Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
FDP-Chef Lindner schließt Neuwahlen nicht aus
Jamaika-Parteien gehen in die entscheidende Sondierungsphase – Zwei Wochen Zeit für Hauptknackpunkte
BERLIN - „Keine Angst vor Neuwahlen!“FDP-Chef Christian Lindner holte das Schreckgespenst aus der Kiste, spekulierte offen über das Scheitern von Jamaika. Die Liberalen machen maximal Druck, um eigene Anliegen in den Sondierungsgesprächen mit Union und Grünen durchzusetzen. „Wenn das nicht möglich ist, gehen wir in die Opposition. Dafür nehme ich jeden Shitstorm in Kauf“, drohte Lindner, der die Chance auf ein schwarz-gelb-grünes Regierungsbündnis nach wie vor nur auf „50:50“beziffert.
Für die „Jamaikaner“startet heute mit einer Runde der Parteichefs am Abend die heiße Phase der Sondierungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Lindner und sein Vize Wolfgang Kubicki setzen sich mit den Grünen-Chefunterhändlern Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir zusammen. Die erste Etappe von Phase zwei: Die Identifizierung der Hauptknackpunkte, damit diese Schritt für Schritt abgearbeitet werden können. Am Dienstag soll es dann mit Fachberatungen weitergehen. Zwei Wochen bleiben noch, dann muss klar sein, ob es etwas wird mit dem ersten Bündnis von CDU/ CSU, FDP und Grünen im Bund. „Wir sind alle auf einem guten Weg“, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) am Wochenende und verbreitete Zweckoptimismus.
CSU-Chef Horst Seehofer braucht den Erfolg in den Sondierungen für das eigene politische Überleben. „Wir müssen jetzt das Tempo erhöhen“, forderte der bayerische Ministerpräsident deshalb und nahm Liberale und Grüne in die Pflicht. „Die Menschen in Deutschland erwarten zu Recht endlich Resultate aus den Verhandlungen und die Bildung einer stabilen Regierung.“
Mehr Tempo, endlich Ergebnisse – nicht alle in der CSU sind schon so weit. „Wir haben sehr, sehr unterschiedliche Positionen. Es gibt keine Garantie, dass es am Ende für eine gemeinsame Regierung reichen wird“, sagte CSU-Vize und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir arbeiten hart Stück für Stück an einem ausreichenden Vorrat an Gemeinsamkeiten. Statt um Eile geht es um Nachhaltigkeit.“
Aber die Zeit läuft davon. In der zweiten Novemberhälfte soll ein gemeinsames Sondierungspapier stehen, zwölf bis 15 Seiten lang. Bis dahin müssen Merkel, Seehofer und Co. Lösungen skizziert haben. Steuerentlastungen für die Lindner-FDP, mehr Öko und Klimaschutz für die Grünen, und die Begrenzung der Einwanderung für die CSU, das sind die Leitplanken für die Verhandlungsrunden der kommenden Tage.
Das größte Konfliktpotenzial birgt nach wie vor die Flüchtlingspolitik. Von einem dauerhaften Stopp des Familiennachzugs wollen die Grünen jedenfalls weiter nichts wissen. „Die Humanität muss gewahrt bleiben“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Sonntag.