Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gott und die Grußformel
Ein schwäbischer Monteur ist gerade beim Reparieren eines Lifts, als sich jemand mit einem freundlichen „Grüß Gott“nähert. „So weit fahrt der Uffzug net nauf“, kommt trocken die Antwort. Ein Kalauer, gewiss. Aber in diesen Tagen des Reformationsjubiläums ist andauernd von der Annäherung an Gott die Rede, und da kann einem schon mal die Frage einfallen, was dieses Grüß Gott denn eigentlich bedeutet. Ist es wirklich als Imperativ zu verstehen, also als Aufforderung an den anderen, den lieben Gott zu grüßen? Natürlich nicht. Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Um es gleich klarzustellen: Es ist die gängige, übrigens konfessionsüberschreitende Grußformel in weiten Teilen Süddeutschlands, etwa in Württemberg und Bayern, sowie in Österreich und Südtirol. Diese südliche Note wird einem immer bewusst, wenn man in unseren Gefilden auf sein Grüß Gott hin mit einem
Gunn Tach beschieden wird. Das kann natürlich bedeuten, dass der andere seinen Atheismus dezidiert artikulieren will. Aber meistens stellt er damit – bewusst oder unbewusst – nur seine Herkunft von nördlich des Mains unter Beweis. Aber wie kommt es nun zu dieser missverständlichen Formulierung? Abstecher in die Literatur und das Liedgut des 19. Jahrhunderts bringen einen der Lösung schnell näher. So beginnt Gottfried Konrad Pfeffels bekanntes Gedicht „Die Tobakspfeife“mit den Worten: „Gott grüß Euch, Alter! Schmeckt das Pfeifchen?“Und „Grüß euch Gott alle miteinander“schmettert der Tenor in Carl Zellers unverwüstlicher Operette „Der Vogelhändler“. Also haben wir es bei diesem Grüß Gott schlichtweg mit einer Verknappung zu tun. Gemeint ist:
Es grüße dich/euch/Sie Gott. Es handelt sich demnach nicht um einen Imperativ, eine Befehlsform, sondern einen Optativ, eine Wunschform. Man wünscht seinem Gegenüber, dass Gott ihn grüßen möge. Und dieses
grüßen ist hier sprachhistorisch im Sinn von segnen zu verstehen. In Grüß Gott steckt also ein alter Segensspruch aus Zeiten, da die Bevölkerung noch gläubiger war. Das bayerische Pfüati statt Auf Wiedersehen ist übrigens ebenfalls ein solch eingedampfter Optativ, dem man den religiösen Hintergrund nicht mehr sofort ansieht. Ursprünglich hieß es Be
hüte dich Gott. Und schließlich lässt sich auch an unserem Allerweltswörtchen tschüss ablesen, wie verschüttet solche Bezüge heute sind. Wurzel dieses tschüss ist ein Abschiedsgruß von Seeleuten in Anlehnung an das spanische adiós, das sie überall auf den Weltmeeren hörten. Damit ist es verwandt mit dem französischen adieu, geht wie dieses auf das lateinische ad deum zurück und heißt wörtlich zu Gott oder Gott befohlen!
Noch ein Witz, aber nicht ohne Tiefgang: Ein süddeutscher Arzt hat einmal erzählt, er höre auf sein „Grüß Gott“hin oft ein spöttisches „Ja, wenn ich ihn sehe!“. Und dann pflege er zu kontern: „Hat sich vielleicht schneller, als Sie denken!“
Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg