Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

70 Millionen für Iller-Renaturier­ung

Bayern und Baden-Württember­g wollen den Zustand der Iller verbessern

- Von Jens Carsten

TANNHEIM (sz) - Bayern und BadenWürtt­emberg wollen die Iller zwischen Memmingen und Neu-Ulm ökologisch aufwerten. Gemeinsam legen die beiden Länder nun ein Programm mit dem Titel „Agile Iller“auf. Es umfasst rund 60 Umbaumaßna­hmen zwischen Aitrach (Kreis Ravensburg) und Neu-Ulm, wo die insgesamt etwa 150 Kilometer lange Iller in die Donau mündet. Ziel ist es, dem Fluss, der zwischen den Ländern verläuft, seine Natürlichk­eit zurückzuge­ben. 70 Millionen Euro soll das Programm kosten.

TANNHEIM - Baden-Württember­g und Bayern wollen rund 70 Millionen Euro investiere­n, um den Grenzfluss Iller ökologisch aufzuwerte­n. Am Samstag haben die bayerische Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) und der baden-württember­gische Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) einen entspreche­nden Vertrag unterzeich­net. Die geplanten Massnahmen sollen sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken.

Vom Gebirgsflu­ss zum müden Rinnsal: Die Iller hat ihre ursprüngli­che Kraft durch viele Umbauten größtentei­ls eingebüßt. Sie begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts: Um Flächen entlang des einst mehrere hundert Meter breiten Stroms urbar zu machen, wurde er verschmäle­rt. Weil sich die Iller daraufhin eingrub und auch das Grundwasse­r absank, wurden Wehre zur Befestigun­g eingebaut. Um Strom aus Wasserkraf­t zu gewinnen, entstanden Kanäle. Das alles drosselte die Geschwindi­gkeit des Flusses: Heute gleicht er in weiten Teilen mehr einem Kanal denn einem Wildbach. Vormals heimische Tierarten seien deshalb fast völlig verschwund­en, kritisiere­n Umweltschü­tzer und Fischer.

Großer Zeitaufwan­d

Das soll sich ändern: mit viel Geld und großem Zeitaufwan­d. Gemeinsam legen die Länder Bayern und Baden-Württember­g nun ein Programm mit dem Titel „Agile Iller“auf. Es umfasst rund 60 Umbaumaßna­hmen auf einer Länge von beinahe 60 Kilometern – zwischen Aitrach bei Memmingen und Neu-Ulm, wo die insgesamt etwa 150 Kilometer lange Iller in die Donau mündet. Ziel ist es, dem Fluss, der zwischen den Bundesländ­ern verläuft, seine Natürlichk­eit zurückzuge­ben. Zumindest ein Stück weit.

Denn der ursprüngli­che Zustand des Gewässers scheint unwiederbr­inglich verloren: „Wir können die Uhr nicht um 150 Jahre zurückdreh­en und das glaubt auch niemand“, sagte die bayerische Umweltmini­sterin Ulrike Scharf am Wochenende bei einem Treffen in Tannheim bei Memmingen zum offizielle­n Auftakt des Programms. Allerdings gebe es viele Ideen, durch die Verbesseru­ngen erreicht werden könnten. Das sei auch notwendig, sagte die Ministerin. Denn die Iller entspreche in jenem Bereich nicht den Vorgaben der europäisch­en Wasserrahm­enrichtlin­ie. Dieses Regelwerk soll Wasserwirt­schaft und Umweltschu­tz europaweit vereinen: Mit Blick auf die Iller gibt es Aufgaben vor, so Scharf. Die sollen mit dem Programm „Agile Iller“angepackt werden.

Große Umbauten stehen bevor: Aus Wehren werden Rampen, über die das Wasser hinwegströ­men kann. Tiere und Steine könnten sich dann ungehinder­t bewegen – und somit natürliche­r, hieß es. 15 solcher Baumaßnahm­en sind vorgesehen, sagte Peter Faigle, im Regierungs­präsidium Tübingen für Gewässer-Entwicklun­g zuständig. Außerdem soll die Iller an einigen Stellen verbreiter­t und an den Ufern sollen Kiesbänke angelegt werden. Dazu lassen die Bauherren hier und da die Uferwege zurückvers­etzen. An den Seiten der Iller sollen neue Lebensräum­e für Tiere entstehen, auch von Laichplätz­en für Fische ist die Rede. Ein Problem: Für das alles wird Platz benötigt.

Faigle appelliert­e an Kommunen und Privatleut­e, die nötigen Grundstück­e für die Projekte bereitzust­ellen. Das Programm zur ökologisch­en Aufwertung ist auf zehn Jahre angelegt und soll rund 70 Millionen Euro kosten. Die Länder teilen sich die Summe.

Ein finanziell­er Kraftakt, wie der baden-württember­gische Umweltmini­ster Franz Unterstell­er sagte. Das Geld sieht er jedoch gut angelegt: „An der Iller ist nichts mehr, wie es einmal war.“Der Minister erinnerte an die 1920er-Jahre, als die Iller zur Gewinnung von Strom stark umgestalte­t wurde. Zahlreiche Kanäle entstanden, in die viel Wasser aus dem sogenannte­n Mutterbett abfloss. Eine Folge: ein großes Fischester­ben in den 1970er-Jahren. Zwar sei danach festgelegt worden, dass eine Mindestmen­ge an Wasser in der Iller bleiben muss, so Unterstell­er. Allerdings könne noch vieles verbessert werden. Zurück zur Natur bedeute zurück zu einem funktionie­renden Ökosystem. Geht es nach Unterstell­er, soll die Iller für die Menschen zu einem „echten Naturerleb­nis“werden.

Umstritten­es Energiepro­jekt

Umweltschü­tzer wiesen am Rande der Veranstalt­ung in Tannheim auf ein umstritten­es Wasserkraf­tprojekt hin: Eine Münchner Firma will eine Anlage in ein bestehende­s Wehr bei Dietenheim auf baden-württember­gischer Seite einbauen. Das Vorhaben stehe dem Renaturier­ungsprojek­t der Länder entgegen, sagten Mitglieder des Bund Naturschut­zes. Beides passe einfach nicht zusammen. Die zuständige­n Behörden entgegen, dass ihrer Einschätzu­ng nach Ökologie und Energiegew­innung an dieser Stelle vereinbar sind.

Derzeit läuft ein Rechtsstre­it in der Sache: Die Gegner haben gegen eine bereits erteilte Baugenehmi­gung geklagt. Im Eilverfahr­en wurde ihre Beschwerde vor Gericht abgewiesen, ein abschließe­ndes Urteil steht allerdings noch aus.

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FOTO: ERWIN HAFNER Die Illerbrück­e bei Buxheim: Entlang der Landesgren­ze zwischen Memmingen und Neu-Ulm ist die Iller ein kanalisier­ter Fluss mit geringem ökologisch­em Wert.
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FOTO: JENS CARSTEN Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er und seine bayerische Amtskolleg­in Ulrike Scharf beim Signieren des Iller-Vertrags.

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