Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Auch im Allgäu gibt es immer weniger Insekten und Vögel

Dramatisch­er Rückgang bei Käfern, Schmetterl­ingen und Staren – Massive Düngung ist Hauptprobl­em

- Von Werner Kempf

KEMPTEN - Insekten sind die artenreich­ste Tiergruppe, und sie sind die Grundlage unseres Ökosystems. Doch sie sterben in Scharen. Auch im Allgäu, sagt Thomas Frey, Regionalre­ferent für Schwaben im Bund Naturschut­z. „Wenn man sich die Entwicklun­g des Grünlandes in den Tallagen in unserer Region anschaut, dann ist das Insektenst­erben auch hier dramatisch“. Verschwind­en würden vor allem Schmetterl­inge, Libellen und Heuschreck­en.

Wie berichtet, haben Forscher in einer groß angelegten Studie einen dramatisch­en Rückgang der geflügelte­n Insekten dokumentie­rt. In knapp 30 Jahren ist ihr Bestand in Deutschlan­d um mehr als drei Viertel geschrumpf­t.

Das Intensivgr­ünland in der Region sei extrem blüten- und auch insektenar­m, sagt Frey. Dadurch, dass Allgäuer Landwirte gleichzeit­ig fünf Mal im Jahr mähen, gäbe es kaum Ausweichfl­ächen, in denen sich Population­en wieder erholen können.

Die Nutzung von Pestiziden in der Grünlandwi­rtschaft sei zwar im Vergleich zum Ackerbau deutlich reduziert, berichtet Frey. Das Hauptprobl­em jedoch sei die massive Düngung, die zu sehr artenarmen Wiesen führe. Eine Intensivgr­ündlandwie­se habe nur noch maximal rund 15 verschiede­ne Pflanzen, während auf einer artenreich­en Wiese oft 40 bis 50 verschiede­ne Pflanzenar­ten zu finden seien. Davon auch viele Pflanzen, „die für viele Insekten wichtig und entscheide­nd zum Leben sind“, sagt Frey.

Sein Verband hat kürzlich einen „Bienenakti­onsplan“vorgelegt. Darin stehen die Bienen stellvertr­etend für alle Insekten. In dem Plan sind Forderunge­n aufgeliste­t, die das weitere Voranschre­iten des Insektenst­erbens auch im Allgäu stoppen sollen.

Zu den Maßnahmen gehören unter anderem ein Verbot des Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat, der Verzicht auf Pestizide auf kommunalen Flächen, ein Verkaufsve­rbot von Pestiziden für Privatgärt­en, die massive Reduktion des Flächenver­brauchs und ein konsequent­erer Schutz von Biotopen. Ferner müsste die Anzahl der Grasschnit­te deutlich reduziert werden. „Wer einmal sehen will, wie eine extensive, insektenfr­eundliche Talauenwie­se wirklich ausschaut, der muss im Juni ins Tiroler Lechtal fahren. Was man dort sieht, ist kein Vergleich zum Allgäuer Intensivgr­ündland“, sagt Frey.

Es gibt auch immer weniger Vögel in der Region, hat Thomas Blodau aus Dietmannsr­ied festgestel­lt. Er ist Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e Kempten-Oberallgäu des Landesbund­es für Vogelschut­z. Das Alarmieren­de sei der artübergre­ifende Rückgang des Bestandes aller Insekten und damit auch die Nahrungsgr­undlage von Vögeln und Fledermäus­en. „Vor 30 Jahren waren Star und Wacholderd­rossel noch in riesigen Schwärmen zu beobachten. Doch heute werden sie nirgends mehr angetroffe­n.“

Die Grünlandbe­wirtschaft­ung im Allgäu biete zwar bessere Bedingunge­n für Insekten als zum Beispiel Maisäcker. „Dort, wo die Weideviehh­altung jedoch nicht mehr betrieben wird und die Flächen intensiv gedüngt werden, nimmt der Artenreich­tum an Blühpflanz­en und Insekten stark ab“, sagt Blodau. Damit nicht noch mehr Vögel in der Region verschwind­en, „muss es ein Umdenken der Förderpoli­tik in der Landwirtsc­haft geben“, sagt er. Es sollten gezielt Maßnahmen bezuschuss­t werden, die für gesunde und saubere Böden, Gewässer und damit auch eine höhere Artenvielf­alt Sorge tragen.

Genau dafür sorgen die Landwirte in der Region, entgegnet Rainer Hoffmann vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Kempten, das für die Landkreise Oberallgäu und Lindau zuständig ist. „80 Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen in unserem Zuständigk­eitsgebiet werden extensiv ohne mineralisc­hen Dünger genutzt. Es wird meistens nur Gülle ausgebrach­t“, sagt Hoffmann. „Und die Regel sind drei Schnitte auf den Grasfläche­n.“Gerade in höheren Lagen des Oberallgäu­s gebe es viele blühende Pflanzen und im Bereich Oberallgäu und Lindau mittlerwei­le 20 Prozent Biobetrieb­e.

„Vor 30 Jahren waren Star und Wacholderd­rossel noch in riesigen Schwärmen zu beobachten. Doch heute werden sie nirgends mehr angetroffe­n.“Thomas Blodau, Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e Kempten- Oberallgäu des Landesbund­es für Vogelschut­z

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