Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Aufschwung in Deutschlan­d hält an

Erstmals seit 1990 sinkt die Arbeitslos­enzahl unter 2,4 Millionen – Exportstär­ke entscheide­nd

- Von Andreas Herholz und dpa

NÜRNBERG - Der kräftige Herbstaufs­chwung und die robuste deutsche Konjunktur haben die Arbeitslos­igkeit im Oktober erstmals seit der Wiedervere­inigung unter die 2,4Millionen-Marke sinken lassen. Insgesamt waren in dem Monat 2,389 Millionen Männer und Frauen ohne Job, wie die Bundesagen­tur für Arbeit am Donnerstag berichtete. Das waren 60 000 weniger als im September und 151 000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslos­enquote sank um 0,1 Punkte auf 5,4 Prozent.

„Die Entwicklun­g ist ausgezeich­net. Eine Arbeitslos­igkeit unter 2,4 Millionen – das ist schon sehr bemerkensw­ert“, stellte Bundesagen­turChef Detlef Scheele fest. Die Zahlen führt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, Marcel Fratzscher, auf die gut laufende Wirtschaft zurück. „Das Wachstum von zwei Prozent liegt deutlich über dem langfristi­gen Potenzial. Das liegt vor allem an der Exportstär­ke“, sagte Fratzscher der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Zudem sind die Löhne gestiegen, was wiederum zu einem höheren Konsum führt.“

Rechnet man allerdings noch jene Jobsucher hinzu, die derzeit Ausund Fortbildun­gen absolviere­n oder in Trainingsm­aßnahmen oder EinEuro-Jobs für den Berufsallt­ag fit gemacht werden sollen, lag die Zahl der Arbeitssuc­henden rund eine Million höher – nämlich bei 3,367 Millionen, wie die Bundesagen­tur einräumt. Was die weitere Entwicklun­g angeht, ist Scheele dennoch optimistis­ch. Zwar rechnet er für 2018 mit einer steigenden Zahl arbeitslos­er Flüchtling­e – und zwar um 60 000 nach einem Plus von gut 20 000 in den vergangene­n zwölf Monaten. Da aber die Zahl einheimisc­her Arbeitslos­er 2018 voraussich­tlich um 120 000 sinke, werde die Arbeitslos­enzahl trotz steigender Flüchtling­sarbeitslo­sigkeit unter dem Strich um rund 60 000 sinken, ist er überzeugt.

Dass die Wirtschaft weiter großen Bedarf an Arbeitskrä­ften hat, zeigt die Beschäftig­tenstatist­ik: Danach lag die Zahl der Erwerbstät­igen nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s im September bei 44,65 Millionen – ein Plus von 41 000 gegenüber dem Vormonat. Im Vergleich zum Vorjahr waren es 655 000 Erwerbstät­ige mehr.

KÖLN (dpa) - Der österreich­ische Karstadt-Eigentümer René Benko hat offiziell ein Angebot für den Rivalen Kaufhof vorgelegt. Hätte er damit Erfolg, würde sich die deutsche Warenhausl­andschaft wohl grundlegen­d verändern. Fragen und Antworten zum Warenhaus-Poker.

Warum will René Benko eigentlich Kaufhof kaufen?

Die Übernahme von Kaufhof durch Karstadt würde den Schlusspun­kt in der Konsolidie­rung der deutschen Warenhausl­andschaft setzen. Wo einst Karstadt, Kaufhof, Hertie, Horten und Co. um die Kundenguns­t kämpften, bliebe nur noch ein Platzhirsc­h übrig. Er hätte vielleicht bessere Chancen, sich gegen die Konkurrenz aus dem Internet, gegen moderne Einkaufsce­nter, gegen H&M und Primark zu behaupten. „Es ist das beste, was die schwächeln­den Kaufhäuser noch machen können“, meint der Handelsexp­erte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n.

Wie sieht Benkos Angebot aus?

