Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Industrie fordert Klima-Investitionen
DIHK sieht Geschäftschancen in Umwelttechnologie – Gipfel will Pariser Vertrag umsetzen
BERLIN - Vor dem Beginn der Klimakonferenz in Bonn hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mehr Investitionen in das Energiesparen und für den Klimaschutz gefordert. „Nimmt die Staatengemeinschaft den Pariser Klimaschutzvertrag ernst und erhöht ihre energie- und klimarelevanten Investitionen, ergeben sich für deutsche Unternehmen auch neue Geschäftschancen, insbesondere beim Export von Umwelttechnologien“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Schweitzer beklagte, dass „kaum ein anderes Land“Deutschland auf dem Pfad der Energiewende folge. „Während in den meisten Vertragsstaaten noch große Potenziale schlummern, ist bei uns schon viel ausgereizt. Hier wurden weit mehr als nur die tief hängenden Früchte beim Klimaschutz bereits geerntet“, zog der DIHK-Präsident eine positive Bilanz der deutschen Aktivitäten.
Von dem Klimagipfel erhofft sich die Wirtschaft „wichtige Impulse für die Umsetzung des Abkommens von Paris“. Die Konferenz werde zum Erfolg, „wenn wir dort den notwendigen weltweit einheitlichen Standards für die Messung, Berichterstattung und Überprüfung der nationalen Klimaschutzbeiträge einen konkreten Schritt näherkommen“, meinte Schweitzer. Alle UN-Partner sollten hierzu für die in Paris in Aussicht gestellten Klimaschutzbeiträge „verbindliche Maßnahmen verabreden“.
Zur bisher größten zwischenstaatlichen Konferenz in Deutschland sollen von heute an etwa 25 000 Menschen aus rund 195 Ländern in Bonn zusammenkommen. Nachdem USPräsident Donald Trump im Sommer einen Ausstieg der USA aus dem 2015 in Paris beschlossen Klimaschutzabkommen angekündigt hat, geht es für die verbliebenen Nationen darum, Regeln zu definieren, wie die vereinbarten Ziele erreicht werden können. „Ein Erfolg ist, wenn wir uns darauf verständigen, wie wir gegenseitig messen und uns gegenseitig nicht beschummeln“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Am Wochenende demonstrierten mehrere Tausend Braunkohlegegner im rheinischen Tagebaurevier für einen schnellen deutschen Kohleausstieg.
WASHINGTON/BONN (AFP/dpa/ epd) - Die Welt berät in Bonn über die Rettung des Klimas, heute geht es los. Zuvor haben Demonstranten im rheinischen Tagebaurevier Druck auf die Bundesregierung gemacht. Vor dem Auftakt der Weltklimakonferenz erhielten die Umweltschützer ausgerechnet aus den USA Beistand.
Ungeachtet der strittigen Position von Präsident Donald Trump heißt es in einem von 13 US-Behörden veröffentlichten Dokument, dass die globale Erwärmung zum weitaus größten Teil von Menschenhand verursacht werde. Zudem warnen die Autoren vor einem möglichen Anstieg der Meeresspiegel um bis zu 2,44 Meter bis zum Jahr 2100.
Es sei „extrem wahrscheinlich, dass menschliches Handeln – insbesondere der Ausstoß von Treibhausgasen – die vorherrschende Ursache für die seit Mitte des 20. Jahrhunderts beobachtete Erwärmung“sei, resümierten die Experten in dem 600-seitigen Gutachten. Für die Erderwärmung gebe es „keine überzeugende alternative Erklärung“.
Die Experten halten in dem Bericht fest, dass die Temperaturen auf der Erde in den 115 Jahren zwischen 1901 und 2016 um ein Grad Celsius gestiegen sind: „Unsere Zeit ist nun die wärmste in der Geschichte der modernen Zivilisation.“Es habe zudem in den vergangenen 1700 Jahren keine Epoche gegeben, in der die Durchschnittstemperaturen so schnell gestiegen seien wie in den vergangenen Jahrzehnten.
Der Bericht wurde von der Behörde für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) zusammengestellt und nach deren Angaben vom Weißen Haus zur Veröffentlichung freigegeben. Finanziert wurde die Studie unter anderem mit Mitteln des Energieministeriums und der Raumfahrtbehörde Nasa.
Es geht darum, Regeln zu finden
Mitglieder von Trumps Regierung hatten immer wieder in Abrede gestellt, dass fossile Brennstoffe den Klimawandel verursachen. Im Juni kündigte Trump den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaschutzabkommen an. Darin ist das Ziel festgeschrieben, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. In Bonn wird es bis zum 17. November darum gehen, Regeln zu definieren, wie die vereinbarten Ziele erreicht werden können.
Braunkohlegegner forderten am Sonntag im rheinischen Revier einen schnellen deutschen Kohleausstieg. Mehrere Hundert Umweltaktivisten drangen in den Tagebau Hambach ein, um gegen die Braunkohleverstromung – die als mit Abstand klimaschädlichste Form der Stromgewinnung gilt – zu protestieren. Bereits am Samstag hatten in Bonn die ersten Demonstrationen mit rund 10 000 Klimaschützern begonnen.
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte vor der Weltklimakonferenz die Rolle der Bundesrepublik. Deutschland müsse zeigen, „dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg keine Gegensätze sind“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Nur wenn wir unter Beweis stellen, dass eine anspruchsvolle Klimapolitik
nicht dazu führt, dass Arbeitsplätze und industrieller Erfolg darunter leiden, werden uns andere Länder folgen.“
Nach einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“sind 59 Prozent der Deutschen dafür, dass die nächste Bundesregierung den Kohleausstieg beschließt, und 31 Prozent dagegen. 69 Prozent der 504 Befragten wollen demnach Umwelt- und Klimaschutz im Zweifel Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen geben, 27 Prozent wollen das nicht.