Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kein Freibrief für teure Verspreche­n

- Von Andreas Herholz wirtschaft@ schwaebisc­he. de

Rosaroter Himmel über dem Arbeitsmar­kt. Die Zahl der Beschäftig­ten in Deutschlan­d liegt auf Rekordnive­au. Mehr als eine Million offene Stellen bieten beste Chancen für gut ausgebilde­te Arbeitslos­e. Das Jobwunder hält an. Im goldenen Oktober geht die Zahl der Arbeitslos­en unter die Marke von 2,4 Millionen zurück und ist damit auf dem niedrigste­n Wert seit der Deutschen Einheit.

Das Ziel von Vollbeschä­ftigung, das sich auch die Jamaika-Partner auf die Fahne schreiben wollen, ist dank der anhaltend guten Konjunktur längst keine Illusion mehr. Die nächste Bundesregi­erung sollte die positive Entwicklun­g nicht nur als Geschenk betrachten und die Hände in den Schoß legen, sondern als Herausford­erung annehmen, alles dafür zu tun, dass dieses Hoch möglichst lange anhält. Der Appell der Arbeitgebe­r, die Sozialvers­icherungsb­eiträge unter 40 Prozent zu stabilisie­ren, darf nicht einfach verhallen. Es ist höchste Zeit für ein Investitio­nspaket, von der Schulsanie­rung über die Verkehrsin­frastruktu­r bis hin zur Digitalisi­erung, das die Konjunktur weiter beleben könnte. Wer jetzt teure Wahlverspr­echen umsetzen und über höhere Beiträge finanziere­n will, gefährdet den Aufschwung und riskiert einen Rückgang an Beschäftig­ung.

Zumal die Freude über die guten Zahlen nicht den Blick auf die immer noch sehr hohe Zahl von Langzeitar­beitslosen versperren darf. Denn so positiv sich der Arbeitsmar­kt darstellt, so brutal ist er auch: Er bietet viele Chancen, aber nur den Bewerbern, die gut ausgebilde­t sind, die in Zeiten von fortschrei­tender Digitalisi­erung und Technisier­ung sich den immer schneller verändernd­en Bedingunge­n anpassen und sich die erforderli­chen Fertigkeit­en aneignen.

Dieses Problem muss endlich ernsthaft angepackt werden. Ohne eine Verbesseru­ng der Ausbildung und Qualifizie­rung droht der Wirtschaft eine Verschärfu­ng des Fachkräfte­mangels mit dramatisch­en Folgen. Das Thema gehört ganz oben auf die Agenda von Union, FDP und Grünen bei ihren Sondierung­sgespräche­n. Sonst ist es mit dem Jobwunder bald wieder vorbei.

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