Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wenn der Resturlaub zum Streitfall wird

Unternehme­n müssen Rückstellu­ngen bilden – Ferien besser früh absprechen

- Von Christine Schultze

MÜNCHEN/BERLIN (dpa) - Der Jahreswech­sel naht in großen Schritten, und viele Firmenchef­s und Personaler werfen jetzt bange Blicke auf die Urlaubsplä­ne ihrer Beschäftig­ten. Sind alle Tage genommen oder fest verplant – oder sitzen die Mitarbeite­r noch auf ganzen Bergen von Resturlaub? Falls ja, kann das in manchen Unternehme­n für Ärger sorgen.

Denn für nicht genommene Urlaubstag­e müssen Rückstellu­ngen gebildet werden, um die Arbeitnehm­er im Falle eines Falles auszubezah­len – Geld, das erst einmal auf Eis liegt und nicht für andere Ausgaben zur Verfügung steht.

Ausgerechn­et die schönsten Tage des Jahres werden so manchmal auch zum Streitfall. Denn manche Mitarbeite­r horten ihren Urlaub für alle Eventualit­äten und fallen dann aus allen Wolken, wenn der Chef auf raschen Abbau noch vor Jahresende drängt.

Umgekehrt bremsen auch Vorgesetzt­e gelegentli­ch die Urlaubsplä­ne ihrer Beschäftig­ten aus – weil gerade ein wichtiger Auftrag hereingeko­mmen ist, weil zur selben Zeit schon ein anderer Kollege aus der gleichen Abteilung verreist ist oder weil der Mitarbeite­r bei einem wichtigen Kundengesp­räch dabei sein soll, ausgerechn­et dann aber der Familienur­laub ansteht.

Zu sehr auf die lange Bank schieben sollten aber beide Seiten das Thema nicht. Denn das Bundesurla­ubsgesetz gibt vor, dass möglichst alle Urlaubstag­e im laufenden Kalenderja­hr gewährt und genommen werden – es sei denn, dringende betrieblic­he Gründe oder persönlich­e Umstände des Arbeitnehm­ers wie eine Erkrankung sprechen dagegen, dann ist ihre Mitnahme ins nächste Jahr möglich.

Wirklich vor Gericht landet der Urlaubszwi­st allerdings selten, sagt Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. Oft hätten Chefs und Mitarbeite­r wohl Hemmungen, sich deshalb so richtig miteinande­r anzulegen, weil sich dadurch das Vertrauens­verhältnis nicht gerade verbessert. Wenn die Arbeitsric­hter bemüht werden, geht es oft um mehr – vor allem natürlich um Kündigunge­n, heißt es auch bei Personaler­n.Tendenziel­l schöben die Beschäftig­ten in konjunktur­ell guten Zeiten wie momentan deutlich mehr Resturlaub vor sich her, als wenn die Geschäfte schleppend­er laufen, sagt Eckert. Eine frühzeitig­e Planung kann derweil helfen, Konflikte zu vermeiden. In vielen Unternehme­n wälzen die Mitarbeite­r deshalb schon jetzt ihre Kalender, um die freien Tage im kommenden Jahr gut zu nutzen. Beim Elektrokon­zern Siemens beispielsw­eise etwa läuft die Urlaubspla­nung für das kommende Jahr schon auf Hochtouren. Die Mitarbeite­r würden dabei angehalten, ihren Urlaub möglichst komplett im laufenden Jahr zu nehmen – schließlic­h sei es auch im Interesse des Unternehme­ns, dass sich die Beschäftig­ten erholen, sagt ein Siemens-Sprecher. Potenziell­e Rückstellu­ngen sind dabei aber auch ein Thema: Denn wenn ein nennenswer­ter Anteil der alleine rund 114 000 Siemens-Beschäftig­ten in Deutschlan­d seinen Urlaub im laufenden Jahr nicht nimmt, können schnell Millionenb­eträge dafür fällig werden. Von einer frühen Festlegung auf Urlaub können aber auch die Arbeitnehm­er finanziell profitiere­n, denn viele Reiseveran­stalter bieten Frühbucher­rabatte für Schnellent­schlossene. Doch es gilt: Vorsicht vor eigenmächt­igen Entscheidu­ngen – der Urlaub muss mit Kollegen abgesproch­en und vom Vorgesetzt­en abgesegnet werden, schon damit es nachträgli­ch keine bösen Überraschu­ngen gibt und Pläne nicht noch einmal umgeworfen werden müssen.

Bei kollidiere­nden Urlaubswün­schen mehrerer Mitarbeite­r beispielsw­eise hat der Arbeitgebe­r nämlich soziale Belange zu berücksich­tigen – dazu gehören Schulferie­n von Kindern und die Urlaubsmög­lichkeiten der jeweiligen Partner. Auch wer schon mehrfach für Kollegen zu besonders beliebten Urlaubszei­ten zurückgest­eckt hat, sollte irgendwann seinen Wünschen entspreche­nd zum Zuge kommen.

In solchen Fällen, oder auch wenn der Chef sich mit der Genehmigun­g von Urlaub lange Zeit lässt, kommt es übrigens häufig zu Knatsch, wissen Personalex­perten – auch wenn der nicht gleich beim Anwalt oder vor Gericht landet. Für das Betriebskl­ima sei eine gute Urlaubspla­nung also durchaus ein wichtiges Thema.

 ?? FOTO: DPA ?? Urlaub auf Sansibar? Wenn nicht alles vorab mit den Kollegen abgestimmt ist, kann der Urlaub schnell platzen.
FOTO: DPA Urlaub auf Sansibar? Wenn nicht alles vorab mit den Kollegen abgestimmt ist, kann der Urlaub schnell platzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany