Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
War da was?
Elf Spieltage konnte man auf Spannung in der Bundesliga hoffen – nun haben die Bayern auch Dortmund besiegt
DORTMUND (dpa/SID/fil) - Diese kurze Auszeit hat sich Jupp Heynckes verdient. Zum ersten Mal, seit der 72-Jährige am 9. Oktober als Notund Übergangslösung zum vierten Mal Trainer des FC Bayern München wurde, wird er nach dem 3:1 (2:0) durch Tore von Arjen Robben (17.), Robert Lewandowski (37.) und David Alaba (67.) bei den immer ärger strauchelnden Dortmunder Borussen einige Tage zu Hause in Schwalmtal am Niederrhein bei Ehefrau Iris, Schäferhund Cando – längst der wohl berühmteste Hund der Republik – den Katzen und seinen KoiKarpfen verbringen.
Die meisten seiner Spieler befinden sich ab Montag bei ihren Nationalmannschaften, und Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef KarlHeinz Rummenigge werden ein paar Tage auch ohne ihren Jupp auskommen. Nicht einmal ein Monat ist vergangen, seit die Bosse aus einem Mix aus Verunsicherung, Ratlosigkeit und Verzweiflung Carlo Ancelotti beurlaubten und ihren Kumpel Heynckes wieder einmal aus der Rente herausholten, diesmal für acht Monate. Sieben Siege in sieben Spielen hat Heynckes in dieser Zeit mit der Mannschaft eingefahren und nebenbei die Stimmung beim Rekordmeister komplett gedreht – und die Hoffnung vieler Fußballfans auf eine endlich einmal spannende Meisterschaft irgendwie schon wieder zunichte gemacht.
Elf Punkte mehr in vier Spielen
„Das ist schon der Wahnsinn, wie der Trainer das in so kurzer Zeit geschafft hat“, sagte Arjen Robben, einer von vielen Spielern, der unter Heynckes wieder aufgeblüht ist – und nebenbei vergessen zu haben scheint, einen eigentlich sehr verletzungsanfälligen Körper zu haben: Robben spielte, eher unüblich für ihn, zuletzt immer. Mit nun 93 Treffern ist er nun der bisher beste ausländische Torschütze der Bayern in der Bundesliga. „Das ist eine schöne Bestätigung der langen Zeit hier. 93 Tore, das ist nicht nichts“, kommentierte Robben gewohnt ehrgeizig. „Arjen ist nicht nur ein Weltklassespieler, sondern auch ein Vorbild für viele Spieler aufgrund seiner Professionalität. Ein großartiger Mannschaftsspieler, der vorneweg geht und auch defensiv arbeitet. Er sprüht vor Tatendrang und Ehrgeiz, das spürt man auch außerhalb des Platzes“, lobte Heynckes.
Fünf Punkte Rückstand hatten die Bayern bei Heynckes’ Rückkehr auf den zu Saisonbeginn furios aufspielenden BVB. Nach dem Sieg in Dortmund sind es plötzlich sechs Zähler Vorsprung. Die Dortmunder spielten am Samstag keineswegs desolat, hatten sogar die leicht besseren Chancen. Doch die Niederlage war absolut verdient. Kingsley Coman machte mit Marc Bartra auf der linken Seite, was er wollte, auch der Ravensburger Innenverteidiger Ömer Toprak wirkte überfordert. Torjäger PierreEmerick Aubameyang erwischte erneut einen schlechten Tag. „Es gibt so Phasen“, lautete der leicht hilflose Erklärungsansatz von Mittelfeldspieler Gonzalo Castro. Kritik an Trainer Peter Bosz wollte er, wie seine Mitspieler, nicht zulassen: „Es lag nie am System. Es lag immer an uns.“
Der Bundesliga droht nun jedenfalls bei schon wieder sechs Punkten Vorsprung der Bayern mal wieder ein Durchmarsch des Rekordmeisters. „Wir hätten natürlich kein Problem damit, wenn es langweilig wird“, sagte Mats Hummels. Er glaube allerdings nicht daran, fügte er hinzu. Seine Mimik sagte etwas anderes. Heynckes hat diesen Weg in vier „wahnsinnig strapaziösen Wochen“, wie er sagte, geebnet. Was im Grunde weder für seine Mannschaft, noch für die Qualität der Konkurrenz spricht. Denn die Bayern spielen nun zwar einen sehr einfachen, klaren und direkten Fußball, sie haben ihr immer etwas leicht sadistisches Siegergen reaktiviert. Aber ihr Spiel ist weit davon entfernt, brillant zu sein, sie lassen zudem etliche Chancen zu. Der wesentlichste Unterschied im Vergleich zu den Wochen vor Heynckes: Die Spieler scheinen richtig Lust zu haben – und sie folgen ihrem Trainer bedingungslos. Das reicht offenbar schon, um der Konkurrenz in der Liga zu enteilen.
Unausgesprochene Seitenhiebe
Zudem: Die Siege der vergangenen Wochen, in denen auch Vizemeister Leipzig in Pokal und Liga das Nachsehen hatte, holten die Bayern quasi auf der Felge laufend. „Wir haben nicht nur viele Spiele absolviert, sondern auch intensiv und mit großem Umfang trainiert. Das hat die Spieler ungemein beansprucht. Deshalb haben zuletzt viele über Muskelbeschwerden geklagt“, betonte Heynckes. In seinen Ausführungen lassen sich immer wieder Seitenhiebe auf die eher laxe Arbeitsauffassung von Vorgänger Carlo Ancelotti heraushören - die er auf konkrete Nachfrage freilich nicht konkretisieren wollte: „Wenn ein Trainer nach einem Drittel der Saison kommt, hat er andere Ideen, andere Intensität, anderen Umfang.“Daher kämen auch die vielen muskulären Probleme seiner Spieler, da müssten die Spieler aber durch. „Ich habe eben einen Leistungsanspruch, der sehr hoch ist und ich bin eigentlich nie zufrieden“, so Heynckes, der dann noch verriet, dass er Mats Hummels sogar gegen dessen Bitte durchspielen ließ. Der Weltmeister, der wegen blau angelaufener Zehen extra Löcher in seine Fußballschuhe schnitt, habe „schon zur Halbzeit rausgewollt“, berichtete Heynckes: „Das habe ich verweigert. Ich habe ihm gesagt, er muss sich durchbeißen. In so einem engen Spiel kann man keinen Eckpfeiler rausnehmen.“