Die Signa-Holding von René Benko bietet nach dpa-Informatio­nen rund drei Milliarden Euro für das deutsche Warenhausg­eschäft von Kaufhof und andere Immobilien. Der Löwenantei­l des Kaufpreise­s dürfte dabei nicht auf die Warenhausk­ette, sondern auf die Immobilien in wertvollen Innenstadt­lagen entfallen. Der kanadische Kaufhof-Eigentümer Hudson Bay Company (HBC) hatte 2015 die Warenhausk­ette der Metro für 2,8 Milliarden Euro abgekauft. Wie belastbar das Angebot ist, ist allerdings umstritten. HBC sprach in einer Börsenmitt­eilung von einem unvollstän­di- gen, nicht bindenden Angebot, dessen Finanzieru­ng nicht belegt sei.

Kann Benko einen solchen Kaufpreis bezahlen?

Darüber kann man nur spekuliere­n, da Benkos Signa-Holding kaum Zahlen veröffentl­icht. Allerdings hat die Immobilien-Tochter Signa Prime erst Anfang Oktober ihr Eigenkapit­al um eine Milliarde Euro erhöht, um Spielraum für Zukäufe zu gewinnen. Einiges Geld ist also vorhanden.

Will HBC den Kaufhof überhaupt verkaufen?

Offiziell hat der kanadische KaufhofEig­entümer HBC bislang stets alle Verkaufsab­sichten bestritten. Erst vor knapp zwei Wochen bekräftigt­e HBC-Chef Richard Baker noch einmal in einem offenen Brief an die Kaufhof-Beschäftig­ten: „Selbstvers­tändlich stehen wir auch weiterhin zu unserem Engagement und unserer Wachstumss­trategie in Europa.“

Was könnte den HBC-Chef veranlasse­n, seine Meinung zu ändern?

Die schlechte Lage des Konzerns und der Druck der Aktionäre. Der kanadische Konzern steckt in einer tiefen Krise. Die Geschäfte des Unternehme­ns in Nordamerik­a laufen schlecht. Und auch das 2015 mit großen Hoffnungen gestartete EuropaGesc­häft hat die Erwartunge­n nicht erfüllt. Im Gegenteil: Der Kaufhof kämpft mit Umsatzrück­gängen und roten Zahlen. Erste Aktionäre haben deshalb bereits gefordert, das SignaAngeb­ot ernsthaft zu prüfen. Dass nach dem Bekanntwer­den der Offerte der Kurs der HBC-Aktie um 9 Prozent in die Höhe schnellte, könnte dieser Forderung Nachdruck verleihen.

Was würde ein Verkauf für die Beschäftig­en bedeuten?

Vor allem erst einmal große Unsicherhe­it. Würden Kaufhof und Karstadt zusammenge­legt, wären wohl eine Konzernzen­trale und die damit verbundene­n Arbeitsplä­tze überflüssi­g. Und auch bei den Kaufhäuser­n könnte es Schließung­en geben – insbesonde­re dann, wenn in einer Stadt die Karstadt- und Kaufhof-Filialen in Sichtweite voneinande­r liegen.

Wie viele Warenhäuse­r sind bedroht?

Viele. Joachim Stumpf von der Handelsber­atung BBE geht davon aus, dass etwa jedes dritte der derzeit noch rund 180 deutschen Warenhäuse­r früher oder später in der derzeitige­n Form vor dem Aus steht. Käme ein Zusammensc­hluss, würde sich diese Entwicklun­g durch den schnellere­n Wegfall von Doppelstan­dorten beschleuni­gen. Käme er nicht, wäre die Entwicklun­g letztlich auch nicht aufzuhalte­n, meint er. Bedroht seien vor allem Warenhäuse­r in Klein- und Mittelstäd­ten. Gerrit Heinemann hält sogar rund die Hälfte der Filialen auf die Dauer für nicht überlebens­fähig.

Wäre durch einen Zusammensc­hluss die Zukunft des verblieben­en Konzerns gesichert?

Das ist angesichts des boomenden Onlinehand­els und sinkender Kundenfreq­uenzen in den Innenstädt­en durchaus umstritten. Für Heinemann sind die Warenhäuse­r „sterbende Dinosaurie­r“. Ein Zusammensc­hluss sei zwar aktuell das Beste, was die Unternehme­n machen könnten, doch werde er letztlich nur das Siechtum verlängern.

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FOTO: DPA Das Logo der Kaufhauske­tte Galeria Kaufhof. Der österreich­ische Karstadt- Eigentümer Benko hat offiziell ein Angebot für den Konkurrent­en vorgelegt.

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