Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kein Freibrief für teure Versprechen
Rosaroter Himmel über dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland liegt auf Rekordniveau. Mehr als eine Million offene Stellen bieten beste Chancen für gut ausgebildete Arbeitslose. Das Jobwunder hält an. Im goldenen Oktober geht die Zahl der Arbeitslosen unter die Marke von 2,4 Millionen zurück und ist damit auf dem niedrigsten Wert seit der Deutschen Einheit.
Das Ziel von Vollbeschäftigung, das sich auch die Jamaika-Partner auf die Fahne schreiben wollen, ist dank der anhaltend guten Konjunktur längst keine Illusion mehr. Die nächste Bundesregierung sollte die positive Entwicklung nicht nur als Geschenk betrachten und die Hände in den Schoß legen, sondern als Herausforderung annehmen, alles dafür zu tun, dass dieses Hoch möglichst lange anhält. Der Appell der Arbeitgeber, die Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent zu stabilisieren, darf nicht einfach verhallen. Es ist höchste Zeit für ein Investitionspaket, von der Schulsanierung über die Verkehrsinfrastruktur bis hin zur Digitalisierung, das die Konjunktur weiter beleben könnte. Wer jetzt teure Wahlversprechen umsetzen und über höhere Beiträge finanzieren will, gefährdet den Aufschwung und riskiert einen Rückgang an Beschäftigung.
Zumal die Freude über die guten Zahlen nicht den Blick auf die immer noch sehr hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen versperren darf. Denn so positiv sich der Arbeitsmarkt darstellt, so brutal ist er auch: Er bietet viele Chancen, aber nur den Bewerbern, die gut ausgebildet sind, die in Zeiten von fortschreitender Digitalisierung und Technisierung sich den immer schneller verändernden Bedingungen anpassen und sich die erforderlichen Fertigkeiten aneignen.
Dieses Problem muss endlich ernsthaft angepackt werden. Ohne eine Verbesserung der Ausbildung und Qualifizierung droht der Wirtschaft eine Verschärfung des Fachkräftemangels mit dramatischen Folgen. Das Thema gehört ganz oben auf die Agenda von Union, FDP und Grünen bei ihren Sondierungsgesprächen. Sonst ist es mit dem Jobwunder bald wieder vorbei.