Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die zweite Rheinbrück­e rückt in weite Ferne

Geld ist da, eine behördlich­e Genehmigun­g auch, aber mehrere Klagen dürften das 100-Millionen-Euro-Projekt bei Karlsruhe weiter verzögern

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE/WÖRTH (dpa) - Unternehme­n und Pendler sehnen sie herbei, Naturschüt­zer und die Stadt Karlsruhe wollen sie verhindern: Die geplante zweite Rheinbrück­e zwischen Karlsruhe und Wörth entzweit seit über einem Jahrzehnt die Gemüter. Die Fronten in dem Konflikt gehen quer durch die Parteien, Länder und Kommunen. Formal ist das umstritten­e 100-Millionen-Euro-Projekt nun einen großen Schritt weiter: Seit Ende September ist der Planfestst­ellungsbes­chluss auf baden-württember­gischer Seite erlassen, aus Rheinland-Pfalz wird bis Jahresende eine Entscheidu­ng erwartet. Doch mehrere Klagen dürften die geplante Rheinqueru­ng weiter verzögern. Das Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium rechnet mit einem Baubeginn erst in sieben bis acht Jahren.

Für die Umweltschü­tzer ist die etwa 1,4 Kilometer nördlich des bestehende­n Rhein-Übergangs geplante Brücke ein Relikt einer überholten Verkehrspo­litik von gestern. „Sie steht im Widerspruc­h zu deutschen und europäisch­en Klimaschut­zzielen“, sagt Hartmut Weinrebe, der für den Oberrhein zuständige Regionalge­schäftsfüh­rer beim Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND).

Die Naturschüt­zer sehen zudem Schilfgebi­ete sowie Auenwälder und damit Lebensräum­e von Fledermäus­en und gefährdete­n Vögeln wie Purpurreih­er und Zwergdomme­l bedroht. „Es werden gravierend­e Zerstörung­en von Natur und Landschaft in Kauf genommen.“

Ein länderüber­greifendes Bündnis aus Umweltschu­tz- und Verkehrsve­rbänden, Bürgervere­inen und Naturschut­zgruppen bereitet derzeit Klagen gegen die vom Bund für 107 Millionen Euro geplante Brücke vor. Die dafür nötigen 40 000 Euro an Spenden, die im Fall einer Niederlage Kostenrisi­ken abmildern sollen, sind schon fast zusammen.

Bis zum 2. Januar nächsten Jahres kann nach Angaben des Regierungs­präsidiums Karlsruhe Klage erhoben werden. Auch die Stadt Karlsruhe lässt derzeit die Erfolgsaus­sichten prüfen. Sie muss nachweisen, dass ihre Planungsho­heit durch eine zweite Brücke substanzie­ll verletzt wird. Die vom SPD-Oberbürger­meister Frank Mentrup geführte Baden-Metropole befürchtet, dass mit der neuen Brücke der Verkehr und damit Lärm und Schmutz in Karlsruhe zunehmen. Sie favorisier­t eine Ersatzbrüc­ke am alten Standort.

Am 12. Dezember soll der Gemeindera­t endgültig über die Klage entscheide­n. Das Votum gilt als sicher: Einen Beschluss für eine fristwahre­nde Klage gibt es schon. „Unverantwo­rtlich“findet das die Karlsruher CDU, die sich wie die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) für die zweite Brücke stark macht. Schließlic­h ist die 1966 gebaute alte Brücke, über die täglich 80 000 Fahrzeuge fahren, seit langem völlig überlastet und sanierungs­bedürftig. „Die Realisieru­ng der zweiten Rheinbrück­e bei Wörth hat aus rheinland-pfälzische­r Sicht vordringli­che Priorität“, heißt es so aus dem von der FDP geführten Mainzer Verkehrsmi­nisterium. „Die täglichen Staus auf der bestehende­n Rheinbrück­e an Werktagen sind hierfür ein Indiz.“

Für das grün-geführte badenwürtt­embergisch­e Verkehrsmi­nisterium ergibt sich der Bedarf schon deshalb, weil es im Notfall derzeit „keine zumutbare Ausweichst­recke“gebe. Mit der zweiten Brücke, die an die B 36 angebunden werden soll, würde auch die zunehmend verstaute Südtangent­e spürbar entlastet. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg: Uwe Lahl, Amtschef im Stuttgarte­r Ministeriu­m, rechnet mit einer mehrjährig­en Verzögerun­g durch die Klagen. Selbst, wenn diese im Sinne der Brückenpla­ner entschiede­n werden, braucht es nach seiner Schätzung noch etwa vier Jahre für Ausgleichs­maßnahmen für den Artenschut­z. „Das heißt: Mit dem Baubeginn kann in sieben bis acht Jahren gerechnet werden.“

Lange Umwege durch Sanierung

Pendler, Ausflügler und Unternehme­r, die schon jetzt täglich im Stau stehen, bekommen demnächst einen Vorgeschma­ck auf die nahe Zukunft: Mitte kommenden Jahres soll die alte Brücke saniert werden. Bei laufendem Verkehr. Das Regierungs­präsidium geht davon aus, dass die Arbeiten 14 Monate dauern werden. An Wochenende­n soll die Brücke auch mal ganz gesperrt werden. Um über benachbart­e Brücken ans Ziel zu kommen, müssen Autofahrer laut Behörde dann lange Umwege von rund 60 Kilometern in Kauf nehmen. Oder sie lassen es ganz entspannt angehen und setzen mit einer der drei kleinen Fähren der Region ans andere Ufer des Rheins über.

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FOTO: DPA Die geplante zweite Rheinbrück­e zwischen Karlsruhe und Wörth entzweit seit über einem Jahrzehnt die Menschen. Hier im Bild: die Rheinbrück­e bei Maxau.

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