Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Asylverfahren belasten deutsche Gerichte
In Deutschland leben deutlich mehr Flüchtlinge als im Jahr 2014 – Jamaika-Sondierer uneins über Familiennachzug
BERLIN - 1,6 Millionen Schutzsuchende leben inzwischen in Deutschland. Das sind 850 000 mehr als noch 2014, wie aus neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Zusätzlich sorgen Meldungen über Zehntausende abgetauchte Flüchtlinge und eine Explosion der Asylklagen für Aufsehen. Die Antworten zur aktuellen Debatte liefert Tobias Schmidt.
Wie haben sich die Flüchtlingszahlen seit 2014 entwickelt?
Ende 2016 waren 1,6 Millionen Schutzsuchende beim Ausländerzentralregister gemeldet, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte. Ihre Zahl stieg seit 2014 um 851 000 und damit um 113 Prozent. 16 von 100 Ausländern halten sich inzwischen aus humanitären Gründen in Deutschland auf. Die Hälfte der Schutzsuchenden kam aus drei Herkunftsländern: Syrien, Afghanistan und Irak.
Wer von den Schutzsuchenden darf bleiben, wer nicht?
Bei 570 000 Flüchtlingen war Ende 2016 noch offen, ob sie bleiben dürfen, weil über ihren Asylantrag noch nicht entschieden worden ist. 872 000 Flüchtlinge (54 Prozent) genießen einen Schutztitel, viele haben aber nur ein befristetes Bleiberecht. Die Anträge von 158 000 Asylbewerbern wurden abgelehnt, sie sind da- mit grundsätzlich ausreisepflichtig. Drei Viertel von ihnen haben aber eine Duldung oder können noch Rechtsmittel einlegen. „Nachvollziehbar ausreisepflichtig“waren damit Ende 2016 laut Ausländerzentralregister 28 000 Menschen.
Ist diese Zahl verlässlich?
Die „Bild“-Zeitung berichtete von 65 000 Ausreisepflichtigen – eine Zahl, die vom Statistischen Bundesamt zurückgewiesen wurde. Ende 2016 bezogen 23617 Ausreisepflichtige Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass „Einzelne“aus dieser Gruppe Deutschland verlassen hätten oder untergetaucht seien, erklärte das Bundesinnenministerium. „Das bestätigt unsere Forderung nach einem europäischen Ein- und Ausreisesystem“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU).
Überlastet die Zahl der Asyl-Klagen die Gerichte?
Vom zweiten zum dritten Quartal stieg die Zahl der Verfahren um 38 500 auf insgesamt 321 837 an. Im Vorjahr gab es nur knapp 69 000 Gerichtsverfahren. Ein Großteil der Klagen in diesem Jahr stammt von afghanischen und syrischen Flüchtlingen, die hohe Erfolgschancen haben. Die Richter schlagen Alarm: „Die Verwaltungsgerichte sind so stark belastet, dass sich die Arbeit mit dem gegenwärtigen Personal nicht zeitnah bewältigen lässt“, erklärte Erich Müller-Fritzsche vom Vorstand des VerwaltungsrichterBundes.
Wie hoch sind die Asylkosten?
In den Jahren 2015 und 2016 haben Bund, Länder und Kommunen insgesamt fast 15 Milliarden Euro ausgegeben, vor allem Unterbringungskosten und Sachleistungen. Das waren 11,1 Milliarden Euro mehr als in den beiden Vorjahren. Für das Jahr 2018 hat das Bundesfinanzministerium insgesamt 21,8 Milliarden Euro an Flüchtlingskosten veranschlagt, darunter 6,6 Milliarden Euro zur Bekämpfung von Fluchtursachen.
Wollen die Jamaika-Sondierer den Zuzug begrenzen?
Die FDP ist inzwischen auf UnionsLinie eingeschwenkt und verlangt eine dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz. „Der Familiennachzug muss ausgesetzt bleiben, hier darf es keinen faulen Kompromiss geben“, bekräftigte Stephan Mayer die Unions-Position. „Wenn Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz ihre Angehörigen nach Deutschland holen können, entfaltet dies eine Sogwirkung.“Die Grünen pochen auf die Wiedereinführung des Familiennachzugs. Einig sind sich die Jamaikaner darin, dass die Asylverfahren beschleunigt werden müssen.