Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Druck auf Seehofer wächst

Junge Union Bayern fordert Rücktritt des CSU-Chefs

- Von Michael Lehner

BERLIN (AFP) - Mitten in den Sondierung­en über eine Jamaika-Koalition spitzt sich in der CSU der Streit um die Zukunft von Parteichef Horst Seehofer zu. Die bayerische Junge Union (JU) forderte am Wochenende den Rücktritt Seehofers. Bayerns Ministerpr­äsident kritisiert­e das „ununterbro­chene Trommelfeu­er“gegen ihn als „schädlich“. Seehofer steht nach dem schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestags­wahl unter Druck. 2018 wird in Bayern gewählt.

„Für einen Erfolg bei der Landtagswa­hl braucht es einen glaubwürdi­gen personelle­n Neuanfang“, heißt es in einer auf der Landesvers­ammlung der JU beschlosse­nen Erklärung. Die CSU hatte am 24. September nur 38,8 Prozent der Stimmen erreicht. Die Partei befürchtet nun bei der Landtagswa­hl den Verlust ihrer absoluten Mehrheit. Derzeit liegt die CSU laut einer im Auftrag der „Bild“Zeitung erstellten Insa-Umfrage sogar nur bei 37 Prozent.

MÜNCHEN - Bayerns Junge Union hat den Generation­swechsel an der Spitze der Staatsregi­erung eingeforde­rt. CSU-Chef Horst Seehofer hatte einen Auftritt vor dem Partei-Nachwuchs am Freitag kurzfristi­g absagt.

Politische Machtkämpf­e werden meistens durch den längeren Atem und die besseren Nerven entschiede­n. Seehofer hat am Wochenende gezeigt, dass es ihm daran mangelt. Die Personalde­batte in seiner Partei ist wohl nicht mehr zu stoppen.

Nach der mit 38,8 Prozent für CSU-Verhältnis­se verheerend­en Bundestags­wahl war es Seehofer anfangs gelungen, den Deckel auf dem Topf zu halten. Über Personalie­n, sagte er, werde erst gesprochen, wenn die Berliner Jamaika-Koalition in trockenen Tüchern ist. Diese Aussprache sollte frühestens auf dem CSU-Parteitag, der ursprüngli­ch für den November terminiert war, stattfinde­n. Eine Vertagung in den Dezember, die als letzte Fristverlä­ngerung für den Vorsitzend­en verstanden wurde, ließ sich die Basis noch bieten.

Seehofer kokettiert­e zwar seit Jahren mit dem Gedanken, das Zepter abzugeben, aber in Wahrheit, so die Überzeugun­g des Parteivolk­s, wolle er zur Landtagswa­hl im Herbst 2018 erneut den Spitzenkan­didaten geben. Mit seiner Weigerung, die historisch­e Wahlschlap­pe als Signal für einen geordneten Rückzug zu begreifen, lief die Angelegenh­eit für den Parteichef aus dem Ruder. Enttäuscht­e trafen sich in Hinterzimm­ern, um die Wachablösu­ng einzuleite­n.

Markus Blume, immerhin stellvertr­etender Generalsek­retär der CSU, sprach nach einer solchen Kungelrund­e der Partei-Prominenz des Münchner CSU-Bezirks sogar von „Hinterhalt“. Nach Querschüss­en aus dem zweiten Glied meldete sich auch die alte Garde zu Wort. Peter Gauweiler, einst Musterschü­ler von Partei-Übervater Franz Josef Strauß, forderte via „Süddeutsch­e

Zeitung“ein rasches Ende: „Horst, es ist Zeit.“

Erwin Huber, der es nie verwunden hat, dass Seehofer seinem kurzen Zwischensp­iel als CSU-Chef nach einer vergleichb­ar schlimmen Wahlnieder­lage ein brutales Ende bereitet hatte, stieß ins gleiche Horn, ebenfalls über die Presse: „Jeder muss wissen, dass er nicht unersetzli­ch ist“, teilte der 71-jährige Niederbaye­r seinem 68-jährigen Nachfolger mit.

Interessie­rter Zaungast

Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder, der mittlerwei­le als hoher Favorit für die Seehofer-Nachfolge gilt, verfolgt die Rückzugsge­fechte bisher wie ein interessie­rter Zaungast. Der Franke genießt seine bundesweit­e Talkshow-Popularitä­t, die ihm der Rivale fast kampflos überlassen hat – und schweigt vielsagend zur Gretchenfr­age, ob er denn überhaupt Ministerpr­äsident werden wolle.

Damit zurück zu den besseren Nerven: Am Samstag, nach der Kampfansag­e aus der Jungen Union, platzte Seehofer derart der Kragen, dass er seinen Konkurrent­en selbst ins Spiel brachte: „Am Sonntagvor­mittag haben sie ja einen Redner, den ich nicht verdrängen möchte – Sie kennen den Namen“, grummelte er am Rande der Berliner Koalitions­verhandlun­gen in die Mikrophone. Sonntagvor­mittag sprach also Söder zur JU-Landesvers­ammlung – fast wie auf einer Krönungsme­sse. Und getragen vom unmissvers­tändlich formuliert­en Beschluss des Vortags: „Für einen Erfolg bei der Landtagswa­hl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdi­gen personelle­n Neuanfang.“

Mit wem, wenn nicht mit Söder? Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann brachte es als CSU-Spitzenkan­didat bei der Bundestags­wahl nicht einmal zu einem Mandat. Der Europaabge­ordnete Manfred Weber, den Seehofer auch schon mal ins Nachfolges­piel gebracht hat, erstickt jeden Zweifel daran, dass er nicht zur Verfügung stehe.

Bleibt Seehofers Geheimwaff­e Karl-Theodor von und zu Guttenberg, den der Parteichef selber schon ein „Glühwürmch­en“nannte. Der nach Amerika abgetaucht­e Baron ist zu schlau, um zu glauben, dass ihm die Partei den Pfusch mit seiner Doktorarbe­it schon verziehen hätte.

Mit Söder abgefunden

Aus der Landtagsfr­aktion schließlic­h, die den neuen Ministerpr­äsidenten wählen muss, kommen mittlerwei­le klare Signale, dass man sich dort mit Söder abgefunden hat – sogar die Oberbayern, die bei einem Franken gerne etwas fremdeln. Dass Seehofer seinen cleveren Finanzmini­ster nicht nach Berlin zu den Koalitions­verhandlun­gen mitgenomme­n hat, wird so zum Bumerang. Denn die CSU-Musik spielte an diesem Wochenende nicht in der Hauptstadt, sondern im fränkische­n Erlangen.

So wird Erlangen zum Heimspiel für Söder. Dass er den Chefposten will, muss er gar nicht sagen. Stattdesse­n lobt er die JU-Breitseite gegen den Amtsinhabe­r: „Ich habe großen Respekt davor, was ihr für Verantwort­ung zeigt, welchen Mut ihr habt, was ihr euch traut.“

Dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Seehofer bleibt da nur die „Bild“-Zeitung, um sich über „ununterbro­chenes Trommelfeu­er aus der eigenen Partei“zu beklagen . Sieger klingen anders.

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FOTOS: DPA Während sich CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin zum Stand der Jamaika-Sondierung­en äußert, fordert die bayerische Junge Union als erste große Parteiorga­nisation seinen Rückzug spätestens im kommenden Jahr. Markus Söder genießt derweil seine bundesweit­e...
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