gezahlt. Auch bei der Allianz gibt es die Terrorversicherung nicht gesondert, sondern als Teil eines Storno-Komplettschutzes.
„Die Nachfrage nach Versicherungspaketen, die Stornomöglichkeiten bei Terroranschlägen beinhalten, ist gestiegen“, berichtet TuiSprecherin Kathrin Spichala. Kulik verweist auf eine wissenschaftliche Studie, wonach 80 Prozent der Befragten einer Versicherung gegen Terrorgefahr hohe oder sehr hohe Bedeutung zumessen. Ganser von der Hanse Merkur meint hingegen, man müsse eine solche Versicherung – wenn überhaupt – als eigenes Produkt mit guter Leistung und entsprechend hohen Prämien anbieten: „Aber es gibt dann keine Kundenrelevanz mehr.“Er halte es für unsinnig, die Terrorversicherung zum Beispiel auch von den Österreich- und Italienurlaubern mittragen zu lassen.