Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Jeder Waldgang eine Art Therapie“
Rudi Holzberger stellt sein Buch „Dichter Wald – Der Sog der Wildnis“vor
ISNY - Der Kreuzthaler Ökologe, Autor und Journalist Rudi Holzberger liest am Freitag, 10. November, um 19 Uhr im Refektorium des Schlosses Isny aus seinem neuesten Buch „Dichter Wald – der Sog der Wildnis.“Unser Mitarbeiter Walter Schmid hat mit ihm vorab über seine Absichten und Gefühle beim Thema Wildnis gesprochen.
Herr Holzberger, Ihr Buch „Die Adelegg – das dunkle Herz des Allgäus“war wohl für die breite Öffentlichkeit gedacht, um diese zauberhafte voralpine Landschaft bekannter zu machen. Für mich persönlich war es ein kleines Nachschlagewerk, immer, wenn eines meiner Themen die Adelegg tangiert hat, dann bin ich darin fündig geworden. Ist ihr neues Buch mehr für Dichter, Denker und Poeten geschrieben?
„Nichts gegen Dichter und Denker, aber auch das neue Buch ist natürlich für das breite Publikum gedacht, auch wenn es viel mehr ist als ein Handbuch, eher eine Mischung aus Roman und Reportage, aus Essay und Erinnerung, aus Poesie und Polemik. Die Geschichte fängt am 11. September 2001 an, sie enthält 60 Jahre Erinnerung, sie mischt alle nur möglichen Themen – vor allem aber ist es eine Heimkehr in die „Kindheitsheimat“, wie Günter Herburger dies nennt…“
Wer ist denn der oder das „Dich“im Titel des Buches? Sind Sie das selbst? Oder soll etwa der „innere Mensch“angesprochen sein? „Sorry, das ist kein Dich, sondern nur die Trennung des Dichters. Der dichte Wald ist für mich der wirkliche Wald der Adelegg und zugleich der Wald des Dichters Günter Herburger, der für mich auf dieser Tour eine Art Vorläufer ist. Aber gerne kann sich auch jeder und jede angesprochen fühlen…“
Wenn ja, sehen Sie eine Notwendigkeit für den heutigen, modernen Menschen, der so sehr außengesteuert ist und auf der medialen und auch kommerziellen Ebene lebt, öfter in den Wald, zum Wandern zu gehen?
„Absolut. Wandern ist ja nicht zufällig wieder ein Trend geworden. Wir wollen unseren Körper spüren, wir wollen die Atmosphäre im Wald erleben – den Duft, die Kühle, das Unterholz, einsame Pfade, gewaltige Bäume, Forellen in den Bächen und die Phantasie von Wölfen, denen ich auch ein Kapitel widme, denn sie werden ja wohl auftauchen. Dann wird das Erlebnis Wald noch spannender. Für mich ist jeder Waldgang eine Art Therapie, ich verliere mich dort gerne, etwa beim Pilzen, also gerne auch jenseits des rechten Weges…“
Was gewinnt denn der Mensch, wenn er sich auf den Sog der Wildnis einlässt? Hält der moderne Mensch überhaupt Stille, Einsamkeit, unberührte Natur aus? Was muten Sie ihm da zu? Sie sagen ja selbst, dass man in der Region Adelegg sowieso abgeschieden ist von der Zivilisation und dass man zum Beispiel keinen Handyempfang hat. Ist das nicht Zumutung genug? „Das mag eine Zumutung sein, aber gewiss eine heilsame. Wenn ich sehe, dass, sorry, vor allem junge Frauen noch beim Autofahren das Handy im Griff und im Blick haben, dann ist die Adelegg ja wahrlich eine existenzielle Erfahrung. Also, nichts wie los, die Wildnis in meinem Sinne ist tatsächlich eine Prüfung, ob wir mit uns selber noch klar kommen, ob uns die Angst packt, wenn wir uns im Wald verlieren, nur noch Vögel hören und sonst nichts in der ja nur scheinbar unberührten Natur – die uns auf jeden Fall berührt…“
Und was heißt das denn konkret? Abseits der Wege sich zu bewegen, wo doch vom Naturschutz ständig darauf hingewiesen wird, zum Schutz von Flora und Fauna auf den Wegen zu bleiben?
„Ja, der sogenannte Naturschutz muss sich dringend mit der Wanderlust und der Beziehung zur Wildnis neu verständigen. Wir dürfen, ja wir sollen jedenfalls im Sommer die Wege im Wald auch mal verlassen, jeder Pilzgänger kann diese Lust gut schildern – aber auch die Freude, dann wieder einen Weg oder einen Pfad, wenigstens einen Wildwechsel zu finden. Flora und Fauna stört das keineswegs, wenn wir mal in kleinen Gruppen die Wege verlassen – das wird ja immer die Ausnahme bleiben, in der Adelegg zudem eine gewaltige Prüfung auf die Kondition, wenn wir etwa die Steilhänge hochkraxeln. Aber: Wer sich das zumutet, muss die Lust auf die Wildnis nicht mehr im Himalaya suchen, das ist ökologisch auch kein Nachteil. Was wäre es denn für ein Naturparadies, wenn der Mensch sich dort nicht bewegen darf? Jedes Paradies will vom Menschen gestaltet sein, auch wenn wir noch einiges lernen müssen…“
Letzte Frage, was erwartet die Gäste am Freitag im Refektorium? „Eine Mischung aus Erzählung und ein, zwei, drei Textpassagen, die ich lesen werde. Begleitet von den Fotografien von Roland Rasemann, der mit mir seit 2001 an diesem Buch und dem Thema Adelegg oder Kreuzthal gearbeitet hat. Seine Bilder sind für mich sensationell, sie zeigen intuitiv, was ich mit Wildnis meine. Wer diese Bilder verpasst ist selber schuld oder muss wenigstens das Buch kaufen…“